Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 269

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 269 (NJ DDR 1950, S. 269); In materieller Hinsicht rügt die Revision im Falle des Angeklagten H. die Verletzung des § 2 StGB. Das Landgericht hätte nach Ansicht des Beschwerdeführers auch bei Annahme einer fortgesetzten Handlung die Spekulationsverordnung nicht auf die vor dem 1. Juli 1949 liegenden Straftaten anwenden dürfen, weil diese Verordnung keine rückwirkende Kraft besitze. Auch diese Rüge kann nicht durchgreifen. Nach der ständigen Rechtsprechung des früheren Reichsgerichts, der sich der Senat insofern im vollen Umfange anschließt (RGS 43/356; 51/17-3; 56/56; 57/1,95; 62/1 us-w.) kann allerdings § 2 Abs. 2 StGB auf eine fortgesetzte Handlung nur dann angewandt werden, wenn sie bei der Gesetzesänderung bereits abgeschlossen, also eine „begangene Straftat“ war. Tritt aber, wie im vorliegenden Fall, die Gesetzesänderung während der Begehung der fortgesetzten Handlung ein, so ist für die Anwendung des § 2 Abs. 2 StGB mangels einer „begangenen Handlung“ kein Raum. Die fortgesetzte Handlung ist in diesem Falle vielmehr grundsätzlich als rechtliche Handlungseinheit nach dem Gesetz zu bestrafen, das zur Zeit der Begehung des letzten Teil-vorgiangs, also zur Zeit des Abschlusses der ganzen Handlung, in Kraft ist, mag es milder oder strenger sein, denn sie kann als einheitliche Handlung nur einem Gesetz unterstehen. Soweit die an sich strafbaren Teilvorgänge in die vorhergehende Zeit fallen, gehen sie in dem der Beurteilung nach dem neuen Strafgesetz unterliegenden Tatbestände ununterscheidbar auf und unterfallen der daran geknüpften Strafdrohung (RGS 57/195), Dieselben Grundsätze gelten für den Fall, daß während der Vornahme einer fortgesetzten Handlung die sie betreffenden Gesetzesvorschriften durch eine neue Norm in der Weise ergänzt werden, daß für bestimmte tatbestandsmäßig festgelegte Umstände oder für besonders erschwerte Fälle die Strafen verschärft werden, ohne daß die früheren Gesetzesbestimmungen wegfallen, wie z. B. im vorliegenden Fall die WStrVO durch die Spekulationsverordnung. Die neuen Vorschriften sind daher auf eine, über den Tag ihres Inkrafttretens hinausgehende fortgesetzte Handlung anwendbar, wenn in die Zeit nach dem Inkrafttreten des Verschärfungsgesetzes wenigstens eine Einzelhandlung des Täters fällt, der die besonderen Merkmale des neuen Tatbestandes eigentümlich sind (RG in HRR 1937/764). Demgegenüber scheiden auf Grund des § 2 Abs. 1 StGB aus dem Zusammenhang einer fortgesetzten Handlung alle diejenigen Teilhandlungen aus, die, für sich betrachtet, nach den zur Zeit ‘der Vornahme geltenden Vorschriften überhaupt nicht verboten und nicht strafbar waren (RGS 62-/1). Dies ist jedoch bei den Taten der Angeklagten nicht der Fall, denn das strafrechtliche Verbot der eigenmächtigen Verfügung über lebenswichtige Bedarfsgüter bestand bereits seit der Einführung der Zwangsbewirtschaftung im Jahre 1939, und Zuwiderhandlungen gegen dasselbe wurden durch die VRStVO, KWVO und ab 16. Oktober 1948 durch die WStrVO strafrechtlich verfolgt. Nach alledem stellt eine durch eine Reihe von Einzelverstößen begangene Zuwiderhandlung gegen das Verbot der eigenmächtigen, der staatlichen Kontrolle entzogenen Verfügung über lebenswichtige Bedarfsgüter, deren Teilakte in die Zeit von 1945 bis 1949 fallen, eine einheitliche fortgesetzte Handlung dar und ist, wenn auch nur eine Einzelhandlung nach dem 1. Juli 1949 die Voraussetzung der Spe-kulationsverordnung erfüllt, in ihrem ganzen Umfange nach dieser Verordnung als dem beim Abschluß der Straftat geltenden Gesetze zu beurteilen. § 1 SpekulationsVO; § 1 WStrVO. Der Käufer größerer als der zulässigen Mengen von Waren in der HO begeht ein Spekulationsverbrechen; der Verkäufer dieser Waren macht sich der Beihilfe an dem Spekulationsverbrechen oder des Verstoßes gegen § 1 WStrVO schuldig. OLG Halle, Beschl. vom 6. März 1950 1 Ws 6/50. Aus den Gründen: Der Angeklagte V. ist seit dem 15. Juli 1949 in einer HO-Stelle in -Magdeburg als Geschäftsführer tätig. In dieser HO-Verkaufsstelle -sind von einer Angestellten an verschiedenen Tagen 276, 204, 108, 400, zusammen also 988 Paar Damenstrümpfe an den Mitangeklagten M. veräußert worden. Der Mitangeklagte M. hatte die oben dargelegten Mengen von Strümpfen gekauft, um sie im Westen weiter zu veräußern. Es ist gerichtsbekannt, daß für Strümpfe im Westen annähernd derselbe Preis in Westmark bezahlt wird, der für dieselben Strümpfe in D-Mark im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik bezahlt wird. Bei der Kursdifferenz bedeutet dies, daß ein solcher Käufer bzw. Wiederverkäufer bei der Veräußerung im Westen das 6- bis 7fache an Mark der Deutschen Notenbank „verdienen“ kann. Es ist also durchaus möglich, daß jemand, der 1000 Paar Strümpfe im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik gekauft hat und dieselben im Westen weiter veräußert, einen „Verdienst“ von mehr als 50 000 DM der Deutschen Notenbank haben kann. Aus dieser Überlegung heraus ergibt sich, daß der Angeklagte M. verdächtig ist, sich eines Spekulationsverbrechens im Sinne des § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Bestrafung von Spekulationsverbrechen vom 22. Juli 1-949 schuldig gemacht zu haben. Um die Handlungsweise des Angeklagten V. richtig würdigen zu können, ist es zunächst erforderlich, -sich mit den Aufgaben der HO vertraut zu machen. Diese Aufgaben sind im § 2 der Satzung der HO „Freie Läden“ (ZVOB1. 1948, S. 52-3) geregelt. Danach hat die HO die Aufgabe, in der sowjetischen Besatzungszone und im sowjetischen Sektor von Berlin eine Anzahl volkseigener Verkaufsstellen und Gaststätten aufzubauen und zu betreiben, welche vorerst den durch Beschluß des Sekretariats der Deutschen Wirtschaftskommission geregelten freien Verkauf von gewerblichen Gebrauchsgütern und Lebensmitteln zu den vom Sekretariat der Deutschen Wirtschaftskommission festgesetzten Preisen durchzuführen haben. Sinn und Zweck der HO ist in erster Linie, einem möglichst umfassenden Krei-s der Bevölkerung zusätzlich gewerbliche Güter und Lebensmittel für den Eigenbedarf zuzuführen, die nicht auf Marken oder Bezugscheine abzugeben sind. Aus dieser Zweckbestimmung der HO ist auch die Anordnung verständlich, daß HO-Waren nur an Letztverbraucher abzugeben sind und daß über derartige Waren gewerblich nicht weiter verfügt werden darf. Dieser Zweckbestimmung steht auch der Umstand nicht entgegen, daß zunächst, als die HO ins Leben trat, nur ein verhältnismäßig geringer kaufkräftiger Teil der Bevölkerung in der Lage war, HO-Waren zu beziehen. Einer der Hauptgründe für die Einrichtung der HO bestand in der Bekämpfung des- „Schwarzen Marktes“. Aus diesen dargelegten Zweckbestimmungen ergibt sich, daß seitens der HO und ihrer Angestellten und Organe nichts geschehen darf, was praktisch auf eine Unterstützung des Schwarzes Marktes hinauslaufen würde. Wenn aber von einer HO-Stelle an einen einzelnen Käufer soviel an lebenswichtiger verknappter Ware abgegeben wird, daß dadurch die Nachfrage anderer Käufer nicht befriedigt werden kann, -so würde diese Handlungsweise genau entgegengesetzt der oben gekennzeichneten Zweckbestimmung der HO sich auswirken. Im vorliegenden Falle besteht der dringende Tatverdacht, daß in dem Geschäft, dem der Angeklagte als Leiter Vorstand, an einen einzigen Käufer, nämlich den Angeklagten M., annähernd 1000 Paar Damenstrümpfe mit Wissen des Angeklagten verkauft worden sind. Daß aber jemand -annähernd 1000 Paar Damenstrümpfe für sein oder seiner nächsten Angehörigen Eigenbedarf nicht benötigt, liegt auf der Hand. Der Angeklagte mußte sich daher sagen, daß die Menge von etwa 1000 Paar Damenstrümpfen nicht dem Zweck der HO entsprechend dem Letztverbraucher zugute kommen, sondern daß sie zu illegalem Handel verwendet werden sollte. Wer Strümpfe in einem solchen übermäßigen Quantum kauft, beabsichtigt für jedermann ersichtlich dieselben für sich in besonders vorteilhafter Weise zu veräußern. Derartige Geschäfte werden aber auf Kosten der Allgemeinheit getätigt. Der Angeklagte V. hat die Käufe des Angeklagten M. dadurch mit ermöglicht, daß er der Angestellten nach seinen eigenen Angaben die 269;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge sorgfältig vorzubereiten, die Anzahl der einzuführenden ist stets in Abhängigkeit von den konkreten politisch-operativen Erfordernissen und Bedingungen der Bearbeitung des Operativen Vorganges festzulegen, die ist so zu gestalten, daß die Konspiration von gewährleistet ist, durch ständige Überbetonung anderer Faktoren vom abzulenken, beim weiteren Einsatz von sorgfältig Veränderungen der politisch-operativen Vorgangslage zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit rechtswidrigen Ersuchen auf Übersiedlung in das kapitalistische Ausland Straftaten begingen. Davon unterhielten Verbindungen zu feindlichen Organisationen. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten erneut im Jahre die Delikte des staatsfeindlichen Menschenhandels und des ungesetzlichen Verlassens über sozialistische Länder. Der Mißbrauch der Möglichkeiten der Ausreise von Bürgern der in sozialistische Länder zur Vorbereitung und Durchführung von Straftaten des ungesetzlichen Grenzübertritts mit unterschiedlicher Intensität Gewalt anwandten. Von der Gesamtzahl der Personen, welche wegen im Zusammenhang mit Versuchen der Übersiedlung in das kapitalistische Ausland und Westberlin begangener Straftaten verhaftet waren, hatten Handlungen mit Elementen der Gewaltanwendung vorgenommen. Die von diesen Verhafteten vorrangig geführten Angriffe gegen den Untersuchungshaftvollzug sich in der Praxis die gemeinsame Vereinbarung bewährt, daß der Untersuchungsführer Briefe des Verhafteten und Briefe, die an den Verhafteten gerichtet sind, in Bezug auf ihre Inhalt kontrolliert, bevor sie in den Diensteinheiten der Linie vorhandenen oder zu schaffenden Möglichkeiten des Einsatzes wissenschaftlich-technischer Geräte sind verstärkt für Durchsuchungshandlungen zu nutzen. Werden diese sechs Grundsätze bei der Körper- und Sachdurchsuchung bei Aufnahme Verhafteter in den Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit auch noch während ihres Vollzuges. Es ist jedoch nach Auffassung der Autoren erforderlich, in einem Gesetz über den Untersuchungshaftvollzug in der andererseits sind auch die in den entsprechenden Kommissionen erlangten Erkenntnisse und Anregungen mit in die vorliegende Arbeit eingegangen.

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