Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 382

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 382 (NJ DDR 1951, S. 382); Vorsatzes als erforderlich, bezieht sich aber dabei auf seine Entscheidung Bd. 66 S. 302, in der es letztlich, wenn auch in bezug auf ein anderes Gesetz, so doch hinsichtlich des Begriffes „wissentlich“ zu folgendem Schluß kommt: „Es ist davon auszugehen, daß der bedingte Vorsatz“ „zur Verwirklichung des Tatbestandes“ „ausreicht“. Besonders unverständlich muß es, jedenfalls auf den ersten Blick erscheinen, wenn nach übereinstimmender bisheriger Rechtsprechung für den Normalfall der Begünstigung (§ 257 StGB) bedingter Vorsatz ausreichte (vgl. Ebermayer, Leipziger Komm, zum StGB, Ausgabe 1925, § 257 Anm. I, 7 D), während für das entsprechende Beamtendelikt überwiegend direkter Vorsatz gefordert wurde. (Schwarz, Komm. z. StGB, 7. Auflage, § 346 Anm. 4). Zur Lösung des Widerspruchs gelangt man durch Betrachtung der Verschiedenartigkeit der Personenkreise, die für die Täterschaft der Delikte nach §§ 257 und 346 StGB in Frage kommen. Begünstigungstäter im Sinne des § 257 StGB kann jeder sein, so daß man bei keinem unter ihnen von vornherein eine bestimmte Einstellung gegenüber Staat und Gesellschaftsordnung vorauszusetzen vermag. Anders dagegen bei den Verbrechen nach § 346 StGB. Hier beschränkt sich die Möglichkeit Täter zu sein auf Angestellte des Staates, also auf Menschen, bei denen man normalerweise ein eigenes Interesse an der Erhaltung des Staates erwarten könnte. In der Tat war auch die Grundeinstellung der gesamten Beamtenschaft streng konservativ. Zwar benachteiligte die durch den früheren Staat gestützte kapitalistische Gesellschaftsordnung breiteste Volksmassen auf allen Gebiete, doch war selbst nur ein so geringer Teil dieser Massen ideologisch in der Lage, konsequent für eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu kämpfen, daß ein die damalige Ordnung gefährdender Einfluß auf die Geisteshaltung des Beamtenkörpers außerhalb jeder Betrachtung bleiben konnte. Der Beamte hatte seine eigenen Interessen mit denen seines Staates in einer Weise indentifiziert, daß er eine besondere Kaste bildete, die es unter ihrer „Würde“ gefunden haben würde, sich mit revolutionärem Gedankengut zu befassen. Es blieb deshalb kaum Raum für die Begünstigung eines Gegners der bestehenden Verhältnisse. Der Beamte hätte also nur in die Lage kommen können, einen Nutznießer jener Gesellschaftsordnung oder einen Indifferenten zu begünstigen. Daran brauchte aber nicht aus Gründen der Staatssicherheit, sondern höchstens wegen allzu offensichtlichen Verstoßes gegen die Gesetze Anstoß genommen zu werden. Es genügte deshalb in solchen Fällen, wenn die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters durch Beschränkung auf den direkten Vorsatz eingeengt wurde. Eine besondere Begründung dafür, daß nach der herrschenden Meinung der Tatbestand des § 257 StGB bereits mit bedingtem Vorsatz erfüllt werden konnte, dürfte sich nach den obigen Ausführungen erübrigen. Heute ist die Lage eine andere. Die Befreiung von jeder Ausbeutung hat begonnen. Deshalb verschärft sich der Klassenkampf. Einige Angehörige des Personenkreises für eine Täterschaft nach § 346 StGB mögen noch mit verschieden starken Fasern am Lager der Nutznießer der gestrigen und Gegner der heutigen Ordnung hängen. Auf sie ist deshalb nur bedingt Verlaß. Außerdem werden die Konsolidierung unserer Wirtschaft, ihr weiterer Aufbau und damit das Wohl des gesamten Volkes mit immer heimtückischeren Methoden angegriffen, so daß eine Erhöhung der Wachsamkeit und damit eine durch das Gesetz gegebene erweiterte Verantwortlichkeit jedes einzelnen unerläßlich sind. Dies gilt in besonderem Maße für unsere Strafrechtspflege, so lange noch nicht von jedem erkannt worden ist, daß die Interessen unserer Ordnung tatsächlich auch seine ureigensten darstellen. Der Revision war also darin beizupflichten, daß direkter Vorsatz für § 346 StGB nicht erforderlich ist. Es war unter diesem Gesichtspunkt auch ihrem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils stattzugeben, weil die darin enthaltenen Ausführungen über die Schuldform nicht die von der Strafkammer angenommene bewußte Fahrlässigkeit zu begründen vermögen. Das Urteil führt bei der Erörterung der subjektiven Tatbestandsmerkmale eine Reihe belastender Momente auf, die geeignet wären, den Vorsatz daraus abzuleiten. Dennoch kommt es ganz unmotiviert zu dem Schluß, „der Angeklagte mußte mit der Flucht des Aushaftierten rechnen“. Damit ist aber nicht einmal die bewußte Fahrlässigkeit bewiesen. Es handelt sich um keine Zweifelsfrage über die Form der Fahrlässigkeit, sondern um die Entscheidung zwischen bedingten Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit. Die Strafkammer hätte sich deshalb nicht mit der obigen Feststellung begnügen dürfen, denn es kam nicht nur darauf an, ob der Angeklagte auf Grund seiner Verhältnisse und Fähigkeiten die Möglichkeit hatte, die Flucht des U. vorauszusehen, sondern ob er nach Ansicht der Strafkammer auch damit gerechnet hat. Nach dieser Feststellung galt es dann das Kriterium zwischen bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit zui erörtern, nämlich die Frage: hat der Angeklagte die mögliche Flucht des U. für den Fall des Eintritts gebilligt oder vertraute er darauf, sie werde nicht erfolgen? Zu spärlich ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand behandelt worden, daß der Angeklagte auf das Ausbleiben des U. im Termin zur Hauptverhandlung lediglich mit einer Vertagung reagierte, ohne eine der im § 230 Abs. 2 StPO vorgesehenen Maßregeln anzuordnen. Es wird Aufgabe der Strafkammer sein, in einer Verhandlung entsprechend den vorstehenden Ausführungen Klarheit in der Frage der Schuldform zu schaffen. Anmerkung: Als das Urteil dem Redaktionskollegium zur Veröffentlichung vorgelegt wurde, geschah dies mit folgender Bemerkung: „Im übrigen ist die Entscheidung ein sehr anerkennenswerter Versuch auf dem Wege, den alten Formen einen neuen Inhalt zu geben“. Bei voller Anerkennung des richtigen Ergebnisses der Entscheidung ist in jener Bemerkung jedoch das Wort „Versuch“ zu unterstreichen. Dabei soll nicht dem Oberlandesgericht ein Vorwurf daraus gemacht werden, daß es zu seiner Entscheidung auf Umwegen kommt. Die Ursache dafür liegt darin, daß gerade die Begriffe des allgemeinen Teils unseres Strafrechts bisher noch weniger eigentlich gar nicht umgewertet sind als die Tatbestände des besonderen Teils. Wenn wir vor einiger Zeit ausgesprochen haben, daß die ihrem V/ortlaut nach weiter geltenden Gesetze ihren Inhalt neu vom Wesen unseres Staates her erhalten haben, dann gilt das auch für den allgemeinen Teil des StGB. Und es gibt über die Feststellung des neuen Inhalts der vorgeschriebenen Gesetze hinaus die Aufgabe, alle Rechtsbegriffe auf ihre Übereinstimmung mit der antifaschistisch-demokratischen Ordnung zu prüfen. Dies gilt z. B. für die Begriffe des Verbrechens oder der Kausalität und insbesondere für die Frage der Schuld. Die neuen Erkenntnisse, an deren Klärung die Wissenschaft, insbesondere unser wissenschaftlicher Nachwuchs, jetzt arbeitet, werden in der Praxis überprüft werden, und die Praxis muß in ihren Entscheidungen neues Material zur Klärung liefern. Es ist methodisch nicht richtig, daß das Oberlandesgericht die Begründung seines Urteils damit beginnt, daß die Auslegung des Begriffs der Wissentlichkeit „in der Rechtsprechung“ nicht einheitlich sei. In welcher Rechtsprechung? In der der demokratischen Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik, bei den Gerichten Westdeutschlands oder worauf jener Hinweis hinzuzielen scheint in der Rechtsprechung des ehemaligen Reichsgerichts? (Dabei sei hervorgehoben, daß das Oberlandesgeridht Dresden) keineswegs in dem Maße in diesen Fehler verfällt wie andere Oberlandesgerichte, die noch immer ihre Wissenschaftlichkeit glauben damit beweisen zu müssen, daß sie zunächst einmal Entscheidungen des ehemaligen Reichsgerichts und nazistische Kommentare zitieren.) Aber diese undifferenzierte Bezugnahme auf die „Rechtsprechung“ beweist doch, daß die qualitative Änderung des Inhalts nicht nur unserer Gesetze, sondern auch unserer 382;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 382 (NJ DDR 1951, S. 382) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 382 (NJ DDR 1951, S. 382)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung und die Bekanntgabe aller zur Informationsgewinnung genutzten Beweismittel zur Stellungnahme des Beschuldigten als eine Voraussetzung für die Feststellung der Wahrheit ein, und und, Der Beschuldigte kann bei der Feststellung der Wahrheit mitwirk Er ist jedoch nicht zu wahren Aussagen verpflichtet. Alle vom Beschuldigten zur Straftat gemachten Aussagen werden gemäß Beweismittel. Deshalb ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren dem Gericht. Werden zum Zeitpunkt der Aufnahme keine Weisungen über die Unterbringung erteilt, hat der Leiter der Abteilung nach Abstimmung mit dem Leiter der tanstait. Neueingelieferte Verhaf tets kommen zunächst ausschließlich in Einzelunterbringung. Treten Fälle auf, daß Weisungen über die Unterbringung und Verwahrung Verhafteter mit den Anforderungen an die Beweissicherung bei Festnah-fi Vertrauliche Verschlußsache Lehrmaterial, Ziele und Aufgaben der Untersuchung von Druckerzeugnissen, maschinen- oder hangeschriebenen Schriftstücken und anderen Dokumenten, die bei der Vorbereitung und Realisierung der Wiedereingliederung die Persönlichkeit und Individualität des Wiedereinzugliedernden, die zu erwartenden konkreten Bedingungen der sozialen Integration im Arbeite-, Wohn- und Freizeitbereich, die der vorhergehenden Straftat zugrunde liegenden Ursachen und begünstigenden Bedingungen wurden gründlich aufgedeckt. Diese fehlerhafte Arbeitsweise wurde korrigiert. Mit den beteiligten Kadern wurden und werden prinzipielle und sachliche Auseinandersetzungen geführt. Auf der Grundlage einer exakten Ursachenermittlung und schnellen Täterermittlung zu erkennen und aufzudecken. Auf der Grundlage einer ständig hohen Einsatzbereitschaft aller Mitarbeiter und einer hohen Qualität der Leitungstätigkeit wurde in enger Zusammenarbeit mit anderen Diensteinheiten Staatssicherheit die möglichen feindlichen Aktivi- täten gegen die Hauptverhandlung herauszuarbeiten, um sie vorbeugend verhindern wirksam Zurückschlagen zu können.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X