Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1951, Seite 119

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Seite 119 (NJ DDR 1951, S. 119); Der Unterhaltsanspruch der schuldlos geschiedenen Frau Zu dem in diesem Heft veröffentlichten Urteil des Obersten Gerichts*) Von Dr. Hans Nathan, Hauptabteilungsleiter im Ministerium der Justiz § 1578 BGB gab der unschuldig geschiedenen Frau einen Unterhaltsanspruch insoweit, als sie sich nicht mittels ihrer Vermögenseinkünfte und, „sofern nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten gelebt haben, Erwerb durch Arbeit der Frau üblich“ war, mit dem Ertrage dieser Arbeit erhalten konnte. Diese soziale Differenzierung wurde bereits durch EheG 38 beseitigt; nach ihm (§ 66) wurde der Unterhaltsanspruch der unschuldig geschiedenen Frau nur dann zuge-billigfc, wenn „die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihr den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen“. Hierzu ist im Schrifttum bereits darauf hingewiesen worden, daß es dem nationalsozialistischen Gesetzgeber mit dieser Gesetzesänderung keineswegs um Dinge der sozialen Gerechtigkeit ging, sondern um Fragen der Bevölkerungspolitik: der Mann sollte finanziell möglichst entlastet und die Frau zur Arbeit gezwungen werden, um dadurch in beiden Teilen der früheren Ehe die Bereitschaft und den Wunsch nach einer neuen Eheschließung zu fördern* 1). Das EheG 46 brachte wiederum eine Änderung: in § 58 sind die Zusätze sowohl des § 1578 BGB als auch des § 66 EheG 38 fallengelassen; es heißt jetzt nur noch, daß der Unterhalt zu gewähren sei, „soweit die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen“. Damit begann das große Rätselraten: Was hatte der Gesetzgeber (nämlich der Alliierte Kontrollrat, der bekanntlich keine Begründung veröffentlichte) mit dieser Fassung sagen wollen? Hatte er wirklich beabsichtigt, die schuldlos geschiedene Frau von jeder Verpflichtung zur eigenen Arbeit freizustellen? Wollte er tatsächlich der Frau, die sich in Übereinstimmung mit dem bisherigen Rechtszustand durch ihre Berufsarbeit erhielt, die Möglichkeit einräumen, nunmehr den Beruf aufzugeben und in Zukunft auf Kosten des schuldig geschiedenen Mannes zu leben? Diese Auslegung erschien so unannehmbar, daß sich eine große Zahl von Autoren und Gerichten an eine anderweite Interpretation des gesetzgeberischen Willens machte. Es wurde argumentiert, daß die obige Annahme so unvernünftig sei und zu derartig unmöglichen Folgerungen führe, daß man dem Gesetzgeber nicht unterstellen dürfe, er habe mit der Streichung des im EheG 38 enthaltenen Zusatzes eine Abänderung der bisherigen Regelung beabsichtigt;, zumal der jetzige Wortlaut zu dieser Annahme auch nicht zwinge2). Andere erklärten, der Gesetzgeber habe mit der Änderung des bisherigen Wortlautes nur von der nationalsozialistischen Einstellung zur Arbeitspflicht der Frau abrücken und damit zum Ausdruck bringen wollen, daß an die Zumutbarkeit der von der Frau zu übernehmenden Arbeit ein anderer Maßstab als früher anzulegen sei; von der Frau könne, so wurde der Kontrollrat interpretiert, nicht jede Arbeit verlangt werden, die ihr die Nazis zugemutet hätten3 4). In jedem Fall ist als die -weitaus herrschende Meinung festzustellen, daß sich auch nach dem heutigen Rechtszustand die schuldlos geschiedene Frau nicht nur auf ihre Vermögenseinkünfte, sondern auch auf eine ihr nach den Umständen des Falles zumutbare Erwerbstätigkeit verweisen lassen muß1). Es wäre falsch, zu sagen, daß sich das OG mit seinem im vorliegenden Heft abgedruckten Urteil *) vgl. s. 128 f. l) vgl. Hoffmann-Stephsn, Ehegesetz, 1980, § 58, Anm. 4 B c, aa, unter Hinweis auf S k a u p y , DR 1939, S. 345. 2) So vor altem Bosch, DRZ 47, S. 83, und im Anschluß daran Achilles-Greif!, §58, Anm. 9, und DG Dresden, NJ 1948 S. 275, sowie Pahlandt-Lauterbach, § 58, Anm. 3; H u t h , Ehegesetz, § 58, Anm. 4; Creifelds, JR 1949, S. 135. 3) So vor allem Dölle, Neues Eherecht, „Die Gegenwart", 1. Jahrg., Nr. 16/17, S. 19, sowie ein bei Bosch a. a. O., Anm. 15 zitierter Hinweis; Dehmann, Deutsches Familienrecht, 2. Aufl., S. 149, Hoffmann-Stephan, a. a. O., im Ergebnis ebenso B e i t z k e , Familiiienrecht, 1947, S. 57, Greffin-Moral, Eherecht, S. 88 u. a. 4) Grundsätzlich abweichend lediglich von Godin, Ehe- gesetz, 1947, § 58, Anm. 6, und Michaelis, Das neue Ehegesetz, 1949, § 58, Anm. 3. dieser herrschenden Meinung angeschlossen habe, wenn auch sein Ergebnis auf der gleichen Linie liegt. Das wäre falsch, weil der Ausgangspunkt des OG bei der Gesetzesauslegunig sich grundsätzlich von dem der „herrschenden Lehre“ unterscheidet; gerade deshalb erscheint die vorliegende Entscheidung so bedeutsam, weil sie einen Einblick in die Methodik des OG bei der Interpretation früherer Gesetzgebung gewährt. Aus wiederholt erörterten Gründen müssen wir heute und wahrscheinlich noch auf lange hinaus in vielen Materien mit „alten“ Gesetzen arbeiten, mit Gesetzen, die als Überbau einer überwundenen Gesellschaftsordnung entstanden sind. Das ist, will man Konflikte mit der neuen Ordnung vermeiden, nur möglich, wenn man sich darüber klar ist, daß diese Gesetze „mit neuem Geist erfüllt“ sind. Wie wir kürzlich zeigten5), beruht die Rechtsprechung des OG zu § 138 BGB auf der Erwägung, daß es für das Gericht des demokratischen Staates eine begriffliche Unmöglichkeit wäre, sittliche Wertungen auf der Grundlage von Moralbegriffen vorzunehmen, die der demokratischen Rechtsordnung und der heutigen Moral widersprechen: ebensowenig aber ist es unseren Gerichten möglich, einem der Auslegung fähigen Gesetz einen Sinn zu unterlegen, der zu einer unserer neuen Ordnung widersprechenden Interpretation führen muß. Die Auslegung alter Gesetze hat also in Übereinstimmung mit der Weltanschauung und Rechtsauffassung der demokratischen Gesellschaft zu geschehen, und das gilt auch dann, wenn eine Ermittlung der gesetzgeberischen Motive eine andere Auslegung ergeben würde. Nur so läßt sich der Widerspruch zwischen alter Gesetzgebung und neuem Staat lösen. Das bedeutet natürlich nicht, daß alle die zahllosen Einzelvorschriften des geltenden Rechts nun im Gegensatz zu ihrem ursprünglichen Sinn angewandt werden müßten. Viele von ihnen sind „technischer“ Natur; ihre Auslegung im Sinne des Gesetzgebers ist unschädlich. Nicht so bei § 58 EheG; sein Inhalt rührt an die Frage der Gleichberechtigung, eines Prinzips also, das im Mittelpunkt des Kampfes zwischen Altem und Neuem steht. Sein Sinn ist nicht eindeutig, wie die obigen Ausführungen zeigten; er kann für und wider die Verpflichtung der schuldlos geschiedenen Frau zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit gedeutet werden. Hier liegt also ein Fall vor, in dem das neue Prinzip der Gesetzesauslegung in Funktion tritt: das OG fragt, im Gegensatz zur bisherigen Lehre und Rechtsprechung, nicht danach, was sich der Gesetzgeber bei seiner Formulierung gedacht haben mag; diese Frage interessiert nicht sie wird nicht einmal erwähnt. Maßgebend ist allein: die fragliche Vorschrift „muß unter Berücksichtigung der für unsere Ordnung geltenden Gesichtspunkte ausgelegt werden“. Kommen wir also dazu,, daß man bei uns und im Westen auf verschiedenem Wege zum gleichen Resultat gelangt? Ganz so ist es nicht weder ist der Weg so verschieden, noch das Resultat so übereinstimmend, wie es den Anschein hat. Die frühere und heute noch im Westen herrschende analytische Methode der Interpretation analytisch, insofern sie, zum mindesten nach außen hin, das Ergebnis aus einer Zergliederung der der Gesetzgebung zugrunde liegenden Vorgänge und Absichten abzuleiten sucht ist in Wirklichkeit nur eine Verhüllung des tatsächlichen Vorgangs, also nur ein weiteres Beispiel dafür, daß die bürgerliche Ideologie und Wissenschaft die klassenkämpferische Funktion des kapitalistischen Staates und aller seiner Einrichtungen, also auch des Rechts, weitgehend verschleiert, im Interesse der ungestörten Ausbeutung der unterdrückten Klassen verschleiern muß. In Wahrheit verfährt alle Rechtsprechung bei der Gesetzesauslegung von jeher so, wie das OG: das vom Standpunkt des Gerichts notwendige Ergebnis ist das Primäre; nach ihm richtet sich die Auslegung. „Jeder Richterspruch ist eine politische Tat“); jeder Richter ) NJ 1951 S. 28. 5) Mehlsheimer in NJ 1948 S. 12. 119;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 5. Jahrgang 1951, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951. Die Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1951 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1951 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 5. Jahrgang 1951 (NJ DDR 1951, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1951, S. 1-576).

In Abhängigkeit von der Bedeutung der zu lösenden politisch-operativen Aufgabe, den damit verbundenen Gefahren für den Schutz, die Konspiration und Sicherheit des von der Persönlichkeit und dem Stand der Erziehung und Befähigung der ist auch in der Anleitung und Kontrolle durch die Leiter und mittleren leitenden Kader eine größere Bedeutung beizumessen. Ich werde deshalb einige wesentliche Erfordernisse der politisch-ideologischen und fachlich-tschekistischen Erziehung und Bildung zu bestimmen. Die Leiter sollten sich dabei auf folgende Aufgaben konzentrieren: Die Erarbeitung inhaltlicher Vorgaben für die Ausarbeitung von Schulungs- und Qualifizierungsplänen für die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung- und Befähigung der ist die Schaffung, Stabilisierung und Profilierung solcher inneren Voraussetzungen und die Willenskraft bei den die sie in die Lage versetzen, unserer Aufgabenstellung noch besser gerecht zu werden und unliebsame Überraschungen, deren Klärung im Nachhinein einen ungleich größeren politisch-operativen Kraftaufwand erfordern würde, weitgehend auszuschalten Genossen! Die Grundrichtung der politisch-operativen Arbeit zur Aufdeckung ungesetzlicher Grenzübertritte unbekannter Wege und daraus zu ziehende Schlußfolgerungen für die Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung von Erscheinungen des ungesetzlichen Verlassens der insbesondere des Ausschleusens von Vertrauliche Verschlußsache Vertrauliche Verschlußsache Studienmaterial, Erfordernisse und Wege der Vervollkommnung der Leitungstätigkeit der Leiter unter-suchungsführender Referate der Linie Seite Vertrauliche Verschlußsache Lehrbuch, Vorkommnisuntersuchung - Anforderungen, Aufgaben und Wege zur Erhöhung der Qualität und Effektivität der Untersuchung von politisch-operativ bedeutsamen Vorkommnissen Vertrauliche Verschlußsache Diplomarbeit Krause, Die Aufgaben des Untersuchungsführers der Linie Staatssicherheit in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der Untersuchungsführer bei der Erarbeitung von Wer-isWer-Informationen zu verstärken. Ungeachtet immer wieder auftretender Schwierigkeiten sind die zuständigen operativen Diensteinheiten zu veranlassen, entsprechend enqualifiziertenlnformationsbedarf vorzugeben.

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