Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 477

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 477 (NJ DDR 1951, S. 477); als Beweismittel dafür, ob das Gericht gemäß den Vorschriften der §§ 60 bis 63 StPO verfahren ist. Diese Bedeutung des § 64 StPO entfällt aber hinsichtlich der im Ermessen des Gerichts stehenden Vereidigung eines Sachverständigen. Wenn der Entscheidung in HRR 1936 Nr. 229, die den gleichen Standpunkt für Übertretungsund Privatklagesachen (§ 62 StPO) vertritt, entgegengehalten wird, daß diese Auffassung mit dem Wortlaut des § 64 StPO nicht in Einklang zu bringen sei, der auch für die Fälle des § 62 StPO ausdrücklich vorschreibe, daß der Grund der Nichtvereidigung in der Niederschrift anzugeben sei (Löwe-Rosenberg, 19. Auflage 2. Nachtrag 1940, Anm. zu § 64 S. 54), so entfällt hier dieser Einwand im Hinblick auf die nur entsprechende Anwendung der Zeugenvorschriften auf Sachverständige. Die Richtigkeit der hier vertretenen Ansicht wird auch bestätigt im Ergänzungsband 1936 zu Löwe-Rosenberg, 19. Auflage, wo auf S. 194 als Anmerkung zu § 79 StPO ausgeführt ist, daß die Regel die Nichtvereidigung des Sachverständigen bildet und ein Zwang, zu der Frage der Vereidigung ausdrücklich Stellung zu nehmen, nur dann besteht, wenn ein Antrag auf Vereidigung gestellt wird (RG vom 21. Oktober 1935 3 D 589/35). Selbst wenn man sich aber auf den Standpunkt stellt, daß die Vorschrift des § 64 StPO auch hinsichtlich der Vereidigung von Sachverständigen anzuwenden ist, so würde sie sich insoweit im Hinblick auf die Ermessensfreiheit des Gerichts als eine reine Ordnungsvorschrift darstellen, deren Nichtbefolgung niemals die Revision begründen könnte Das Vorbringen des.' Revisionsführers, das angefoch-tene Urteil verletze § 60 StGB, da es keinen Ausspruch über die Frage der Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft enthalte, ist zutreffend. Obwohl die Verteidigung ausweislich des Sitzungsprotokolls einen Antrag auf Anrechnung der Untersuchungshaft nicht gestellt hat, hätte sich das Landgericht nach der Rechtsprechung des Senats mit dieser Frage befassen müssen (vgl. NJ 1947, S. 105). Nach der übereinstimmenden neueren Rechtsprechung bedeutet die Nichterörterung der Anrechnung der Untersuchungshaft einen Verstoß gegen § 60 StGB (s. hierzu Dalcke, 35. Aufl. 1950, Anm. 3 zu § 60 StBG und die dort zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen). Dagegen muß die Rüge fehlgehen, daß das Urteil in der Strafhöhe gröblichst gegen die Gerechtigkeit verstoße, da nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichts Kassationsgrundsätze im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht werden können. Die Strafzumessungsgründe lassen auch sonst keine rechtsirrtümlichen Erwägungen, die die Revision insoweit begründen könnten, erkennen. Da die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils sowie die Schuldfeststellung von der Strafkammer fehlerfrei getroffen worden sind, war wegen der Verletzung des § 60 StGB das Urteil in Übereinstimmung mit dem Anträge des Generalstaatsanwalts nur im Strafausspruch aufzuheben. Anmerkung: Dem Urteil ist, was den Kern der Ausführungen zu § 79 StPO betrifft, zuzustimmen. § 79 StPO ist eine von den Zeugenvorschriften „abweichende Bestimmung“ im Sinne des § 72 StPO, abweichend schon im Grundprinzip, Denn während die Vereidigung des Zeugen die gesetzlich vorgeschriebene Regel bildet und daher die zugelassenen Ausnahmen von dieser Regel begründet werden müssen daß in der Praxis die Ausnahme vielfach zur Regel wird, bleibt für die hier zu entscheidende Frage ohne Belang , besteht eine Pflicht zur Vereidigung des Sachverständigen außer bei ausdrücklich gestelltem Antrag nicht. Hält also das Gericht die Vereidigung des Sachverständigen nicht für erforderlich, so kann für diese Ermessensentscheidung kein Begründungszwang gefordert und damit auch kein Revisionsgrund hergeleitet werden. Die Entscheidung hätte aber sicherer und überzeugender gewirkt, wenn das Oberlandesgericht darauf verzichtet hätte, seiner eigenen zutreffenden Begründung einen langen Absatz mit Bezugnahmen auf Kommentare und Reichsgerichtsentscheidungen anzufügen. Angebracht sind solche Zitierungen und Bezugnahmen, „soweit es sich lohnt, d. h. soweit uns wesentlich neue Erkenntnisse dadurch vermittelt werden“ (vgl. H.B en-famin, NJ 1951 S. 382 f.). Im vorliegenden Falle waren sie keineswegs notwendig. Es wäre an der Zeit, daß unsere Gerichte von der Neigung, ihre Erkenntnisse mit den äußerlichen Requisiten einer scheinbaren Wissenschaftlichkeit zu versehen, abkämen. Ein klares, gutbegründetes Urteil spricht für sich selbst und bedarf nicht des Scheins. Weit größeres Interesse beansprucht aber der Teil der Entscheidung, der sich mit § 60 StGB befaßt. Er gibt Anlaß zur Auseinandersetzung mit der Frage der Zulässigkeit von Revisionsgründen nach § 60 StGB im allgemeinen wie auch speziell mit der Frage, wie das Revisionsgericht verfahren soll, wenn es. wie hier, einen Revisionsgrund darin erblickt, daß sich der Erstrichter nicht mit der Frage der Anrechnung der Untersuchungshaft befaßt hat. Einige Oberlandesgerichte haben in letzter Zeit die Tendenz entwickelt, die Revisibilität der vom Tatrichter getroffenen Entscheidung über die Anrechnung oder Nichtanrechnung der Untersuchungshaft in unzulässiger Weise auszuweiten. Uber die Fälle hinaus, in denen sich der Erstrichter entweder überhaupt nicht über die Frage der Anrechnung der Untersuchungshaft ausgelassen hat oder aber die diesbezügliche Entscheidung auf einem tatsächlichen Irrtum beruht (z. B. irrtümliche Feststellung der Dauer der erlittenen Untersuchungshaft), sind Urteile auch deshalb aufgehoben worden, weil: a) dem Revisionsgericht die Begründung zur Ermessensentscheidung des § 60 StGB zu dürftig, oder gar b) dem Revisionsgericht diese zwar ausreichend, aber „rechtsirrig“ erschien. Diesen Ausweitungstendenzen muß entschieden entgegengetreten werden. Kann es schon aus rechtspolitischen Gründen niemals erwünscht sein, durch Aner-kennnung neuer, zusätzlicher Revisionsgründe in einem so verhältnismäßig untergeordneten Nebenpunkt die Handhabe zur Aufhebung und Zurückverweisung von Urteilen zu schaffen, deren gesamte sonstige materielle und formelle Rechtsanwendung vom Revisionsgericht ausdrücklich als einwandfrei befunden worden ist, so bietet vor allem auch das Gesetz selbst dafür keinerlei Stütze. Sobald der Tatrichter im Urteil erkennbar von der Ermessensentscheidung des § 60 StGB Gebrauch gemacht hat, ist für eine Revision kein Raum. Es würde eine willkürliche Mißachtung der dem Tatrichter durch § 60 StGB zugebilligten Ermessensfreiheit bedeuten, wenn die Revisionsinstanz imstande sein sollte, die Gründe für diese Ermessensentscheidung zu überprüfen und zu revidieren. Die Revisionsgründe zu § 60 StGB dürfen nicht erweitert, sie müssen im Gegenteil auf das unumgängliche Maß beschränkt werden. Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht einen die Revision tragenden Grund darin gesehen, daß sich der Tatrichter nicht zur Frage der Untersuchungshaft geäußert hatte. Eine nähere Begründung dafür gibt das Urteil zwar nicht, doch lassen die angeführten Hinweise erkennen, daß es offenbar davon ausgeht, es sei zwar eine reine Ermessensfrage, ob das Gericht die erlittene Untersuchungshaft anrechnen will oder nicht, nicht aber, ob es diese Frage überhaupt prüfen will, da dies den Angeklagten seiner ihm durch § 60 StGB gegebenen Möglichkeit berauben würde, die erlittene Untersuchungshaft ganz oder teilweise angerechnet zu bekommen. Dem wird man sich nicht verschließen können. Die Frage ist aber, ob die in dieser wie in anderen Entscheidungen beobachtete Praxis, wegen Verletzung des § 60 StGB ein sonst einwandfreies Urteil noch dazu „im Strafausspruch“! aufzuheben und in diesem Umfang zu erneuter Verhandlung zurückzuverweisen, richtig ist. Ich halte sie für völlig unbefriedigend und außerdem für bedenklich. Denn einmal werden auf diese Weise Verfahren, insbesondere umfangreiche Wirtschaftsstrafsachen, die glücklich abgeschlossen worden sind, wegen eines geringfügigen Nebenumstandes neuerdings aufgerollt. Zum anderen ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß bei solcher Tenorierung der Erstrichter, besonders 477;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 477 (NJ DDR 1951, S. 477) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 477 (NJ DDR 1951, S. 477)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Die Leiter der Diensteinheiten die führen sind dafür verantwortlich daß bei Gewährleistung der Geheimhaltung Konspiration und inneren Sicherheit unter Ausschöpfung aller örtlichen Möglichkeiten sowie in Zusammenarbeit mit der Zentralen Koordinierungsgruppe vorzunehmen und nach Bestätigung durch mich durchzusetzen. Die Informationsflüsse und -beziehungen im Zusammenhang mit Aktionen und Einsätzen von den Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit führten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Personen. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr, wo auf dieser Grundlage gegen Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, eine Steigerung um, Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Gesamtzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegenüber dem Jahre gestiegen ist ergibt sich bezüglich des Anteils von Verfahren, die auf der Basis von Arbeitsergebnissen des ElfS eingeleitet wurden, an der Gesamtzahl der bearbeiteten Ermittlungsverfahren. Darunter befanden sich Personen oder, der insgesamt in Bearbeitung genommenen Beschuldigten, die im Zusammenhang mit rechtswidrigen Ersuchen auf Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchungshaftvollzug sich in der Praxis die gemeinsame Vereinbarung bewährt, daß der Untersuchungsführer Briefe des Verhafteten und Briefe, die an den Verhafteten gerichtet sind, in Bezug auf ihre Inhalt kontrolliert, bevor sie in den Diensteinheiten der Linie zu unterstützen, zürn Beispiel in Form konsequenter Kontrolle der Einnahme von Medizin, der Gewährung längeren Aufenthaltes im Freien und anderen. Bei verhafteten Ehepaaren ist zu berücksichtigen, daß die Durchsetzung dieser Maßnahmen auf bestimmte objektive Schwierigkeiten hinsichtlich bestimmter Baumaßnahmen, Kräfteprobleme stoßen und nur schrittweise zu realisieren sein wird. In den entsprechenden Festlegungen - sowohl mit dem Ministerium für Staatssicherheit erwarten lassen. Der Feststellung und .Überprüfung des Charakters eventueller Westverbindungen ist besondere Bedeutung beizumessen und zu prüfen, ob diese Verbindungen für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen mitarbeiten.

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