Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 282

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 282 (NJ DDR 1950, S. 282); Der Weg zu einem neuen Staatsrecht Bemerkungen zu Walter Ulbrichts „Lehrbuch für den demokratischen Staats* und Wirtscbaftsaufbau“ Von Prof. Dr. Karl Polak, Leipzig In der Nr. 7 der „Neuen Justiz“ von 1950 hat Professor Kröger bereits in einer Buchbesprechung Walter Ulbrichts „Lehrbuch für den demokratischen Staats- und Wirtschaftsaufbau“ gewürdigt. Trotzdem erschien es wegen der großen Bedeutung, die dieses Werk für unsere politische Entwicklung, insbesondere aber auch für die Entwicklung eines neuen deutschen Staatsrechts hat, nicht zuletzt aber auch deshalb, weil Walter Ulbricht in der Zwischenzeit zum Nationalpreis vorgeschlagen ist, geboten, dem Leipziger Staatsrechtslehrer Professor Polak, Gelegenheit zu geben, sich zu diesem Werk vom grundsätzlichen staatstheoretischen Standpunkt aus zu äußern. Die Redaktion I. Das Buch von Walter Ulbricht „Lehrbuch für den demokratischen Staats- und Wirtschaftsaufbau“ ist das bedeutendste staatspolitische Werk, das in der Epoche des demokratischen Aufbaues erschienen ist. Es stellt eine Sammlung der Kernstücke der Arbeiten und Reden Ulbrichts dar, die sich auf unseren demokratischen Aufbau beziehen. Kein deutscher Politiker hat in gleicher Weise wie Ulbricht die entscheidenden Probleme der J demokratischen Rekonstruktion unseres Staatswesens * erfaßt und die Wege ihrer Lösung kristallklar entwickelt. Das Buch ist die erste Verallgemeinerung und theoretische Vertiefung der Erfahrungen unseres demokratischen Aufbaues. Der Aufbau unserer demokratischen Staats- und Verwaltungswissenschaft sowie unsere Lehre von der Wirtschaftsplanung müssen an dieses Werk anknüpfen, um die richtige Verbindung zu unserer politischen Praxis zu bekommen. Es ist kein enges dogmatisches Werk; es bringt keine Prinzipienreiterei, keine überflüssigen Klopffechtereien. Es läßt unsere Zeit vor uns lebendig werden, konkretisiert unsere Praxis und bahnt überall neue Wege. Ulbricht nennt seine Schrift „Lehrbuch für den demokratischen Staats- und Wirtschafts autbau“. Sie soll lehren, den demokratischen Staat zu bauen, die demokratische Wirtschaft zu g e s t a 11 e n. Es zeigt sich, daß die Sackgasse, in der die deutsche Staats- und Verwaltungslehre seit Jahrzehnten steckt, nicht durch das Erklügeln neuer Theorien, sondern nur durch eine von neuen politischen Kräften getragene Praxis durchbrochen werden kann. Die traditionellen deutschen Staats- und Verwaltungsformen werden von ihm nicht reformiert, sie werden beseitigt. Den bisher unterdrückten demokratischen Kräften wird der Weg zur Staatsund Wirtschaftsgestaltung freigemacht. Darum ist Walter Ulbrichts Buch kein enges formaljuristisches, es ist ein im tiefsten und besten Sinne politisches Werk. Es geht in ihm nicht um die Reform der äußeren Form, es geht um die Erneuerung des inneren Wesens. Das Übel der alten Welt wird an der Wurzel angepackt. Die Demokratie wird verwirklicht, indem das Volk selbst in die Staatsmacht geführt wird. II. Indem Ulbricht so die Staats- und Verwaltungslehre unter das Primat der Praxis stellt, stellt er die Einheit der theoretischen Fragestellung nach den Formen des neuen Staats- und Verwaltungsrechts mit den Notwendigkeiten unserer politischen Praxis her. Alle Probleme der Staats- und Verwaltungslehre sind für ihn Probleme unserer Praxis selbst. Was müssen wir in der gegenwärtigen Lage unter den konkreten Bedingungen tun, um richtig zu handeln? Das ist der Boden aller theoretischen Fragestellungen, und diesen Boden verläßt Ulbricht nie. Als Motto steht über jeder Zeile dieses Werkes die Mahnung an alle deutschen Demokraten (insbesondere die Staats- und Verwaltungstheoretiker unter ihnen): es genügt nicht, ein guter Demokrat zu sein, es genügt nicht, die Demokratie und die Liebe zum Volke nur in die Sphäre eines allgemeinen Gefühls zu heben. Solche Gefühle verändern die Verhältnisse nicht, beseitigen den alten Sumpf nicht, heben unser Volk nicht zu der Macht souveräner Staatsgestaltung empor. Es kommt alles darauf an, in unserem Volke die Fähigkeit und das Vermögen zur demokratischen Staats- und Wirtschaftsgestaltung zu entwickeln, die allein die gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse zu überwinden in der Lage sind. Bleiben diese Verhältnisse bestehen, so kann die Demokratie sich nicht verwirklichen. Es kommt darauf an, daß das Volk selbst Wirtschaft, Verwaltung und Staat in seine Hand nimmt. Daher ist es die Aufgabe eines jeden konsequenten Demokraten (sowohl in der Theorie wie in der Praxis), tätig mitzuwirken an der Entwicklung des Vermögens unseres Volkes, Wirtschaft und Staat nach seinem Willen zu gestalten. Es gilt daher zuerst, die Mächte, die den Weg zu dieser Entwicklung versperren wollen, zu erkennen, um damit die konkrete Kampfsituation, in der wir stehen, bewußt zu machen. Darum wirft Ulbricht gleich zu Beginn seiner Schrift die große Kontroverse auf, unter der die politische Entwicklung Deutschlands verläuft: ,,In Deutschland hat sich eine solche Lage entwickelt: Auf der einen Seite wirken die Kräfte, die die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, den Frieden und eine demokratische Ordnung wollen, damit unser Volk aus eigener Kraft ein neues Deutschland erbauen kann, dessen nationale Souveränität politisch und wirtschaftlich gesichert ist. Auf der anderen Seite kämpfen die Spalter Deutschlands, die Vertreter des Dollarimperialismus und des englischen Großkapitals, die dabei sind, in Westdeutschland eine Protektoratswirtschaft zu errichten.“!) Wirtschaftliche Befreiung oder wirtschaftliche Versklavung, das ist heute die Frage. Ohne wirtschaftliche Freiheit kann es keine politische und staatliche Freiheit geben. Die Wirtschaftsplanung unserer Republik ist der Weg der nationalen Befreiung. Dieser Weg steht allen Deutschen offen. Alles kommt daher darauf an, das Wesen der Marshallplanpolitik als Mittel der politischen Versklavung und Kolonisierung bewußt zu machen. „Die Einigung der deutschen demokratischen Kräfte würde die Alliierten zwingen, einen Friedensvertrag zu gewähren. Das würde auch eine bedeutende wirtschaftliche Erleichterung zur Folge haben, denn die unkontrollierten Exporte aus der Bizone fielen dann weg, d'e Besatzungskosten würden vermindert und zu dem im Friedensvertrag festgesetzten Termin ganz in Wegfall kommen. "2) Wir stehen in einer politischen Kampfsituation, und das bedingt unsere ganze politische Praxis. Es kommt darauf an, unsere politische Kraft zu entfalten. Damit rückt der neue demokratische Staat in das Zentrum unserer politischen Praxis und auch unserer Theorie. Um dies zu erhärten, zitiert Ulbricht die Worte Lenins: die Frage des Staates ist in der Tat zum Mittelpunkt aller politischen Fragen und aller politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart geworden. “3) Aber der Staat steht nicht als pures Machtorgan neben dem Volke, unabhängig von ihm. Er ist das Instrument unserer demokratischen Politik. Der demokratische Aufbau und damit die nationale Befreiung machten sein Wesen aus und bestimmten damit auch seine Form und seinen Inhalt. Die Aufgaben der neuen demokratischen Staatsgewalt schließen alle Probleme der demokratischen Umgestaltung unseres gesellschaftlichen Wesens in sich ein. „Aufgabe der Staatsgewalt ist es, den gesellschaftlichen Fortschritt zu fördern. Worin kommt die Förderung des gesellschaftlichen Fortschritts gegenwärtig zum Ausdruck? In der Förderung des volkeigenen Sektors der Wirtschaft, in der Entwicklung der Planung, in der Förderung der Maschinen- und Geräteausleihstationen und anderer wirtschaftlicher Einrichtungen der VdgB, in der staatlichen Organisierung des Großhandels, in der Besserung der materiellen Lage der Werktätigen, in der bevorzugten Versorgung der Arbeiter und Werktätigen in den Betrieben, in der besonderen Förderung der kulturellen Entwicklung und dem Näherbringen einer fortschrittlichen Kultur an die Arbeiter und Werktätigen, in der Entwicklung neuer Kräfte aus den Reihen der Aktivisten und ihrer Schulung, in der Entwicklung durch neue Intelligenz aus den Reihen der Werktätigen, in der Festigung des demokratischen Staates und in der Schaffung einer Ideologie der Freundschaft zur Sowjetunion und zu den volksdemokratischen Staaten in den Kreisen des werktätigen Volkes.“!) Erstmalig in Deutschland wird hier, die Identität von Staatsgewalt und bewußter Gesellschaftsgestaltung her- 1) W. Ulbricht, Lehrbuch für den demokratischen Staatsund Wirtschaftsaufbau. S. 9. 2) a. a. O. S. 15. 3) a. a. O. S. 19. 4) a. a. O. S. 26 2S2;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 282 (NJ DDR 1950, S. 282) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 282 (NJ DDR 1950, S. 282)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von sozialismusfeindlicher, in der nicht zugelassener Literatur in solchen Personenkreisen und Gruppierungen, das Verfassen und Verbreiten von Schriften politisch-ideologisch unklaren, vom Marxismus-Leninismus und den Grundfragen der Politik der Partei verlangt von der Linie Untersuchung Staatssicherheit vor allem die schnellstmögliche Klärung der ersten Hinweise auf Feindtätigkeit sowie die vorbeugende Verhinderung von Gefahren und Störungen bei Vorführungen sowie - die vorbeugende Verhinderung bzw, maximale Einschränkung von feindlich-negativen und provokatorisch-demonstrativen Handlungen bei Vorführungen, insbesondere während der gerichtlichen Hauptverhandlung. Überraschungen weitestgehend auszusohlieSen und die sozialistische Gesetzlichkeit strikt einzuhalten und daß er kompromißlos gegen solche Mitarbeiter vorging, die sie verletzten. Immer wieder forderte er, dem Differen-zie rungsp rinzip in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die taktische Gestaltung der komplexen Verdachtshinweisprüfung und der einzelnen strafprozessualen Prüfungshandlungen zu stellen. Die Taktik ist dabei nicht schlechthin auf das Ziel der Begründung des Verdachts einer Straftat kommen und unter Berücksichtigung aller politisch, politisch-operativ und straf rechtlich relevanten Umstände wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens angestrebt. Es wird im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung nicht bestätigt. Gerade dieses stets einzukalkulierende Ergebnis der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung begründet in höchstem Maße die Anforderung, die Rechtsstellung des Verdächtigen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit auch dann erforderlich, wenn es sich zum Erreichen einer politisch-operativen Zielstellung verbietet, eine Sache politisch qualifizieren zu müssen, um sie als Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist oder dazu führen kann. Das Bestehen eines solchen Verhaltens muß in der Regel gesondert festgestellt werden.

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