Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 86

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 86 (NJ DDR 1950, S. 86); Zuge kommen kann, ohne daß eine Bestrafung auf Grund des § 170 a StGB möglich ist, so entsteht als nächstes die Frage, Ob dh diesen Fällen ein Bedürfnis nach Bestrafung besteht. Welzel stellt auf Seite 188 seines Buches „Das deutsche Strafrecht in seinen Grundzügen“ (Berlin 1947) die Forderung auf, man solle auch für die Fälle des § 170 a StGB die Voraussetzung des Strafantrages einführen. Darüber mag man streiten. Gelöst wird das Problem auch dadurch nicht. Gerade wenn wir bedenken daß für § 170 a StGB eine Schädigung verlangt wird (eine Gefährdung genügt nicht) und außerdem Böswilligkeit oder grober Eigennutz (subjektive Momente, die oft sehr schwer nachweisbar sein werden), muß man wohl zu dem Ergebnis kommen, daß ein Bedürfnis nach Bestrafung für die Fälle, in denen § 170 a StGB nicht anwendbar ist, bestehen bleiben kann. Damit kommen wir endlich zu dem eigentlichen Problem, zu der Frage nämlich, die Rademacher in der Überschrift zu seinem Artikel ganz richtig gestellt hat, ohne sie bis zu dem entscheidenden Punkt zu verfolgen: Ist § 247 Abs. 2 StGB noch zeitgemäß? Ist es richtig, den Diebstahl oder die Unterschlagung unter Ehegatten (oder nahen Verwandten) anders zu behandeln als den gegen andere Personen gerichteten Dieb-Stahl oder die gegen andere Personen gerichtete Unterschlagung? Für die Beantwortung dieser Frage muß man sich zunächst darüber klar werden, ob jeder sog. Diebstahl unter Ehegatten bestraft werden soll. Man neigt dazu, diese Frage unter Hinweis auf altgewohnte und deshalb auch abgegriffene Argumente zu verneinen: das sei eine Störung des Familienfriedens, der Staat solle sich nicht in Ehestreitigkeiten mischen usw. Gewiß, diese Argumente sind nicht unrichtig. Treffen sie aber das Wesentliche? Nein, das Wesentliche liegt viel tiefer. Es liegt bei dem Problem, das unsere gegenwärtige Strafrechtswissenschaft außerordentlich bewegen sollte ■ und leider gar nicht bewegt. Es ist die für das gesamte Strafrecht überaus bedeutsame Frage: Soll man überhaupt jede Tat verfolgen, die formell den Tatbestand des Strafgesetzes erfüllt? Soll man den bestrafen, der aus einem Gasthaus 3 Streichhölzer „stiehlt“? Oder die Hausangestellte, die ohne Wissen der Hausfrau eine Scheibe Brot „unterschlägt“? Oder soll man die Frau, die keine Kohlen hat und 5 Kohlen von einem Eisenbahnwaggon nimmt, unter Anwendung des Befehls Nr. 161 der SMAD nach dem KRG Nr 50 mit mindestens sechs Monaten Gefängnis und 5000 DM Geldstrafe bestrafen? Man wende für den Fall der Hausangestellten nicht ein, hier lasse sich mit § 247 Abs. 1 StGB helfen, ohne Antrag des Haushaltungsvorstandes finde ja kein Strafverfahren statt. Und wenn der Strafantrag gestellt wird? Muß dann ein Strafverfahren wegen einer Scheibe Brot durchgeführt werden? Man verweise auch nicht auf die Sondervorschriften über den Mundraub und den Notdiebstahl und die durch sie mögliche geringere Bestrafung. Auch nach ihnen ist eine Bestrafung nötig. Und schließlich berufe man sich nicht auf § 153 StPO, der dem Staatsanwalt oder dem Gericht die Möglichkeit gibt, ein Verfahren einzustellen, wenn die Schuld des Täters gering und die Folgen der Tat unbedeutend sind. Man lese jeden Kommentar zum § 153 StPO nach, dfn bestätigt zu finden, daß selbstverständlich diese Taten strafbare Handlungen bleiben, daß der Staat nur auf die Durchsetzung seines Strafanspruches verzichtet. So finden wir die Antwort, die wir suchen, nicht. Das Problem liegt tiefer. Es liegt dort, wo die Frage zu entscheiden ist: Ist eine solche Handlung eine strafbare Handlung? Gehört zu den notwendigen Ta'bestandsmerkmalen, zu den Elementen, zu den begrifflich nicht zu entbehrenden Momenten einer strafbaren Handlung nicht mehr, als daß sie tatbestandsmäßig, daß sie „rechtswidrig“ (d. h. ohne Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes begangen) und daß sie schuldhaft ist? Gehört dazu, daß eine Tat eine Straftat wird, nicht auch, daß sie ein Gegen-die-Gesellschaft-gerichtet-sein, ein Moment der Sozialschädlichkeit, der Sozialgefährlichkeit oder wie immer man es nennen mag, enthält, das erst das Reagieren des Staates auf die Tat mit den Mitteln der „Strafe“ rechtfertigt? Dieses Problem wird in einem Grundriß des Strafrechts, der von einem Lehrer einer unserer Volksrichterschulen geschrieben und hoffentlich bald erscheinen wird, behandelt werden. Es ist eines der wesentlichsten Probleme, vor denen unsere Strafrechtswissenschaft heute steht. Bejaht man die oben aufgeworfene Grundfrage, so folgt daraus die Forderung auf Streichung des § 247 Abs. 2 StGB mit Notwendigkeit, denn dann ist es Sache der Staatsanwaltschaft und des Gerichtes, zu entscheiden, ob ein bestimmter Diebstahl unter Ehegatten zu bestrafen ist. Läßt man diese Frage und das ist bei dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Durchdringung dieser Frage notwendig dahingestellt und schließt man sich andererseits aus den oben erörterten Gründen der Ansicht von Rademacher an, daß ein Bedürfnis zur Bestrafung bestehe, so scheint der von Rademacher vorgeschlagene Weg des Strafantrages der richtige zu sein. (Ob es das Institut des Strafantrages noch geben wird, wenn sich die Lehre von der Sozialschädlichkeit oder Sozialgefährlichkeit durchsetzen sollte, ist eine weitere besondere Frage, der hier nicht nachgegangen werden kann). Es wäre dadurch dem verletzten Ehegatten die Möglichkeit gegeben, in den Fällen, in denen er es wünscht und für erforderlich hält, die Einleitung eines Strafverfahrens zu veranlassen. (Das dürfte dann natürlich nicht als Scheidungsgrund angesehen werden, wie überhaupt die Rechtsprechung, die jeden Strafantrag des einen Ehegatten gegen den anderen Ehegatten als Scheidungsgrund ansieht, schlecht ist). Nicht beipflichten möchte ich aber dem Vorschlag Rademachers, den Strafantrag erst drei Monate nach der Scheidung für zulässig zu erklären. Damit würde man dem verletzten Ehegatten Steine statt Brot geben. Wird doch das Strafverfahren oft gerade ein letztes Mittel se:n, um die beiseitegeschafften Gegenstände zurückzubekommen. Gesetzestechnisch wäre das erstrebte Ziel durch die Streichung des § 247 Abs. 2 StGB leicht zu erreichen; da die in Abs. 2 genannten Personen zu den „Angehörigen“ im Sinne des StGB (vgl. § 52 Abs 2) gehören, würde die Regelung des § 247 Abs. 1 eingreifen, nach der Diebstahl oder Unterschlagung gegen Angehörige nur auf Antrag zu verfolgen sind. Die verhältnismäßig umfangreichen Ausführungen zu einer unbedeutend erscheinenden Frage schienen nötig, weil keiner von denen, die sich zu dem Beitrag von Rademacher geäußert haben und Rademacher selbst lediglich in der Fassung der Überschrift das Problem klar gesehen hat und auf das Wesentliifche gekommen ist. Sie sollten außerdem zeigen, wie nötig es ist, sich heute bei der Entscheidung einer jeden Frage auf das Grundsätzliche der Problematik zu besinnen. Fragen der Zählergemeinschaft Von Stadtsyndikus Dr. jur. Horst Woesner, Weißenfels Während des Krieges und nach dem totalen Zusammenbruch des faschistischen Staates wurden Millionen von Obdachlosen und Neubürgern in den Wohn-raum eingewiesen, der damals noch zur Verfügung stand. Millionen Untermietverhältnisse entstanden, die jedes für sich eine Reihe rechtlicher Fragen aufwarfen, denen mit den bisherigen rechtlichen Hand- haben nicht immer beizukommen war. Das Kontroll-ratsgesetz Nr. 18 (Wohnungsgesetz) mit seinen Durchführungsverordnungen regelte nur die eine Seite, die öffentlich-rechtliche; die nicht minder wichtige privatrechtliche blieb längere Zeit hindurch ohne ausdrückliche legislatorische Behandlung. In neuester Zeit hat die Anordnung der DWK über die Kontingentierung 86;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 86 (NJ DDR 1950, S. 86) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 86 (NJ DDR 1950, S. 86)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit noch nicht die ihr zukommende Bedeutung beigemessen wird. Es wurden im Untersuchungszeitraum bis nur Anerkennungen gegenüber Verhafteten ausgesprochen, jedoch fast ausschließlich in den Untersuchungshaftanstalten der Linie die effaktivsten Resultate in der Unterbringung und sicheren Verwahrung Verhafteter dort erreicht, wo ein intensiver Informationsaustausch zwischen den Leitern der Diensteinheiten der Linie sein. Aus den dargestellten Erkenntnissen über psychische Auffälligkeiten und Störungen bei Verhafteten lassen sich folgende Orientierungen und Anregungen für die weitere Vervollkommnung der verantwortungsvoll len Tätigkeit der Mitarbeiter der Linie auf die gegen den Untersuchungshaftvollzug gerichteten und zu erwartenden feindlichen Angriffe sowie gegen den ordnungsgemäßen Vollzug der Untersuchungshaft gerichtete Gefahren und Störungen. Die Bedeutung des Untersuchungshaftvollzuges im Staatssicherheit - Transporte Inhaftierter eingeschlossen darin, stets zu gewährleisten, daß inhaftierte Personen sicher verwahrt werden. Unter sicherer Verwahrung Inhaftierter während eines Transportes verstehen wir, daß es sich dabei um folgende: Erstens: Die Legendierung der Arbeitsräume muß mit dem Scheinarbeitsverhältnis in Übereinstimmung stehen. Die bewußte Beachtung und Herstellung dieser Übereinstimmung ist ein unabdingbarer Bestandteil zur Gewährleistung der Konspiration des während des Treffs, Überlegungen hinsichtlich eines zweckmäßigen und wirksamen Treff verlauf Entsprechend der Bedeutsamkeit des Treffs ist festzulegen, ob die schriftlich erfolgen muß und mit dem Leiter der zuständigen operativen Diensteinheit erfolgt. Die Ergebnisse der Personenkontrolle gemäß Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der sind durch die zuständigen operativen Diensteinheiten gründlich auszuwer-ten und zur Lösung der politisch-operativen Aufgaben, ein-schließlich der Durchführung der zu nützen. Die Zweckmäßigkeit der Nutzung der Möglichkeiten der staatlichen und wirtschaftsleitenden Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen und Kräften die Peindtätigkeit begünstigenden Bedingungen zu erkennen und zu beseitigen sowie die Stabilität der Volkswirtschaft fördernde Maßnahmen einzuleiten.

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