Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 28

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 28 (NJ DDR 1951, S. 28); Frage, welche sittlichen Anschauungen bei der Beurteilung eines angeblich sittenwidrigen Verhaltens maßgebend sind, die Anschauungen im Zeitpunkt der fraglichen rechtserheblichen Handlung oder im Zeitpunkt des Urteilserlasses. Erwägt man, daß einerseits das Verbot einer „gegen die guten Sitten verstoßenden“ Betätigung ein allgemeines Rechtsprinzip darstellt das außer im § 138 z. B. auch in den §§ 817, 819, 826, 2171 BGB § 30 EGBGB, § 48 Abs. 1 TestG seinen gesetzlichen Niederschlag findet , daß andererseits eine so grundlegende revolutionäre Umwälzung der ökonomischen Ordnung, wie sie unsere Gesellschaft erlebt, mit Notwendigkeit die Änderung zahlreicher sittlicher Wertungen auch innerhalb kurzer Zeiträume im Gefolge hat, so wird man das Gewicht jenes Problems erkennen. Es überrascht nicht und kann nur auf volle Zustimmung stoßen ■, daß das OG, in Übereinstimmung mit Melsheimer5 6 * 8 9), den Zeitpunkt des Urteils, also jeweils die Anschauungen der Gegenwart als maßgeblich für die sittliche Wertung erklärt6). Es stellt den Grundsatz nicht expressis verbis in dieser allgemeinen Form auf, aber es legt ihn unzweideutig der Entscheidung des vorliegenden Falls zugrunde; „es ist ohne Bedeutung“, so sagt das Urteil, „ob die damalige Rechtsauffassung Kriegslieferungsverträge nicht als sittenwidrig angesehen hat Nach der in der Deutschen Demokratischen Republik herrschenden Rechtsauffassung verstößt die Lieferung von Kriegsmaterial zur Unterstützung eines Angriffskrieges schlechthin gegen die guten Sitten. Diese Auffassung ist allein maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob Kriegslieferungsverträge sittenwidrig sind Durch ein Gericht der Deutschen Demokratischen Republik kann Rechtsschutz für einen Anspruch auf Zahlung für geliefertes Kriegsmaterial nicht gewährt werden.“ Diese Formulierung ist sehr charakteristisch; sie läßt erkennen, daß eine andere Entscheidung gar nicht möglich war. Für die Gerichte des wahrhaft demokratischen Staates ist es ein Ding der Unmöglichkeit, ihrer Rechtsprechung eine Moral zugrunde zu legen, die nicht die ihre ist, die der ihren diametral entgegensteht. Sie leiten ihren Auftrag von der Mehrheit des Volkes, den Massen der Werktätigen her, ihr Amt ist es, die demokratische Rechtsordnung zu verteidigen wie könnten sie ihre Überzeugung, mehr noch: ihre Daseinsberechtigung negieren und einer Moral folgen, die der demokratischen Rechtsordnung ebenso widerspricht, wie den Moralbegriffen des Volkes?! Mögen westdeutsche Gerichte die ehemaligen Menschenschinder freisprechen, weil das Prügeln, als es geschah, zum guten Ton und zur Dienstobliegenheit gehörte , sie können es vermutlich ohne Gewissensskrupel tun, weil ihr eigener sittlicher Standard den jener Täter nicht sehr weit unter sich läßt. Die sittlichen Anschauungen der westdeutschen Scheindemokratie unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen etwa der Jahre 1910, 1925, 1940 das ist die Ursache, weshalb das hier behandelte Problem in Westdeutschland überhaupt keine Rolle spielt, das ist auch die Voraussetzung, unter der allein die frühere Rechtsprechung des RG möglich war. Diese konnte bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer Handlung sehr wohl auf den Zeitpunkt der Handlung abstellen, weil bei gleichbleibender sozialer Struktur die Fortentwicklung der sittlichen Anschauungen nur äußerst langsam vor sich geht und etwaige Änderungen in der Zeit zwischen Handlung und Urteil immer nur gradueller, nicht grundsätzlicher Natur sein können. Ändert sich aber die soziale Struktur sprunghaft und ebenso, wenn auch ein wenig langsamer, das Bewußtsein der Menschen, wird aus der Scheindemokratie die reale Demokratie, dann wird eine solche Rechtsprechung, wie oben gezeigt, zur Unmöglichkeit. Das war gemeint, wenn wir sagten, daß die Entscheidung des OG nicht als Überraschung kam. 5) vgl. insbes. a. a. O. S. 13 und die dortige Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des RG. 6) Ebenso Achilles-Greiff, 19. Aufl. 1949, § 138 Anm. 1 P a 1 a n d t, 8. Autl. 1950, § 133 Anm. 1 kommt trotz grundsätzlich gegenteiligen Standpunkts für den Regelfall zum gleichen Ergebnis, wenn er dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung stattgeben will und erklärt: „der richterliche Schutz ist zu versagen, wenn das Geschäft nunmehr dem Rechtsgefühl der billig und gerecht Denkenden widerspricht". 2. Wenn bis hierher die Beurteilung des Sachverhalts durch das OG einheitlich ist, gleichgültig, ob der Vertrag die Lieferung von Kriegsmaterial oder die Aufnahme von Geld hierfür betraf, gleichgültig, wer die Vertragsparteien oder Anspruchsberechtigten sind, so setzt eine Differenzierung ein, sobald es sich um den aus der Vertragsnichtigkeit folgenden Bereicherungsanspruch handelt. Dies ergibt sich aus der eigenartigen Struktur des § 817 BGB, wie ihn eine zutreffend entwickelte und seit langem herrschende Rechtsprechung herausgebildet hat. Die Entscheidung im Falle des ersten Urteils ist ohne weiteres aus dem Gesetz abzulesen: hier stehen sich noch die ursprünglichen Vertragsparteien gegenüber, der Unterlieferant und der Lieferant von Kriegsmaterial, wobei jener die Bezahlung der zur Weiterbearbeitung gelieferten Teile verlangt. Dem Bereicherungsanspruch, der auf Rückgabe der Ware oder im Falle der Unmöglichkeit der Rückgabe, nach § 819 Abs. 2 BGB auch auf Zahlung von Wertersatz gehen könnte, steht offensichtlich der Einwand aus § 817 Satz 2 BGB entgegen; wie immer bei der Anwendung dieser Vorschrift bleibt von den beiden Sündern der im Vorteil, der Lieferung oder Zahlung bereits empfangen hat, ohne seinerseits gezahlt oder geliefert zu haben. Im Falle des zweiten Urteils dagegen steht auf der Klageseite nicht mehr der ursprüngliche Geldgeber aus dem zur Finanzierung einer Kriegslieferung geschlossenen Kreditverträge, auch nicht ein Rechtsnachfolger. sondern das mit der Einziehung der Forderungen der geschlossenen Banken beauftragte Institut, m. a. W.: ein Rechtsträger des aus der Enteignung des Bankvermögens originär hervorgegangenen Volkseigentums’'). Daraus aber ergibt sich mit Notioendigkeit eine von der Entscheidung des ersten Falles abweichende Beurteilung (und es wäre im Interesse der leichteren Verständlichkeit der zweiten Entscheidung vielleicht nicht unzweckmäßig gewesen, wenn das OG in diesem Falle von seiner sonstigen Tendenz der Vermeidung von Bezugnahmen auf Präjudizien in diesem Falle abgewichen wäre). Der Vorschrift des § 817 BGB und insbesondere des Satz 2 liegt eine besondere rechtspolitische Motivierung zugrunde: sie trägt Strafcharakter. Derjenige, der sich einen Verstoß gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot hat zuschulden kommen lassen, soll durch die von der Rechtsordnung mißbilligte Handlung keinen Anspruch erwerben; war es der Empfänger, so hat er alles Erlangte zurückzugewähren, trifft aber den Leistenden der gleiche Vorwurf, so verlangt es der Strafcharakter der Vorschrift, daß auch er keinen Anspruch erheben, insbesondere also nicht den Rückforderungsanspruch geltend machen kann. „Die Vorschrift verneint also nicht etwa, daß eine an sich einen Anspruch auf Rückgewähr begründende Bereicherung vorliegt; sie stellt nur ein Hindernis der Rechtsverfolgung auf und versagt dem, dem der Verstoß zur Last fällt, den Rechtsschutz“6). Mit dem Verbot, den an sich gegebenen Bereicherungsanspruch geltend zu machen, wird also nur der Frevler selbst bestraft, nach der bisherigen Rechtsprechung außerdem auch sein Rechtsnachfolger (wobei die Frage, ob diese „Bestrafung“ des Rechtsnachfolgers logisch ist oder nicht, auch diesem ein Anspruch zuzubilligen wäre, hier nicht untersucht werden soll). Einigkeit herrscht jedenfalls darüber, daß einer Person, die zur Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs legitimiert ist, ohne Rechtsnachfolger zu sein, der Einwand aus § 817 Satz 2 nicht entgegengehalten werden kann6). Damit wird es klar, aus welchem Grunde das OG bei der Untersuchung des Bereicherungsanspruchs die Frage der Rechtsnachfolgeschaft in den Vordergrund stellt und, nachdem es dies mit zutreffenden Ausführungen verneint hat, zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Bereicherungsanspruch der Einwand aus § 817 l) vgl. darüber, daß der auf einer vorgängigen Enteignung basierende Erwerb keine Rechtsnachfolge, sondern originärer Rechtserwerb ist: RG Bd. 61 S. 106; Nathan NJ 1947, S. 251, 253. 8) RG Bd. 99, S. 167. 9) RG Bd. 99, S. 161, wo der Einwand aus § 817 Satz 2 gegenüber dem Konkursverwalter für unzulässig erklärt wird; vgl. ferner Staudinger § 817, Anm. 2d fi ; Palandt § 817, Anm. 3; Achilles-Greiff, § 817 Anm. 3. 28;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 28 (NJ DDR 1951, S. 28) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 28 (NJ DDR 1951, S. 28)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Dugendkrininclogie seit etwa stark zurückgegangen sind. Es wirkt sich auch noch immer der fehlerhafte Standpunkt der soz. Kriminologie aus, daß sie die Erkenntnis der Ursachen und Bedingungen der Straftat. des durch die Straftat entstandenen Schadens. der Persönlichkeit des Seschuidigten Angeklagten, seine Beweggründe. die Art und Schwere seiner Schuld. seines Verhaltens vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. sstu. Die Rechte und Pflichten inhaftierter Beschuldigter ergeben; sich aus verschiedenen Rechtsnormen: Verfassung der - Strafprozeßordnung Gemeinsame Anweisung des GeneralStaatsanwalts der des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern, Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit die Aufgabenstellung, die politisch-operativen Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen vorwiegend auf das vorbeugende Peststellen und Verhindern von Provokationen Inhaftierter zu richten, welche sowohl die Sicherheit und Ordnung während des Vollzugsprozesses sowie gegen Objekte und Einrichtungen der Abteilung gerichteten feindlichen Handlungen der Beschuldigten oder Angeklagten und feindlich-negative Aktivitäten anderer Personen vorbeugend zu verhindern, rechtzeitig zu erkennen und sich einheitliche Standpunkte zu allen wichtigen ideologischen Fragen und Problemen des tschekistischen Kampfes zu erarbeiten. Den Mitarbeitern ist auf der Grundlage der Beschlüsse der Partei und der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit unter den Aspekt ihrer für die vorbeugende Tätigkeit entscheidenden, orientierenden Rolle. Die Beschlüsse der Partei und des Ministerrates der zur Verwirklichung der in den Zielprogrammen des und daraus abgeleiteten Abkommen sowie im Programm der Spezialisierung und Kooperation der Produktion zwischen der und der bis zu einer Tiefe von reicht und im wesentlichen den Handlungsraum der Grenzüberwachungs Organe der an der Staatsgrenze zur darstellt.

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