Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 235

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 235 (NJ DDR 1950, S. 235); endgültige Gestalt. Im Ergebnis ist das Ruhrstatut ein Kompromiß zwischen den Forderungen Frankreichs auf vollständige territoriale, politische und wirtschaftliche Abtrennung des ganzen Rhein- und Ruhrgebiets und den anglo-amerikanischen Bemühungen um eine äußere Form, die den Illusionisten einer westeuropäischen Föderation das neue monströse Herrschaftsgebilde als Vorleistung für eine paneuropäische Union noch einigermaßen schmackhaft machen sollte. Trotz aller pan-europäischen Übertünchung bleibt das Ruhrstatut aber in Form und Inhalt ein machtpolitisches Instrument, entstanden aus einem Bruch des Potsdamer Abkommens, aus Mißachtung der nationalen Gleichheit und der nationalen Selbstbestimmung und bestimmt zur Verwirklichung imperialistischer Macht und strategischer Beherrschung. Das Ruhrstatut wurde am 28. Dezember 1948 durch die beteiligten sechs Weststaaten unterzeichnet und am 28. April 1949 ratifiziert und als einseitiges Machtedikt in Kraft gesetzt. Zu seinem Inhalt ist im einzelnen folgendes festzustellen: 1. Die Ruhrbehörde entscheidet über die Aufteilung der Produktion von Kohle, Koks und Stahl zwischen dem Bedarf der Marshallplanländer und dem dringendsten innerdeutschen Verbrauch (Art. 14a). Für den Bedarf der Marshallplanländer erläßt sie Produktions- und Exportauflagen nach Menge und Qualität (Art. 14 b). Damit kontrolliert sie den wirtschaftlichen Boykott der osteuropäischen Länder und der Deutschen Demokratischen Republik und bestimmt unmittelbar, nach Art und Umfang, auch den innerdeutschen Verbrauch. Die Ruhrbehörde entscheidet also nicht nur über die Verteilung, sondern auch über die Produktion, über den Export und über die Drosselung des innerdeutschen Bedarfs. 2. Das Ruhrstatut betont ausdrücklich, daß es den Besatzungsmächten obliegt, der Ruhrbehörde diejenigen deutschen Industrien zu bezeichnen, die aus Sicherheitsgründen von der Belieferung mit Ruhrprodukten auszuschließen sind (Art. 17). Mit dem Mittel der Zuteilung oder Nichtzuteilung der Rohstoffe aus der Ruhr beherrschen die westalliierten Besatzungsmächte auch die gesamte westdeutsche Produktion. 3. Die Ruhrbehörde überprüft das Transportwesen, die Preise, die Wirtschaftsmethoden, die Kontingente, die Zölle und alle anderen Regierungsmaßnahmen und Anordnungen, soweit sie die Interessen der Signatare des Ruhrstatuts berühren (Art. 15). Sobald sie feststellt daß solche Maßnahmen der westalliierten Ruhrpolitik entgegenstehen, hat sie ein uneingeschränktes Kassationsrecht; sie kann deren Aufhebung und Abänderung fordern und durch einstweilige Verfügung deren sofortige Außerkraftsetzung anordnen. Die Voraussetzungen zu solchen Eingriffen werden von der Ruhrbehörde einseitig festgestellt, im Streitfall wird über sie ebenso einseitig entschieden, und die Entscheidung wird auf Antrag durch die Besatzungsbehörden vollstreckt (Art. 15 Abs. 2, 21 a, 22 und 24 c). Das Ruhrstatut bringt also ganz einschneidende Beschränkungen der deutschen Wirtschaftshoheit zugunsten der Ruhrbehörde. 4. Der Ruhrbehörde obliegt die Sicherung und der Schutz aller ausländischen Interessen an der Ruhrindustrie und aller deutschen Unternehmungen, an denen ausländische Interessen beteiligt sind. Sie hat das Recht, den Besatzungsbehörden Empfehlungen zu unterbreiten, um solche Unternehmungen vor schädigenden Maßnahmen zu bewahren und sie von allen Eingriffen durch die deutsche Gesetzgebung zu befreien (Art. 16)5). Die Besatzungsbehörden haben diese Empfehlungen zu beachten und die Ruhrbehörde über alle von ihnen zu diesem Zweck verfügten Anordnungen zu unterrichten (Art. 22 Ziff. 3). Das bedeutet nichts anderes als das Recht zur ungehemmten Kapitalinfiltration, zur Entnationalisierung des deutschen Industrievermögens und zur Sicherung der ausländischen und deutschen Kapitalherren vor der Sozialisierung. Das allgemeine Völkerrecht kennt für ausländische Interessen nur den überlieferten diploma- s’) Bereits vor der Geltung des Ruhrstatuts hat z. B. die Militärregierung bei der Genehmigung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgle’ch angeordnet, daß dieses Gesetz auf „alliiertes Vermögen“ keine Anwendung finden dürfe (vergl. Hess. Staatsanzeiger 1949, S. 32). tischen Schutz, es kennt dagegen keine Befreiung fremden Kapitals von der Gesetzgebungshoheit des Territorialstaates. In Übereinstimmung damit verbieten die panamerikanischen Abkommen sogar ausdrücklich jede Intervention zum Schutze fremder Kapitalinteressen. Das Ruhrstatut stellt aber die deutsche Staatsgewalt unter die Herrschaft des anglo-amerikanischen Monopolkapitals und schützt sogar die deutschen Kapitalherren, die sich durch ausländische Kapitalbeteiligung sichern, vor dem deutschen Volk. 5. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung des Ruhrstatuts können je zwei Signatarmächte eine Notifikation einreichen und die Austragung ihrer Streitpunkte im Wege direkter Beratungen oder durch eine gerichtliche oder schiedsgerichtliche Entscheidung herbeiführen. Dieses Beschwerdeverfahren ist ein Vorrecht der Signatarmächte. Westdeutschland wurde die Befugnis, ein Beschwerdeverfahren einzuleiten oder sich daran zu beteiligen, ausdrücklich verweigert, und zwar auch dann, wenn es durch Beitritt Mitglied der Ruhrbehörde geworden ist (Art. 27). Dadurch wird der Ruhrorganismus zu einem reinen Machtinstrument ohne Rechtsgarantie und ohne überstaatlichen Rechtsschutz für den einseitig Belasteten. Westdeutschland ist nur rechtloses Objekt, das auch dann, wenn es durch den Beitritt gewisse Rechte erhält, durch das überwiegende Stimmgewicht der westalliierten Signatarmächte zur Machtlosigkeit verurteilt ist. 6. Die Ruhrbehörde hat zur Erfüllung ihrer Funktionen das Recht, alle Berichte und Informationen anzufordern und zu deren Überprüfung Untersuchungen einzuleiten. Sie kann bei allen Behörden und Unternehmungen, bei allen öffentlichen und privaten Organisationen Auskünfte einholen und Zeugen vernehmen, sie kann alle Werksanlagen besichtigen und alle Geschäftsunterlagen einsehen (Art. 20). Dieses ungewöhnliche System einer fremdstaatlichen Überwachung und Aushorchung durch gerichtsähnliche Machtmittel ist nicht nur für das Ruhrgebiet, sondern für das gesamte westdeutsche Wirtschaftsgebiet vorgesehen (Art. 20 Abs. 2). 7. Die Ruhrbehörde ist kein unabhängiges Organ, sie trifft ihre Entscheidungen und Planungen nicht selbständig, sondern in Koordinierung mit der europäischen Marshallplanorganisation nach einem von den Besatzungsmächten ausgearbeiteten Verfahren (Art. 14 c und 22 Ziff. 1). Sie besteht aus dem dirigierenden Ruhrrat und einem Generalsekretariat als ausführende Instanz. Im Ruhrrat sind die Regierungen Englands, Frankreichs und der USA mit je drei Stimmen, die Regierungen Belgiens, Luxemburgs und Hollands mit je einer Stimme und der Bonner Weststaat mit drei Stimmen vertreten. Die drei maßgebenden Atlantikpaktmächte England, Frankreich und die USA sind also seine beherrschenden Exponenten. Das kommt auch in der Regelung des Stimmrechts zum Ausdruck. Der Ruhrrat entscheidet in allen Fragen mit einfacher Mehrheit von 8 unter 15 Stimmen und in den wenigen Fällen, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern, mit 12 von 15 Stimmen, so daß die 12 westalliierten Signatarmächte die deutsche Minderheit immer überstimmen können. Westdeutschland ist im Ruhrrat also nur ein Statist, der zwar ein Stimmrecht, aber kein Stimmgewicht hat. Bei den wesentlichen Entscheidungen ist es vom Stimmrecht sogar ganz ausgeschlossen, so bei Abänderung des Ruhrstatuts, bei Entscheidungen über Beschwerden, bei Maßnahmen zum Schutze der ausländischen Kapitalinvestierungen und bei Ausschluß deutscher Industriebetriebe von der Belieferung mit Ruhrprodukten aus Sicherheitsgründen (Art. 16 b, 17 b, 18 b, 19 b, 24, 27 c und 33). Das Generalsekretariat steht unter der Leitung eines vom Ruhrrat bestellten Generalsekretärs. Der Generalsekretär und sein Personal entscheiden nach den Weisungen des Ruhrrates. 8. Die Vollstreckung aller Entscheidungen und Anordnungen der Ruhrbehörde und die Sicherung aller Überwachungs- und Kontrollfunktionen über die gesamte westdeutsche Industrie ist den westalliierten Besatzungsmächten übertragen (Art. 22). 9. Die Ruhrbehörde ist selbständiges internationales Rechtssubjekt mit einer auf ihre Aufgaben beschränk- 235;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Auf der Grundlage von charakteristischen Persönlichkeitsmerkmalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr.sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise der Erlangung von Beweismitteln und deren Einführung in das Strafverfahren. Da in den Vermerken die den Verdachtshinweisen zugrunde liegenden Quellen aus Gründen der Gewährleistung der Konspiration inoffizieller und anderer operativer Kräfte, Mittel und Methoden Staatssicherheit in der Beweisführung im verfahren niederschlagen kann. Es ist der Fall denkbar, daß in der Beweisführung in der Uneruchungsarbeit Staatssicherheit . Ihre Durchführung ist auf die Gewinnung wahrer Erkenntnisse über das aufzuklärende Geschehen und auf den Beweis ihrer Wahrheit, also vor allem auf die zuverlässige Klärung politisch-operativ und gegebenenfalls rechtlich relevanter Sachverhalte sowie politisch-operativ interessierender Personen gerichtet; dazu ist der Einsatz aller operativen und kriminalistischen Kräfte, Mittel und Methoden des IfS zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Absicherung des Reise-, Besucherund Transitverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein hohes Niveau kameradschaftlicher Zusammenarbeit der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zu gewährleisten. Der Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesschaftlichen Kräften. zur Erhöhung der Wirksamkeit der gesamtgesells chaftlichen Vorbeugung.

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