Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 428

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 428 (NJ DDR 1951, S. 428); Anmerkung: Die Entscheidung behandelt ein sehr interessantes Problem. Nach § 4 WStVO wird soweit es hier interessiert bestraft, wer in Ausübung eines Gewerbes oder Berufes vorsätzlich oder fahrlässig einem Bezugsberechtigten bewirtschaftete Rohstoffe oder Erzeugnisse, zu deren Abgabe er verpflichtet ist, vorenthält. Versucht man eine formale Subsumtion des zur Entscheidung stehenden Sachverhalts unter diese gesetzliche Vorschrift, so scheint sie erfüllt zu sein. Die Angeklagte hat in Ausübung eines Gewerbes gehandelt; es handelt sich um bewirtschaftete Erzeugnisse; die Käufer waren Bezugsberechtigte; diese legten Marken vor. die sie zum Empfang berechtigten und demgemäß die Angeklagte zur Abgabe verpflichteten; den Bezugsberechtigten wurden die Waren vorenthalten. Damit ist der Tatbestand des § 4 WStVO formal erfüllt. Das genügte dem LG Magdeburg, das daher zu einer Verurteilung der Angeklagten kam. Das Ministerium für Handel und Versorgung, dem die Entscheidung des OLG Halle zur Stellungnahme vorgelegt worden ist, hat erklärt: „Wer entsprechend seinemVerantwortungsbewußtsein gegenüber der werktätigen Bevölkerung aus eigener Initiative vorübergehende Versorgungsschwierigkeiten durch geeignete Verteilungsmaßnahmen zu mildern oder abzuwenden sucht, handelt nicht nur nicht rechtswidrig, sondern pflichtgemäß.“ Was war der Sinn des § 4 WStVO? Als er erlassen wurde, bestand ein großer Mangel an allen Waren. Deshalb hatte man gerade für die nur auf Karten zu beziehenden Waren die Dekadenbindung und die Kundenbindung einaeführt, weil sie dem Kunden die größtmögliche Sicherheit boten, in den Besitz der ihm zustehenden Waren zu kommen, und weil durch sie dem unter den Gewerbetreibenden weit verbreiteten Hang zu illegalen Geschäften mit diesen verknappten Waren am wirksamsten entgegenaetreten werden konnte. Durch Dekadenbindung und Kundenbindung wurde erreicht, daß der Kunde in aller Regel seine Waren erhielt. Der Gewerbetreibende hatte wenig Möglichkeiten, den Ansprüchen seiner Kunden auszuweichen. Diese engen Vorschriften mußten durch Strafvorschriften sanktioniert werden. Wer dem legitimierten Kunden Waren vorenthielt und ihn dadurch in die Gefahr brachte, die entsprechenden Waren nicht zu bekommen weil er wegen der Kundenbindung in kein anderes Geschäft gehen konnte und auch durch die Dekadenbindung beschränkt war , mußte scharf bestraft werden. Dieser Aufgabe diente § 4 WStVO. In der Zwischenzeit haben sich die Verhältnisse entscheidend verändert. Der Warenmangel ist im großen Umfange behoben, soweit, daß die Rationierung für einen großen Teil der Bedarfsgüter, insbesondere auch der Lebensmittel, aufgehoben werden konnte. Hier zeigt sich mit am sinnfälligsten der Erfolg unserer friedlichen Aufbauarbeit. Beseitigt sind Kundenbindung und Dekadenbindung. Überwunden ist dadurch zu einem großen Teil die Situation, die den Gewerbetreibenden veranlaßte, illegale Geschäfte mit den Waren zu treiben, die er seinen Kunden als Letztverbrauchern zuzuführen hatte. Geschwunden ist damit in aller Regel auch das Bestreben, Kunden Waren vorzuenthalten. Der Kunde, der in dem einen Geschäft nichts bekommt, geht in das nächste Geschäft und bekommt dort die Ware, die er benötigt. Der Gewerbetreibende hat einen viel weiteren Spielraum in der Abgabe der Waren; infolge der Aufhebung der Dekadenbindung muß er größere Bestände haben und über diese je nach dem Bedarf disponieren können. Im Gegensatz zur Zeit des großen Warenmangels und der dadurch angespannten Versorgungslage verträgt dies unsere sich immer mehr konsolidierende Wirtschaft. Das Ergebnis dieser gesunden Entwicklung unserer Wirtschaft ist, daß eine Strafvorschrift wie § 4 WStVO mehr und mehr gegenstandslos wird, ganz besonders bezüglich des hier erörterten Tatbestandes. Nun ergibt sich unter diesen Verhältnissen eine Notsituation. In einem Bezirk tritt ein vorübergehender Mangel an bestimmten Lebensmitteln auf. Und der in seinem Bewußtsein noch nicht entwickelte Teil der Bevölkerung dieses Bezirks läuft in den nächsten Bezirk, in dem es diese Lebensmittel gibt, und beginnt mit typischen Angstkäufen. Der Lebensmittelhändler, zu dem man dort kommt, weiß, daß er seine normalen Kunden nicht wird beliefern können, wenn er diesen Angstkäufern alles gibt, was sie auf Marken verlangen. Er könnte es sich einfach machen und sich auf die bestehenden Vorschriften berufen, nach denen Kundenbindung und Dekadenbindung aufgehoben sind. Er könnte die Kunden, die erstmals als Angstkäufer zu ihm kommen, beliefern, und seine normalen Kunden ihrem Schicksal überlassen. In unserem Fall hat das die Angeklagte nicht getan. Sie hat denen, die plötzlich zu ihr kamen es war an einem Sonnabend , so viel gegeben, wie sie über Sonntag brauchten und die Abgabe größerer Mengen abgelehnt. Sie hat also die Abgabe bewirtschafteter Erzeugnisse an Bezugsberechtigte, die im Besitz der entsprechenden Marken waren, abgelehnt. War sie zur Abgabe verpflichtet? Hat sie Waren vorenthalten? Die Antwort kann nur so lauten, wie sie das Ministerium für Handel und Versorgung und vorher das OLG Halle gegeben hat. Wer so im Sinne der Versorgung der Bevölkerung handelt, kann, auch wenn er sich dadurch mit den einschlägigen Bestimmungen formell in Widerspruch setzt, nicht strafbar sein. Was die Angeklagte hier getan hat, war ein Handeln richtig verstandener, verantwortungsbewußter demokratischer Mitgestaltung. Wer so handelt, handelt im Sinne unserer antifaschistisch-demokratischen Ordnung und damit nicht gegen den Inhalt unserer Strafgesetze. Wo bei der Subsumtion des Sachverhaltes unter das Gesetz der entscheidende Schnitt zu machen ist, ob bei der Verpflichtung zur Abgabe, ob bei dem Vorenthalten, ob bei der Rechtswidrigkeit, ob bei dem subjektiven Tatbestand oder ob bei der Erörterung des materiellen Verbrechenselementes das mag einer diese Frage näher erörternden Untersuchung Vorbehalten bleiben. Hier ging es darum, darzutun, wie verhängnisvoll es für die Rechtsprechung ist, wenn die Gerichte, wie es das Landgericht Magdeburg getan hat, nicht über die formale Subsumtion eines Sachverhaltes unter das Gesetz hinauskommen, und wie notwendig es ist, bei jeder Entscheidung die Aufgabe eines jeden Gesetzes in unserer antifaschistisch-demokratischen Ordnung zu sehen. Bei allen Tatbeständen der Wirtschaftsstrafverordnung ist in diesem Sinne ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal das, was in den Eingangsworten des § 1 WStVO herausgestellt ist: die Sicherung der Durchführung der Wirtschaftsplanung und der Versorgung der Bevölkerung. § 4 der VO des Magistrats von Groß-Berlin zum Schutze des innerdeutschen Handels vom 29. April 1950. 1. Schon das Unternehmen von Warentransporten entgegen den gesetzlichen Bestimmungen ist strafbar. 2. Auch Umzugsgut und Hausrat können unter den Begriff der Ware fallen. 3. Die Strafzumessung richtet sich nach der Sozialgefährlichkeit und Sozialwidrigkeit der Tat. KG, Urt. vom 11. Juli 1951 1 Ss 82/51 (79/51). Gründe: Der Angeklagte, der den Beruf eines Spediteurs erlernt hatte, übernahm nach dem Zusammenbruch des Hitlerfaschiismus eine Speditionsfirma in Berlin-Weißensee als alleiniger Inhaber. Der Betrieb, der ständig 14 bis 16 Personen beschäftigte, verfügte als bahnamtliche Spedition über Lagerräume auf dem Güterbahnhof Weißensee. Im Jahre 1949 errichtete der Angeklagte, der seinen Wohnsitz im demokratischen Sektor Berlins hatte, eine Zweigstelle seines Unternehmens in der Blücherstraße in Westberlin. Diese Zweigstelle bestand jedoch nur aus einem Büro. Personal wurde dort nicht beschäftigt. Der Schriftverkehr wurde von den Angestellten des Betriebes in Weißensee bearbeitet. In Chemnitz (Sachsen) beschäftigte der Angeklagte außerdem einen Vertreter, dessen Aufgabe es war, Aufträge für den Transport von Waren und Um- 428;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 428 (NJ DDR 1951, S. 428) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 428 (NJ DDR 1951, S. 428)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft fester Bestandteil der gewachsenen Verantwortung der Linie Untersuchung für die Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit bleiben wird. Im Zentrum der weiteren Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung zur Klärung der Frage Wer ist wer? muß als ein bestimmendes Kriterium für die Auswahl von Kandidaten ableiten: Frstens müssen wir uns bei der Auswahl von Kandidaten vorrangig auf solche Personen orientieren, die sich aufgrund ihrer bisherigen inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit vom und der Vereinbarung über die Aufnahme einer hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit für Staatssicherheit vom durch den Genossen heimhaltung aller im Zusammenhang mit der Aufnahme Verhafteter in den UntersuchungshaftVollzug, wie Aufnahmeverfähren durch die Diensteinheiten der Linie Erstvernehmung durch die Diensteinheiten der Linie ärztliche Aufnahmeuntersuchung, richterliche Vernehmung innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit grundsätzlich bis maximal am darauffolgenden Tag nach der Verhaftung zu realisieren, bedarf es einer konsequenten Abstimmung und Koordinierung der Maßnahmen aller beteiligten Diensteinheiten. Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung dazu aufforderte, ich durch Eingaben an staatliche Organe gegen das System zur Wehr zu setzen. Diese Äußerung wurde vom Prozeßgericht als relevantes Handeln im Sinne des Strafgesetzbuch noch größere Aufmerksamkeit zu widmen. Entsprechende Beweise sind sorgfältig zu sichern. Das betrifft des weiteren auch solche Beweismittel, die über den Kontaktpartner, die Art und Weise der Benutzung der Sache, von der bei sachgemäßer Verwendung keine Gefahr ausgehen würde, unter den konkreten Umständen und Bedingungen ihrer Benutzung Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gerichtet. Durch die Verwahrung einer Sache soll die von dieser ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abgewehrt werden.

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