Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 473

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 473 (NJ DDR 1951, S. 473); § 12 FGG bietet dem Richter Gelegenheit, alle Möglichkeiten der Tatsachenerforschung, deren er zur Unterstützung seiner Entscheidung bedarf, von Amts wegen auszuschöpfen. Neben den Fürsorgerinnen, die persönlich zu vernehmen waren, hätte insbesondere mit Rücksicht darauf, daß die Mutter die Darstellung des Amtes für Mutter und Kind über die schlechten Verhältnisse in ihrer Wohnung bestritten hat, auch der Hausvertrauensmann, der als solcher Organ der demokratischen Verwaltung ist und auf Grund seiner Tätigkeit ebenfalls einen genauen Einblick in die häuslichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin haben dürfte, gehört werden sollen. Bei Irmgard, die Mitglied der FDJ ist, hätte außerdem unbedingt der Leiter ihrer FDJ-Gruppe über ihre Beteiligung am gesellschaftlichen Leben und ihr Verhalten im Kreise der Jugendfreunde gehört werden müssen. Das Beschwerdegericht hat diesem Umstand nicht nur das ihm zukommende Gewicht nicht beigelegt, sondern in dem angefochtenen Beschluß sogar die Ansicht vertreten, daß eine etwaige Betätigung Irmgards in der FDJ allein sie nicht vor Verwahrlosung bewahren könne. Dieser Auffassung muß entschieden widersprochen werden. Das Beschwerdegericht hat die entscheidende Rolle, die die FDJ als Massenorganisation der Jugend bei der Entwicklung unserer Jugend hat und die große Hilfe, die ihr Wirken den Eltern bei der Erfüllung der Erziehungspflichten gibt, nicht erkannt. Deshalb ist es auch ment verwunderlich, daß das Landgericht auch bei Günter keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob er der Jugendorganisation (bei ihm käme der „Verband der Jungen Pioniere“ in Frage) angehört, um gegebenenfalls dort nähere Auskünfte über ihn einzu-hoien. Auf keinen Fall hätte aber eine Günter betreffende Entscheidung ohne Einschaltung seiner Schule getroffen werden dürfen, nachdem das Beschwerdegericht festgestellt hatte, daß dieser seit seiner Ausheilung (Januar laöl) wieder regelmäßig die Schule besucht. Um einen umfassenden Überblick über die Entwicklung eines Kindes und deren eventuelle Gefährdung zu erhalten, genügt es nicht, nur die häuslichen Verhältnisse zu betrachten. Das Leben unserer Jugend spielt sich nient nur im Elternhaus, sondern zu einem wesentlichen Teil auch in der Gesellschaft (z. B. in der Schule, der Jugendorganisation usw.) ab. Alle Faktoren zusammen wirken erzieherisch auf das heranwachsende Kind ein und beeinflussen seine Entwicklung, wobei eine ständige Wechselwirkung zwischen Elternhaus und Schule und, sofern der Minderjährige Mitglied der FDJ oder des Verbandes der Jungen Pioniere ist, auch dieser Organisation besteht. Unser antifaschistiscn-demokratischer Staat ist wie z. B. die Schaffung von Elternbeiräten und die Einrichtung von Elternseminaren zeigt sichtlich bestrebt, diese Wechselwirkung zu fördern, zu verstärken und so zu gestalten, daß trotz der verschiedenen Sphären, in denen sich das Leben unserer Kinder bewegt, die Gleichmäßigkeit ihrer Entwicklung garantiert ist. Das erfordert aber, daß die bisherige Isolierung des Elternhauses überwunden und eine enge Verbindung zwischen ihm, der demokratischen Öffentlichkeit und der deutschen demokratischen Schule hergestellt wird, wozu die genannten Einrichtungen beitragen. Diese neue Stellung des Elternhauses in der Gesellschaft müssen auch die Vormundschaftsgerichte bei ihrer Tätigkeit beachten. Es genügt daher für die Entscheidung der Frage, ob ein Jugendlicher gefährdet ist, nicht, daß lediglich seine häuslichen Verhältnisse überprüft werden. Es muß vielmehr auch derjenige Teil seines Lebens betrachtet werden, der sien außerhalb des Elternhauses unmittelbar in der Gesellschaft abspielt. Endlich liegt eine Verletzung der dem Richter von Amts wegen obliegenden Aufklärungspflicht noch darin, daß das Beschwerdegericht, der fehierhalten Auffassung des Amtsgerichts folgend, die für die Familie S. folgenschwere Maßnahme der Sorgerechtsbeschränkung beschlossen hat, ohne die Kinder selbst zu hören. Das Gesetz enthält zwar zur Zeit noch keine ausdrückliche Bestimmung, daß Minderjährige in derartigen Fällen persönlich anzuhören sind. Das bürgerliche Recht hatte im Rahmen der bürgerlichen Familienordnung, die auf der ihrer Bezeichnung nach elterlichen, ihrem Wesen nach väterlichen Gewalt, d. h. auf dem Bestimmungsrecht des Vaters beruhte, keine Veranlassung, dem Vormundschaftsrichter die persönliche Anhörung des Kindes zur Pflicht zu machen; denn das Kind war, so lange es minderjährig war, Objekt dieser elterlichen „Gewalt“ und hatte sich dem Willen des Erziehungsberechtigten zu fügen. In der antifaschistisch-demokratischen Ordnung besteht eine andere Einstellung zum Kinde. Hier sind die Kinder nicht mehr Objekt individualistischen Elternwillens. In einem Staat, in dem das Gesetz über die Teilnahme der Jugend am Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. 1950 S. 95) bzw. für Berlin die Verordnung zur Förderung der Jugend (VOB1. für Groß-Berlin 1950 S. 30) den Jugendlichen eigene Verantwortung auf erlegen und sie zu verantwortungsvollen Aufgaben heranziehen, in dem junge Menschen durch beispielhafte Leistungen als Aktivisten und Brigadiere aktiv zum gesellschaftlichen Fortschritt beitragen, in dem auch die Jüngeren in der Schule, im Verbände der Jungen Pioniere usw. zu selbständigem Denken und eigener verantwortungsbewußter Tätigkeit angeregt werden, ist die Anordnung einer Maßnahme über Kinder und Jugendliche (auch im Rahmen des § 1666 BGB!) ohne deren persönliche Anhörung grundsätzlich undenkbar. § 12 FGG hat insofern durch die veränderte Stellung des Kindes in unserer heutigen Gesellschaftsordnung einen neuen Inhalt erhalten, als die Aufklärungsverpflichtung des Richters in allen vormundschaftsgerichtlichen Angelegenheiten, die Minderjährige betreffen, die persönliche Anhörung des Minderjährigen umfaßt, wenn diese ihrem Alter nach in der Lage sind, gehört zu werden. Da sowohl Irmgard als auch Günther ihrem Alter nach (Irmgard ist in wenigen Monaten volljährig und Günther fast 13 Jahre alt) durchaus imstande sind, eine eigene Darstellung über ihre Verhältnisse zu geben, stellt die Unterlassung ihrer Anhörung eine Verletzung des § 12 FGG dar. Diese Gesetzesverletzung ist um so schwerwiegender, als die Mutter in ihrer an das Landgericht gerichteten Beschwerde ausdrücklich um persönliche Vorladung der Kinder gebeten hatte. Die vorübergehende Krankheit Irmgards konnte das Beschwerdegericht nicht hindern, wenigstens Günter persönlich vorzuladen. Die Irmgard betreffende Entscheidung hätte bis zu ihrer Genesung zurückgestellt werden müssen. Das Vorgehen beider Vorinstanzen zeigt im vorliegenden Fall, wie vormundschaftliche Maßnahmen über Jugendliche nicht getroffen werden sollen. Beide Gerichte haben mehr oder weniger auf Grund von Aktenmaterial entschieden und dabei vergessen, daß es bei Entscheidungen in Vormundschaftssachen entscheidend auf den persönlichen Eindruck ankommt, den das Gericht über Kinder und Erziehungsberechtigte selbst hat. Beide Gerichte haben übersehen, daß Kinder keine toten Aktenvorgänge, sondern in der Entwicklung stehende Menschen sind und daß Entscheidungen nach „Aktenlage“ der angefochtene Beschluß kann nicht anders bezeichnet werden hier nicht am Platze sind. Eine Maßnahme, die dem Leben des Kindes eine neue Richtung gibt und entscheidend in den bisherigen Entwicklungsprozeß eingreift, darf daher nur verfügt werden, wenn das Gericht sich durch gewissenhafte Prüfung aller Umstände davon überzeugt hat, daß die verfügte Maßnahme dem Wohle des Kindes dient. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist aber noch aus anderen Gesichtspunkten rechtsfehlerhaft. Nach § 1666 BGB kann das Vormundschaftsgericht zur Abwendung einer dem Kinde drohenden Gefahr die hierfür erforderlichen Maßnahmen treffen. Es ist insbesondere auch berechtigt, die Elternrechte einzuschränken, und kann hierbei auch bestimmen, daß das Kind nicht im Elternhaus, sondern in einer anderen geeigneten Familie oder in einem Heim untergebracht und dem sorgeberechtigten Elternteil das Recht der Aufenthaltsbestimmung insofern entzogen wird. Bei der Anwendung dieser Maßnahme ist für die Entscheidung des Gerichts ausschließlich das Wohl des Kindes maßgebend, wobei das allgemeine Erziehungsziel, das in der antifaschistisch - demokratischen Ordnung jedem Sorgeberechtigten gesetzt ist, in Betracht gezogen werden muß. Dieses Ziel besteht darin, die Kinder zu geistig und körperlich tüchtigen Menschen im Geiste der Demokratie, des friedlichen Zusammenlebens und der Völkerfreundschaft zu erziehen. Die Vormundschaftsgerichte und alle sonstigen mit Jugendfragen;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 473 (NJ DDR 1951, S. 473) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 473 (NJ DDR 1951, S. 473)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister und der beim Leiter der durchgeführten Beratung zur Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wurden Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten zu gewährleiten. Umfassende Klarheit ist bei allen Leitern und Mitarbeitern der Diensteinhelten der Linie darüber zu erreichen, daß in Weiterentwicklung des sozialistischen Rechts in der Beschuldigtenvernehmung zur Erarbeitung wahrer Aussagen und als Voraussetzung ihrer Verwendbarkeit in der Beweisführuna. Die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit beruhende Anwung und Nutzung der Gesetze auszuf gehen. Höhere Anforderungeh erwachsen für die gesamte politischoperative Arbeit Staatssicherheit aus der verstärkten Konspiration im Vorgehen des Gegners gegen die Sicherheitsorgane der ist es für uns unumgänglich, die Gesetze der strikt einzuhalten, jederzeit im Ermittlungsverfahren Objektivität walten zu lassen und auch unserer Verantwortung bei der Sicherung des Friedens, der Erhöhung der internationalen Autorität der sowie bei der allseitigen Stärkung des Sozialismus in unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat erfährt. Die sozialistische Gesetzlichkeit ist bei der Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche und Bearbeitung der politisch-operativen Schwerpunkte, genutzt werden. Dabei ist stets auch den Erfordernissen, die sich aus den Zielstellungen für die Vorgangs- und personenhezögeheyArbeit im und nach dem Operationsgebiet Die wirkunggy; punkten vorhatnäi unter ekampfung der subversiven Tätigkeit an ihren Ausgangs-ntensive Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung des sozialistischen Strafrechts, die unter Beachtung rechtspolitischer Erfordernisse sachverhaltsbezogen bis hin zu einzelnen komplizierten Entscheidungsvarianten geführt wird, kam es den Verfassern vor allem darauf an, bisher noch nicht genutzte Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung ausgewählter insbesondere verwaltungsrechtlicher Vorschriften zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner zielstrebig wirksam werden zu lassen, sind insbesondere die im Zusammenhang mit den eingeleiteten Strafverfahren durchzuführenden Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit entsprechend zu nutzen.

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