Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 285

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 285 (NJ DDR 1950, S. 285); lieh zurückweisen und seine Rechtsauffassung, die für die Gnadeninstanz von Bedeutung sein könnte, in der Begründung darlegen. Dagegen würde der Generalstaatsanwalt, wenn er im Laufe des Kassationsverfahrens selbst zu einer Änderung seiner Rechtsansicht kommt, die Richtung seines Antrages ändern und statt der ursprünglich beantragten Verschärfung eine Milderung des angefochtenen Urteils verlangen können. Hierzu würde er nach dem Grundsatz der freien Abänderlichkeit des Kassationsantrages ebenso berechtigt sein, wie zu seiner Rücknahme, die, auch bei einem zugunsten des Verurteilten gestellten Anträge, entgegen der Regelung der §§ 302 und 303 StPO jederzeit, also auch noch in der Hauptverhandlung, möglich ist. Von der Bindung an die Richtung des Antrages abgesehen, ist das Oberste Gericht in der Behandlung des Kassationsantrages völlig frei, insbesondere schon mangels Rügezwanges nicht an dessen Begründung gebunden. Für das Verfahren ist zunächst zu beachten, daß der Antrag des Generalstaatsanwalts, da es sich trotz der entsprechenden Anwendung der Revisionsvorschriften nicht um ein Rechtsmittel handelt und überdies eine Prüfung der richtigen Form der Begründung nach § 346 StPO, die dem Revisionsgericht das Eingehen auf gänzlich unzulängliche Revisionen ersparen soll, nicht in Frage kommt, unmittelbar beim Obersten Gericht anzubringen ist. Ein Suspensiveffekt (§ 343 StPO) kommt gegenüber dem rechtskräftigen Urteil nicht in Betracht. Das Oberste Gericht ist jedoch in der Lage, einstweilige der Richtung des Kassationsantrages entsprechende Anordnungen zu treffen. Es kann also insbesondere gegen den freigesprochenen Angeklagten einen Haftbefehl erlassen. Umgekehrt würde es nach Eingang eines zugunsten eines in Strafhaft befindlichen Verurteilten gestellten Kassationsantrages in der Lage sein, eine Unterbrechung der Strafhaft und deren Umwandlung in Untersuchungshaft, bei erheblicher Aussicht auf eine künftige Freisprechung sogar eine Freilassung anzuordnen. In diesem Zusammenhang mag bemerkt sein, daß die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung an das Untergericht nicht etwa automatisch die Aufhebung der laufenden Strafhaft und ihren Ersatz durch Untersuchungshaft herbeiführt. Auch in diesem Falle bleiben gewisse Wirkungen des aufgehobenen Urteils solange bestehen, bis ein neues Sachurteil ergeht.*) Der Angeklagte braucht z. B. in dem künftigen Verfahren nicht auf die Möglichkeit einer vom Eröffnungsbeschluß abweichenden rechtlichen Würdigung hingewiesen (§ 265 Abs. 1 und 2 StPO) oder nachtragsweise angeklagt zu werden (§ 266 StPO), wenn eine solche vom Eröffnungsbeschluß abweichende Beurteilung, sei es auch verfahrenswidrig, bereits in dem angefochtenen Urteil enthalten war. Diese in der früheren Rechtsprechung über das Wiederaufnahmeverfahren entwickelten Grundsätze (vgl. Bayr. OLG in DRZ 1929 Nr. 424, KG Goldt. Arch. 69/128; im Ergebnis, trotz theoretischer Abweichung, auch RGS 58/52) sind trotz der in der Rechtslehre gegen sie geäußerten Bedenken im Kassationsverfahren anzuwenden. Es würde insbesondere gegenüber einem Kassationsantrag zu Lasten des Angeklagten, bei dem, wie dargelegt, normalerweise eine Strafmilderung nicht möglich ist, ein gänzlich abwegiges Ergebnis bedeuten, wenn der Angeklagte in dem Stadium zwischen dem Kassations- und dem Sachurteil Untersuchungshaft statt Strafhaft zu verbüßen hätte. Andererseits würde *) Vgl. hierzu das in „Neue Justiz" 1950 Seite 262 abgedruckte Urteil des Obersten Gerichts vom 12. Mai 1950, das denselben Grundsatz aufstellt. Das Urteil des Obersten Gerichts bedarf nur insoweit einer Klarstellung, als es davon spricht, daß die Vollstreckbarkeit aus dem ursprünglichen Urteil so lange fortdauere, „bis sachlich entschieden" sei. Diese Formulierung könnte zu der Auslegung verleiten, als ob mit dieser sachlichen Entscheidung das nächste Urteil des Gerichts gemeint sei, an das die Sache vom Obersten Gericht zurückverwiesen wird, ohne Rücksicht darauf, ob dieses Urteil rechtskräftig ist oder nicht. Eine derartige Auslegung würde dem Grundgedanken, der die Entscheidung des Obersten Gerichts trägt und der dahin geht, die Vollstreckung andauern zu lassen, bis die Dauer der zu vollstreckenden Strafe endgültig feststeht, widersprechen. Der von dem Obersten Gericht und auch in dem Beitrag von Cohn aufgestellte Grundsatz ist deshalb dahin auszulegen, daß die Vollstreckbarkeit solange andauert, bis nach der Zurückverweisung in der Sache erneut rechtskräftig entschieden worden ist. Die Redaktion es eine unangebrachte Härte sein, ihm eine derartige Zwischenuntersuchungshaft grundsätzlich nicht anzurechnen. Im allgemeinen beruht die Notwendigkeit des Kassationsantrages auf einem Rechtsirrtum des Gerichtes, daneben auch vielfach auf Irrtümern anderer Staatsorgane, so daß sich der durch das Kassationsverfahren verursachte Zeitaufwand nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken sollte. Das Oberste Gericht hat auf den Kassationsantrag unter allen Umständen durch Urteil zu entscheiden. Ihn nach § 349 Abs. 1 S. 2 StPO als „offensichtlich unbegründet“ zu verwerfen, ist gegenüber einem Schritte, den der Generalstaatsanwalt als Vertreter des gesellschaftlichen Interesses unternimmt, nicht angebracht. Eine Verwerfung durch Beschluß wegen eines Formfehlers denkbar wäre wohl nur eine Fristüberschreitung würde aus demselben Grunde unangemessen sein. Auch dann, wenn sich der Kassationsantrag nicht gegen ein Urteil, sondern einen Beschluß richtet, z. B. gegen die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einen zulässigerweise oder unzulässigerweise in dieser Form ergangenen Amnestierungsbeschluß, ist durch Urteil zu entscheiden. Das ergibt sich schon aus der Anziehung der Vorschriften über die Revision in § 14 des Gesetzes vom 8. Dezember 1949, aber auch aus der Erwägung, daß der Kassationsantrag des Generalstaatsanwalts seiner Bedeutung wegen eine mündliche Verhandlung erfordert. Für den Inhalt des Urteils ist § 354 StPO grundsätzlich anwendbar. Das Oberste Gericht verweist also in der Regel, allerdings geeignetenfalls unter Aufrechterhaltung der Feststellungen des Untergerichts oder auch des Schuldausspruches, zurück. Ausnahmsweise ist jedoch eigene Sachentscheidung möglich. Das gilt zunächst für die in § 354 Abs. 1 StPO erwähnten Fälle, namentlich also bei Freisprechung oder Einstellung. Darüber hinaus wird aber die Auffassung zu vertreten sein, daß unter besonderen Umständen auch eine eigene Entscheidung in der Strafzumessungsfrage möglich ist. Das kann daraus hergeleitet werden, daß die Kassation auch ausgesprochen werden kann, wenn die angefochtene Entscheidung der Gerechtigkeit gröblich widerspricht (§ 12 Buchstabe b des Gesetzes vom 8. Dezember 1949). Ein derartiger Verstoß wird meist in einem offenbar unrichtigen, aber gleichwohl nicht erkennbar aus einem Gesetzesverstoße herzuleitenden Strafmaß zu finden sein. Damit hängt zusammen, daß nach § 13 Abs. 2 des Gesetzes der Kassationsantrag nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich zu begründen ist, d. h. auch tatsächlich begründet werden kann (in manchen Fällen ist nur eine rechtliche Begründung möglich). Wenn eine solche Tatsachenprüfung zur Entscheidung über die Frage eines gröblichen Widerspruchs gegen die Gerechtigkeit für das Oberste Gericht ohne weiteres durchführbar ist, z. B. auf Grund von Urkunden, so ist eine Strafzumessung durch das Oberste Gericht denkbar. Sicherlich wird sie aber eine seltene Ausnahme sein, da eine Beweiserhebung vor Kassationssenaten schon aus Gründen der Prozeßökonomie nicht tunlich ist. Bei Zurückverweisung sind die Untergerichte an die Rechtsauffassung des Obersten Gerichts gebunden. Diese Vorschrift des § 358 StPO hat im Kassationsverfahren eine noch stärkere Bedeutung als im Revisionsverfahren; denn das Kassationsverfahren dient ausschließlich den Erfordernissen der Gemeinschaft, und zwei seiner wesentlichsten Ziele, die Herstellung der Rechtseinheit und die Richtigstellung abwegiger Strafzumessungen, würden unerreichbar sein, wenn die Gerichte die Weisungen des, Kassationsgerichts nicht befolgten. Bewußt von ihnen abzuweichen, würde einen schweren Disziplinarverstoß, unter Umständen eine Rechtsbeugung, darstellen. Dagegen ergibt sich aus dem Zwecke des Kassationsverfahrens, gesellschaftlich untragbare Entscheidungen zu beseitigen, in Verbindung mit dem Kassationsgrunde des gröblichen Verstoßes gegen die Gerechtigkeit, eine über die Grenzen des Revisionsverfahrens wesentlich hinausgehende rechtliche Prüfung. Sie erstreckt sich in gewissem Umfange auch auf die Richtigkeit der Beweiswürdigung und der Strafzumessung. Zu prüfen ist daher nicht nur, ob bei der Beweiswürdigung Erfahrungssätze beobachtet und Denkgesetze richtig angewandt worden sind, was ja 285;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 285 (NJ DDR 1950, S. 285) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 285 (NJ DDR 1950, S. 285)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

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