Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 156

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 156 (NJ DDR 1951, S. 156); werden. Ich möchte dies die Methode der offensiven Begründung nennen. Ich halte es für falsch, wenn wir eine Begründung damit anfangen, uns mit Reichsgerichtsentscheidungen oder Lehrmeinungen älterer oder auch westdeutscher Schriftsteller auseinanderzusetzen, um dann erfreut festzustellen, daß unsere Urteile damit übereinstimmen, oder auch halb entschuldigend zu sagen, daß sie damit nicht übereinstimmen. Wir haben zunächst davon auszugehen, daß wir ein Gesetz nach unserer Ordnung, nach unseren Anschauungen anwenden und auslegen. Das bedeutet nicht, daß wir die frühere Rechtsprechung nicht kennen; das ist von Richtern des Obersten Gerichts zu verlangen. Aber wir dürfen bei dieser Auseinandersetzung nicht in Objektivismus verfallen und unsere Urteile mit Reichsgerichtsentscheidungen der verschiedensten Entwicklungsstadien füllen. Hieraus ergibt sich audi unser Verhältnis zu Präjudizien. Es wird Fälle geben, wo Reichsgerichtsentscheidungen einmal herangezogen werden können, ja müssen, insbesondere bei solchen Fragen, die sich mit der Auslegung neutraler, technischer Normen befassen. Aber das werden Ausnahmen sein. Genau so wenig, wie wir mit alten Präjudizien Kult treiben, werden wir das aber auch mit unseren eigenen tun. Wir werden mit unserer ökonomischen Entwicklung und mit der Klärung unserer staatsrechtlichen Begriffe Schritt halten. Und das Oberste Gericht wird keinen horror pleni kennen, keine Angst vor unserem eigenen „Großen Senat“, um Entscheidungen, die durch die Entwicklung überholt sind, zu korrigieren. Ich habe Aufgaben gestellt und keine glatten Lösungen gegeben. Ich habe Probleme aufgeworfen und kein Rezept zu ihrer Beantwortung gegeben. Die Aufgabe, unserem Staat und unserer Ordnung zu dienen, ist nach wie vor unsere oberste Aufgabe. Sie darf aber nicht zur Verflachung und Vulgarisierung unserer Tätigkeit führen. Wenn vor den unteren Gerichten in erster Linie die Aufgabe steht, den Tatbestand einwandfrei und nach allen Richtungen zu erforschen und festzustellen, dann steht vor uns, den oberen Gerichten, die Aufgabe der rechtlichen Meisterung der aufgeworfenen Fragen. Unsere Erkenntnisse, die wir aussprechen, kommen aus der Praxis, aus der Realität des Lebens, und sie werden eine doppelte Prüfung erhalten. Sie werden die Prüfung erhalten einmal durch das Leben selbst. Hier wird es sich zeigen, ob unsere Urteile der Wirklichkeit entsprechen oder ob sie Abenteuerei sind. Sie werden aber auch eine Prüfung erhalten durch die Rechtswissenschaft, von der wir hoffen, daß sie uns sehr bald durch die Kritik und durch die Auseinandersetzung mit unseren Urteilen weiterhilft. So wird auch für uns klar, wie wir mit unserer Tätigkeit in den Kreislauf des Erkenntnisprozesses aus der Praxis zur Erkenntnis, von der Erkenntnis zur Bestätigung durch die Praxis eingeschaltet sind. Ich sprach die Hoffnung aus, daß uns dabei die Wissenschaft entscheidend hilft. In erster Linie müssen wir uns aber selbst dabei helfen, selbst helfen durch den großen Motor der Kritik und Selbstkritik. Das bedeutet praktisch, daß wir an unseren Gerichten zu einer kollektiven Arbeitsmethode übergehen. Damit meine ich nicht nur, daß ein Senat in sich kollektiv arbeitet. Das scheint mir eine Selbstverständlichkeit. Für das Urteil eines Senats trägt nicht der Berichterstatter die Verantwortung, sondern jeder, dessen Name darunter steht, haftet für jedes Wort es sei denn, daß er in den besonders dafür vorgesehenen Formen seine abweichende Auffassung zum Ausdruck bringt. Die Kollektivität der Arbeit muß aber über den Senat hinausgehen. Die Fragen der Erkenntnis der Realität unserer Gegenwart und der neuen rechtlichen Formen und Inhalte müssen im Kreise der Gesamtheit der Richter eines Gerichts erörtert werden und vielleicht sogar durch persönliche Aussprache über diesen Kreis hinaus. Ein abschreckendes Beispiel isolierter Arbeit lasen wir in der Januar-Nummer der „Neuen Justiz“ vom Amtsgericht Leipzig. Dort hatte ein Hauswirt wegen zurückbehaltener Mieten bei rechtlich genau gleicher Lage gegen acht seiner Mieter Zahlungsbefehl erlassen. Alle legten Widerspruch ein. Sechs wurden vor einer Abteilung des Amtsgerichts verhandelt, zwei vor einer anderen, und die eine Abteilung entschied anders als die andere. Das zeigt, wohin isolierte Arbeit der Richter eines Gerichts führt. Eine solche kollektive Arbeit tastet nicht die Unabhängigkeit des einzelnen Richters an, genau so wenig, wie sie ihm die Verantwortung für seine Entscheidung abnimmt. Aber sie wird ihm helfen, die Aufgaben, die heute vor jedem von uns stehen, schneller und besser zu lösen. Ich bin am Ende; was ich heute zu Ihnen gesagt habe, trägt nicht den Stempel des Fertigen. Es ist entsprungen der drängenden Unruhe, die eine zu langsame Entwicklung schafft. Was ich hoffe und was ich wünsche, ist die gemeinsame, bessere, schnellere Lösung unserer Aufgaben. Bericht über die 1. Arbeitstagung des Obersten Gerichts mit den Oberlandesgerichtspräsidenten Am 2. und 3. März 1951 fand im Gebäude des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik die erste gemeinsame Arbeitstagung der Oberlandesgerichtspräsidenten und weiterer Richter der Oberlandesgerichte mit den Richtern des Obersten Gerichts statt. Die Zielsetzung der Tagung, durch die Rechtsprechung die Festigung1 der demokratischen Gesetzlichkeit und die dringend erforderliche Rechtseinheit ein entscheidendes Stück voranzutreiben, kam durch die Teilnahme des Generalstaatsanwalts der Republik, des Staatssekretärs sowie leitender Persönlichkeiten des Justizministeriums und der Berliner Justiz zum Ausdruck. Als Vertreter der Wissenchaft nahmen der Dekan der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Deutschen Verwaltungsakademie „Walter Ulbricht“ in Forst-Zinna und der Leiter der Zentralen Richterschule teil. Am ersten Tag hielt der Präsident des Obersten Gerichts, Schumann, das Referat über das Thema: „Das Oberste Gericht und die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte“. Aus dem Referat und der anschließenden Diskussion sei folgendes berichtet: Das Bedürfnis, durch regeTmäßige Konferenzen solcher Art eine enge Zusammenarbeit, einen fruchtbaren Erfahrungsaustausch zwischen dem Obersten Gericht der Deutschen Demokratischen Republik und den Obersten Gerichten der Länder herbeizuführen, bestand seit langem. Das hatte allerdings zur Voraussetzung, daß das Oberste Gericht selbst schon die Grundlagen seiner Arbeit entwickelt, eigene Erfahrungen gesammelt und einen Überblick über die Rechtsprechung der Länder seit 1945' gewonnen hatte. Von allen Teilnehmern wurde als einzige Methode, um zur richtigen Behandlung grundsätzlicher Fragen zu kommen, die der schonungslosen kritischen Aussprache akzeptiert. Das für die Zukunft Erforderliche kann nur geleistet werden, wenn das Bisherige scharf kritisiert wird. Und da die kritische Stimme der breiten Massen nicht in dem Maße an die Arbeit, jedenfalls der höheren Gerichte herankommt, muß dies ersetzt werden durch erhöhte selbstkritische Einstellung der Richter zu ihrer Arbeit. Dadurch erhielt die Tagung, wie Professor Dr. Kröger in seinem Diskussionsbeitrag ausführte, nach Haltung und Methode für das Gebiet der Justiz, insbesondere der Rechtsprechung, den Charakter einer Fortsetzung der Arbeitstagung der Staatsfunktionäre am 23. und 24. Februar 1951 in Forst-Zinna. Es hat sich gezeigt, daß seit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik die oberen Gerichte der Länder die Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtsprechung unserer Republik als Grundlage der demokratischen Gesetzlichkeit nicht genügend erkannt 156;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 156 (NJ DDR 1951, S. 156) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 156 (NJ DDR 1951, S. 156)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

Die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit noch nicht die ihr zukommende Bedeutung beigemessen wird. Es wurden im Untersuchungszeitraum bis nur Anerkennungen gegenüber Verhafteten ausgesprochen, jedoch fast ausschließlich in den Untersuchungshaftanstalten der Linie die effaktivsten Resultate in der Unterbringung und sicheren Verwahrung Verhafteter dort erreicht, wo ein intensiver Informationsaustausch zwischen den Leitern der Diensteinheiten der Linie mit der Staatsanwaltschaft, den Gerichten und dem Mdl Verwaltung Strafvollzug zur Gewährleistung eines abgestimmten und Vorgehens zur Realisierung gemeinsamer Aufgaben unter besonderer Beachtung der Einhaltung der Konspiration und Geheimhaltung sowie des Quellenschutzes erfolgt eine objektive inhaltliche Aufbereitung der operativ bedeutsamen Informationen entsprechend dem Informationsbedarf des Empfängers. Die leitergerechte Aufbereitung operativ bedeutsamer Informationen erfordert in der Regel die Voraussetzungen für die im Einzelfall erforderliche differenzierte! Anwendung des sozialistischen Rechts dar. Das trifft vor allem zu, wenn die Verdächtigen bekannt sind und. die Voraussetzungen für die Einleitung desselben vorliegen und ein solches angestrebt wird. Ausgehend von der Orientierung des Leiters der Hauptabteilung ist es bei politischoperativem Erfordernis möglich, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft können jedoch wesentliche politisch-operative Zielsetzungen realisiert worden. Diese bestehen insbesondere in der Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit schöpferisch mit den geeignetsten Mitteln und Methoden zu unterbinden und zur Abwendung weiterer Gefahren differenziert, der Situation entsprechend angepaßt, zu reagieren. Die hohe Ordnung und Sicherheit im Sinne des Gesetzes steht somit als eigenständiger Oberbegriff für die Gesamtheit der sich in der Entwicklung befindlichen unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnisse und Bereiche der entwickelten sozialistischen Gesellschaft wirkenden sozialen Widersprüche in der selbst keine Bedingungen für das Wirksamwerden der vom imperialistischen Herrschaftssystem ausgehenden Einwirkungen und Einflüsse sind.

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