Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 344

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 344 (NJ DDR 1950, S. 344); ablehnenden Haltung bestimmt haben, daraufhin einer Überprüfung unterzogen werden, ob sie auch heute noch ihre Berechtigung haben. Die herrschende Lehre beruft sich zur Rechtfertigung ihrer ablehnenden Haltung in erster Linie auf Abs. 2 des § 1715 BGB. Daraus ergebe sich, so sagt man, daß ein Kind geboren sein müsse5). Eine Leibesfrucht aber, die nach weniger als 181tägiger Schwangerschaft aus dem Mutterleibe ausgestoßen werde, komme in der Regel tot und auch dem Reifegrade nach nicht lebensfähig zur Welt. In diesem Regelfälle liege darum nicht die Geburt, auch nicht die Totgeburt eines „Kindes“ im medizinischen Sinne vor. Als Geburt eines „Kindes“ sei nur die Trennung einer solchen Frucht vom Mutterleibe zu verstehen, die vermöge des Grades ihrer Reife und ihrer Bildung geeignet sei, nach dem Austritt aus den Geburtswegen eine Zeitlang, gleichgültig wie lange, selbständig fortzuleben0). Als Grund wird geltend gemacht, daß es bei einer kürzeren als 181tägigen Schwangerschaft an dem Vater fehle, den § 1715 BGB als Verpflichteten voraussetze. Denn als Vater eines unehelichen Kindes gelte nach § 1717 BGB nur, wer innerhalb der einen absoluten Charakter tragenden Empfängniszeit vom 181. 302. Tage vor der Geburt der Mutter beigewohnt habe. Wer vor weniger als 181 Tagen vor der Geburt mit der Mutter ein Kind gezeugt habe, sei eben nur Erzeuger, nicht aber Vater im Sinne des Gesetzes, falle daher nicht unter § 1715 BGB. Im Falle einer Fehlgeburt könne darum mangels eines Kindes und eines Vaters ein Anspruch gegen den Erzeuger nicht gewährt werden. Er bestehe aber auch nicht im Falle einer Frühgeburt, d. h. der Geburt einer Frucht, die zwar lebensfähig und darum „Kind“ im medizinischen Sinne sei, die aber nach weniger als 181tägiger Schwangerschaft geboren sei, weil es hier zumindest an dem Vater fehle7). Zur Unterstützung ihrer Argumente kann sich die herrschende Lehre auch auf die Motive zum BGB berufen8). In diesen wird die Gewährung eines Ersatzanspruches bei Fehlgeburten im Gegensatz zu älteren Gesetzen, z. B. dem preußischen Allgemeinen Landrecht II,1 § 1078, ausdrücklich abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, daß es schwierig sei, in diesem Falle die Empfängniszeit und die Person des Schwängerers festzustellen, ohne die exceptio plurium concumbentium illusorisch zu machen, und daß die Fälle einer Fehlgeburt auch keine Begünstigung verdienten. Mir erscheinen die oben wiedergegebenen Argumente jedoch recht gekünstelt. Das erzielte Ergebnis entspricht nicht mehr unserer Rechtsanschauung. Schon Eck stellt in seinen Vorträgen fest, daß kein Grund bestehe, die Fehlgeburten anders zu behandeln als die Totgeburten und Leonhard schließt sich seiner Auffassung an9). Besonders scharf wendet sich Carstens10) gegen die herrschende Ansicht. Gegen ihr erstes Argument, es fehle an einem „Kinde“ im medizinischen Sinne, führt er an, daß eine Totgeburt ebenso sehr oder ebensowenig ein „Kind“ sei. Über das zweite Bedenken aber, so meint er, nämlich daß es an einem Vater fehle, müsse sich der Richter hinwegsetzen. Es sei seine Pflicht, den Gesetzestext den modernen Anschauungen anzupassen. An die Motive des Gesetzes sei-a nicht gebunden; er habe sich von ihnen vielmehr loszusagen, wenn sie veraltet seien. Verlange daher § 1715 BGB einen Vater, so solle man sich nicht an die Definition des § 1717 BGB klammern, sondern dafür „Erzeuger“ setzen. Auch der Erzeuger eines tot- 5) v. Staudinger-Engelmann a. a. O. § 1715 Anm. 3 a. 8) Heuer: „über Entbindungs- und Wochenbettkosten bei Früh-, Fehl- und Totgeburten“, in „Das Recht" 1904 S. 571. V Heuer a. a. O. 8) Bd. IV S. 911. 9) Eck-Leonhard: Vorträge über das Recht des BGB, 1. u. 2. Aufl. Bd. II S. 518. Ebenso Opet: Das Verwandtschaftsrecht des BGB für das DR, 1899, S. 405 Note 2; Palandt: Kurzkomm. z. BGB 5. Aufl. § 1715 Anm. 1. 10) „Kann die uneheliche Mutter den durch eine Fehlgeburt erlittenen Schaden gegen den Schwangerer im Rahmen des § 1715 BGB geltend machen?" in JW 1930 S. 1564 f. geborenen Kindes sei nicht Vater im Rechtsinne, wohl aber im Natursinne. Und trotzdem findet § 1715 BGB auf ihn Anwendung. Diesen Ausführungen Carstens ist auch heute noch oder vielmehr gerade heute in vollem Umfange beizupflichten. Der Anspruch aus § 1715 BGB ist der unehelichen Mutter aus Gründen der Billigkeit gewährt worden. Man befürchtete, daß bei seiner Versagung das ohnehin mehr gefährdete Leben des unehelichen Kindes in noch höherem Maße gefährdet, der Kindesmord gefördert und überhaupt die Zahl der Todesfälle der neugeborenen unehelichen Kinder vermehrt würde11). Die Schaffung des § 1715 BGB erfolgte also in erster Linie im Interesse des unehelichen Kindes. Der Gesetzgeber erkannte aber sehr wohl, daß dieses Interesse den Abs. 2 des § 1715 BGB nicht recht-fertigen könne. Es wurde darum anerkannt, daß die Gewährung des Anspruchs auch der Billigkeit im Hinblick auf die Mutter des Kindes entspreche12). Es bedarf keiner Begründung, daß dieser Gesichtspunkt im selben Maße auch auf den Fall der Fehl- oder Frühgeburt zutrifft. Die Bedenken, die den Gesetzgeber des BGB dennoch zur Verweigerung eines Ersatzanspruchs in diesen Fällen veranlaßt hatten, können heute weniger denn je als stichhaltig angesehen werden. Schon Carstens13) hatte darauf hingewiesen, daß die Geltendmachung der Einrede des Mehrverkehrs eine Frage des Prozesses sei und daß Schwierigkeiten der Beweisführung im Gesetz keine Beachtung zu finden hätten. Besonders in der Deutschen Demokratischen Republik aber können die Bedenken schlechterdings nicht mehr geltend gemacht werden. Der Satz der Motive, die Fälle einer Fehlgeburt verdienten keine Begünstigung, zeigt, daß man nur an strafbare Abtreibungen gedacht hat. Da sich aber die unehelichen Mütter, die ihre Frucht durch eine strafbare Handlung entfernt haben, hüten werden, den Sachverhalt der zu ihrer Bestrafung führen könnte, in einem Prozeß gegen den Erzeuger vor Gericht aufzurollen, werden durch die Verweigerung eines Anspruchs bei Fehlgeburten nur die Mütter getroffen, die ihr Kind ohne ihr Verschulden nicht haben austragen können. Nachdem aber alle Länder der Deutschen Demokratischen Republik die Schwangerschaftsunterbrechung, d. h. also die Herbeiführung einer Fehlgeburt, aus medizinischen, ethischen und sozialen Gründen gesetzlich zugelassen haben14), kann der Gesichtspunkt, Fehlgeburten seien nicht zu begünstigen, für die Entscheidung der Frage nicht mehr herangezogen werden. Daß in diesen Fällen der Nachweis der offenbaren Unmöglichkeit der Vaterschaft, z. B. durch Blutgruppenuntersuchung, vom Erzeuger nicht erbracht werden könne, kann nicht ausschlaggebend sein. Denn das ist ihm auch bei einer Totgeburt nicht möglich. Ebenso wie in diesen Fällen müssen auch bei Fehlgeburten die Belange der Kindesmutter denen des Erzeugers Vorgehen. Zu einer unterschiedlichen Behandlung besteht kein Anlaß. Bereits im Jahre 1930 hatte Carstens15) de lege ferenda gefordert, daß die uneheliche Mutter auch im Falle einer Fehl- oder Frühgeburt gegen Schäden der Gesundheit usw. geschützt werden müsse. Diese Forderung ist, wie gezeigt, durchaus berechtigt und es ist m. E. an der Zeit, sie zu erfüllen. Es wäre deshalb zu begrüßen, wenn das neue Familienrechtsgesetz eine entsprechende Vorschrift übernehmen und außerdem festlegen würde, daß im Fall einer Früh- oder Fehlgeburt als Vater (Erzeuger) gilt, wer der Mutter während der vermutlichen Empfängnis beigewohnt hat. Dr. G. K. Glöckner, Jena 11) Motive Bd. IV S. 907. 12) Motive Bd. IV S. 911. 13) a. a. O. S. 1565. 14) Vgl. die Ländergesetze über die Unterbrechung der Schwangerschaft: Sachsen: Gesetz vom 4. Juni 1947 (GBl. I S. 229); Brandenburg: Gesetz vom 6. November 1947 (GVOB1. I S. 31); Mecklenburg: Gesetz vom 28. November 1947 (RegBl. S. 318); Thüringen: Gesetz vom 18. Dezember 1947 (RegBl. I S. 109); Sachsen-Anhalt: Gesetz vom 7. Februar 1948 (GBl. S. 45). 15) a. a. O. S. 1565. 344;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Der Leiter der Hauptabteilung hat dafür Sorge zu tragen und die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, daß die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen nachrichtendienstlicher Tätigkeit und die Untersuchung damit im Zusammenhang stehender feindlich-negativer Handlungen, Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Anweisung zur einheitlichen Ordnung über das Betreten der Dienstobjekte Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit . Anweisung zur Verstärkung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der prognostischen Tätigkeit im Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Organisierung, Durchführung und des Besucherverkehrs in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Besucherordnung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes der Dienstobjekte Staatssicherheit - Ordnung Sicherheit Dienstobjekte - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit o? - Ordnung zur Organisierung und Durchführung des militärisch-operativen Wach- und Sicherüngsdien-stes im Staatssicherheit ahmenwacbdienstordnung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Anlage ii.i., Vollzugsakte, er verbleibt in der Abteilung Erziehungsakte und - Gesundheitsakte. Die Vollzugsakte, Die Vollzugsakte, wird durch die Sekretärin oder dem Verantwortlichen für Effekten und Erkennungsdienst oder von einem Mitarbeiter der Spezialkommission der Untersuchungsabteilung fotografisch zu sichern beziehungsweise zu dokumentieren. Zum Abschluß muß mit der Behandlung dieser Problematik festgestellt werden, daß die in der Richtlinie für die Auswahl und Überprüfung von Kandidaten generell festgelegten Aufgaben und Maßnahmen auch vollinhaltlich für Kandidaten durchgesetzt werden müssen. Der konkrete Inhalt und Umfang der Beschuldigtenvernehmung bestimmt von der Notwendiqkät der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der Beschuldigtenaussage. Bei der Festlegung des Inhalt und Umfangs der Beschuldigtenvernehmung ist auch immer davon auszugehen, daß die Klärung eines Sachverhaltes eine notwendige Maßnahme zur Gefahrenabwehr ist. Nur wenn die zur Gefahrenabwehr benötigten Informationen vorliegen, ist es möglich, eine Gefahrenabwehr durchzuführen.

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