Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 152

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 152 (NJ DDR 1951, S. 152); die größte Aufmerksamkeit entgegenbringen, mit allen Mitteln ihr Wachstum fördern und diese schwachen Keime „hegen und pflegen.“14) Darin die Keime des Neuen zu erkennen , sehe ich eine sehr große Aufgabe, die der Rechtsprechung obliegt. Mir scheint, daß diese Aufgabe uns besonders in zwei Formen entgegentritt: Einmal in der Notwendigkeit, zunächst mit den alten überkommenen und von unserem neuen Staat sanktionierten Gesetzen zu arbeiten und andererseits in der Weiterentwicklung und Anpassung der Gesetze, auch unserer neuen Gesetze, an unsere ständige ökonomische Weiterentwicklung. Dieser Aufgabe sind wir wohl in einzelnen Fällen gerecht geworden, wir haben sie aber nur in ganz geringem Umfange bewußt gelöst. Die Lehre vom Staat zeigt uns, daß der Staat, seine Ordnung, auch den Inhalt seiner Rechtsordnung bestimmt. Das bedeutet, daß ein Staat einer neuen Ordnung auch die alten Gesetze, die er übernimmt, mit seinem neuen Inhalt füllt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Ausführungen von Muszkat in seiner Schrift „Am Rande einiger aktueller Probleme des polnischen Rechtslebens“15). Dieses Problem besteht auch für uns. Wir haben es 1946/47 gefühlt und versucht, es mit der Heranziehung von Generalklauseln, mit der Berufung auf die §§ 442 und 157 BGB zu meistern. Ich möchte hierbei einen Gedanken aussprechen, der mir selber erst in der letzten Zeit klar geworden ist: Kann man bei solchen Gesetzen, die ihren Inhalt durch die Änderung der Staatsordnung erhalten haben, überhaupt von Auslegung sprechen? Man kann es m. E. nicht in dem gleichen Sinne, mit dem man innerhalb der gleichen Staatsordnung die Auslegung eines Gesetzes ändert. Wenn man davon ausgeht, daß mit der neuen staatlichen Ordnung die von dem neuen Staat sanktionierten übernommenen Gesetze einen neuen Inhalt erhalten haben, dann ist dieser Inhaltswechsel bereits mit der Änderung in der Staatsordnung eingetreten. Als Beispiel nenne ich die Kriegswirtschaftsverordnung, mit der wir jahrelang gearbeitet haben und die, obgleich im Hitler-Staat entstanden und vom Hitler-Staat für seine Zwecke gegeben, ohne daß wir uns dieser Erscheinung von Anfang an vollkommen bewußt waren anwendbar geblieben war, weil sie einen neuen Inhalt bekommen hatte. (Daß diese übernommenen sanktionierten Gesetze im Laufe der Zeit schneller oder langsamer durch neue Gesetze ersetzt werden, ist selbstverständlich und im Falle der Kriegswirtschaftsverordnung auch sehr bald geschehen.) Wenn das Gesetz durch den neuen Staat seinen neuen Inhalt bekommt, dann ist das ein anderer Prozeß, als wenn innerhalb der gleichen Staatsordnung der Wechsel bestimmter ökonomischer oder sonstiger Faktoren zu einer neuen Auslegung eines Gesetzes führt. Man soll mit dem Wort „Auslegung“ keine Wortklauberei treiben, aber mir scheint, daß man sich über die Besonderheiten dieses Prozesses, die letzten Endes bedingt sind durch das Verhältnis von Staat und Recht, klar sein muß. Diese Gedankengänge sind in dem Urteil zu § 58 des Ehegesetzes, das im Märzheft der „Neuen Justiz“ mit einer Anmerkung von Nathan erschien16) und insbesondere in dem auch bereits erwähnten Ehescheidungsurteil zu § 48 Ehegesetz17 * 20) erörtert. Dabei müssen wir weiter sehen, daß diese Ermittlung des neuen Inhalts eines Gesetzes bei uns noch in zwei besonderen Formen auftritt. Sie ist einmal oft gekleidet in die Prüfung, ob ein Gesetz, das aus der Zeit des Naziregimes stammt, trotz seines nazistischen Ursprungs angewendet werden darf. Diese Frage ist z. B. in dem Urteil, das sich mit der weiteren Anwendbarkeit des § 1595 a BGB16) befaßt, erörtert. Sie steckt aber weiter, und in besonders prägnanter Form, in der Prüfung, ob ein Gesetz etwa gegen die Grundsätze der Verfassung verstößt und demgemäß nach Artikel 144 aufgehoben 1st.' Stellt sich lüerbei heraus, daß ein solches Gesetz zu denen gehört, deren Wortlaut mit dem neuen Inhalt vereinbar ist (wie z. B. § 58 14) Lenin, Die große Initiative, Ausgewähte Werlke, Moskau 1947, Bd. II, S. 575. 15) Sonderheft des Mitteilungsblattes der Vereinigung Demokratischer Juristen Deutschlands, S. 14. 16) vgl. NJ 1951, S. 128. 17) st Fußnote 11. J8) vgl. S. 185 ff. dieses Heftes. des Ehegesetzes), dann kann es aufrecht erhalten bleiben. Diese Notwendigkeit der Überprüfung, inwieweit durch den neuen Staat ein neuer Inhalt gegeben ist, besteht aber nicht nur für die Gesetze, sondern sie besteht auch für viele Rechtsbegriffe. So wird in dem den Kollegen des Obersten Gerichts bekannten Aufsatz von Iwanoff „Zu einigen Fragen der Rechts- und Staatstheorie im Lichte der Arbeiten des Genossen Stalin über den Marxismus in der Sprachwissenschaft“ darauf hingewiesen, daß diese Arbeit Stalins lehrt, „keine Minute zu vergessen, daß nicht nur die bürgerliche Gesetzgebung, sondern auch die bürgerlichen Rechtsanschauungen gerade den Interessen des Bürgertums dienen und gegen die Werktätigen gerichtet sind“. An diese Überprüfung sind aber bisher weder wir Praktiker herangegangen, noch in irgendeinem nennenswerten Umfang die Wissenschaft auf dem Gebiete des Zivil- und Strafrechts. Dabei müssen wir uns darüber klar sein, daß uns viele von diesen Begriffen so zur Selbstverständlichkeit geworden sind, daß wir bisher gar nicht an die Notwendigkeit einer Überprüfung gedacht haben. Ich denke dabei insbesondere an eine Reihe von Begriffen des Allgemeinen Teils des Strafrechts, den Begriff der Handlung, des Irrtums, der Rechtswidrigkeit usw. Ich möchte mit diesen Worten nicht dahin mißverstanden werden, daß nunmehr jedes Gesetz, jeder Rechtsbegriff in wildem Neuerertum angezweifelt und aufgelöst wird. Es gibt einmal eine Reihe von Normen und darauf weist insbesondere Nathan in seinen Bemerkungen in der „Neuen Justiz“ zu dem Unterhaltsurteil hin16) die rein technische neutrale Rechtsnormen sind, und andererseits erwähnt Muszkat mit Recht folgendes: „Das Bürgertum hat doch, besonders in der Zeit des Kampfes mit dem Feudalismus, viele fortschrittliche Institutionen geschaffen, dabei selbstverständ'ich auch auf dem Gebiete des Rechts. Von diesen Institutionen ist die Bourgeoisie entweder schon längst abgegangen oder s!e versuchte, sie gar nicht zu verwirklichen, sobald sie zur Macht gekommen war, oder sie bewahrte die Erinnerung an sie nur in formalen Normen, denen jede rea'e Bedeutung im Hinblick auf die Interessen des Vo’kes fehlte. Das Proletariat hat diese Institutionen, wie alles, was im Laufe der Jahrhunderte irgendeinen fortschritthchen oder demokratischen Wert besessen hat, geerbt und weiter entwickelt. “20) Ein Beispiel dafür sind die Schöffengerichte, die durch die von uns neu eingeführte Art der Schöffenauswahl und Schöffenwahl schon in wesentlich größerem Umfang Volksgerichte geworden sind als früher, wo sie in erster Linie einem arbeiterfeindlichen Kleinbürgertum Vorbehalten waren. Ich gehe bei diesen Betrachtungen aus von der Aufgabe, „die Keime des Neuen zu entwickeln“. Sie gilt natürlich nicht nur bei der Ermittlung des neuen Inhalts alter Gesetze, sondern insbesondere auch bei der aktiven Unterstützung neuer gesellschaftlicher Erscheinungen durch die Weiterentwicklung der Anwendung unserer Gesetze überhaupt, das heißt also sowohl unserer neuen Gesetze wie auch der alten, deren neuen Inhalt wir ermittelt haben. Diese Aufgabe, das Neue zu entwickeln, wird nur von dem richtig gelöst werden können, der die Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung kennt und unsere Entwicklung selbst laufend beobachtet. Sonst wird er zu denen gehören, von denen Mao Tse Tung in seiner Schrift über die Praxis sagt: „Wir kämpfen auch gegen die linke Phrasendrescherei. Die Ideen ihrer Vertreter kommen der bestimmten gese’l-schaftlichen Stufe des objektiven Prozesses zuvor: einige Phrasenredner nehmen Illusionen für Wahrheiten, andere bemühen sich krampfhaft, in der Gegenwart Idea'e zu verwirk'ich on, die erst in der Zukunft zu verwirklichen sind: ihre Ideen führen, da sie von der gegenwärtigen Praxis der Mehrheit der Menschen und von der gegenwärtigen Wirklichkeit losgelöst sind, in den Handlungen zur Abenteuerei."2i) Das kann auch einem Juristen passieren. Ich möchte versuchen, einige Beispiele aus der Rechtsprechung zu diesem Fragenkomplex zusammenzustellen. 16) NJ 1951, S. 119. 20) Muszkat a. a. O., S. 15. 2!) Mao Tse Tung, über die Praxis in der wissenschaftlichen Beilage des „Forum“, 1951, Nr. 3. J52;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 152 (NJ DDR 1951, S. 152) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 152 (NJ DDR 1951, S. 152)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

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