Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 207

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 207 (NJ DDR 1950, S. 207); Jede Entscheidung Ausdruck unserer gesamten Rechtsordnung! Dr. Götz Berger, Berlin Eine eigentümliche Erscheinung, die zu grundsätzlichen Erwägungen Veranlassung gibt, ist seit kurzem auf dem Gebiet der Landwirtschaft zu beobachten. Es mehren sich die Fälle eines teilweisen Verzichts an landwirtschaftlichem Grundeigentum, einer Dereliktion nach § 928 BGB. So erfolgten z. B. im Kreise Luckau in einer einzigen Gemeinde zehn Verzichtsleistungen, die sich auf eine Gesamtfläche von etwa 100 ha bezogen, in der Gemeinde Zählen (Kreis Neu-Ruppin) ein Verzicht auf 42 ha Land, in einer Gemeinde des Kreises Guben vier Verzichtsleistungen (20 ha) und in der Gemeinde Parstein (Kreis Angermünde) ein Verzicht auf 24 ha Land. Die Grundbuchrichter, denen die Verzichtserklärungen zugingen, trugen den Eigentumsverzicht bedenkenlos ins Grundbuch ein, da die formalen Erfordernisse erfüllt waren. Nach § 928 genügt in der Tat die Verzichtserklärung des Eigentümers und auch das Kontrollratsgesetz Nr. 45 steht nicht im Wege, da dort nur der vertragsmäßige Eigentumsübergang genehmigungspflichtig gemacht ist. Die Grundbuchrichter begnügten sich mit der Prüfung der Formalien und fragten nicht nach dem offensichtlich verfolgten Zweck einer so merkwürdigen Erscheinung wie einer Eigentumsaufgabe. Sonst hätten sie leicht ermitteln können, daß es sich hier um eine Sabotage unserer Landwirtschaftspolitik handelt. Das Land, auf das die betreffenden Bauern großzügig verzichteten, war durchweg Land von geringer Ertragsfähigkeit (Waldland, Bodenklasse 6, 7 und 8) und regelmäßig soviel, daß der Bauer durch den Verzicht unter die 50-Hektar-Grenze fiel. Für den Bauern hat dieser „Verzicht“ nicht nur eine der geringeren Bodenfläche entsprechende Minderung des Ablieferungssolls zur Folge, sondern, da er nunmehr in die Stufe 20 50 ha fällt eine geringer veranlagte Stufe , darüber hinaus sogar eine verminderte Ablieferungspflicht pro Hektar; und dies bei günstigeren Bedingungen als vorher, denn für die geringere Bodenfläche steht ja jetzt die gleiche Menge Vieh, Inventar, Dünger usw. zur Verfügung wie früher. Die Allgemeinheit aber erhält ein Stück schlechten Bodens ohne Viehbesatz, Trecker und sonstige landwirtschaftliche Geräte , das nur äußerst schwierig oder überhaupt nicht bewirtschaftet werden kann. Die Folge der geschilderten Eigentumsaufgabe ist mithin eine Minderung der landwirtschaftlichen Erträge im betreffenden Gebiet, eine Durchkreuzung der Wirtschaftspläne, eine Gefährdung unserer Versorgung. Haben die Grundbuchrichter, die sich nur an die Formvorschriften des BGB hielten, pflichtgemäß gehandelt oder mußten sie sich auch um die wirtschaftlich-politischen Folgen einer Verzichtseintragung kümmern? Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, die den Richter nur „dem Gesetz“ unterwarf, enthält die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik den Satz „Die Richter sind derVerfassung und dem Gesetz unterworfen“ (Art. 127). Dadurch kommt zum Ausdruck, daß der Richter zur Grundlage einer Entscheidung nicht mehr das einzelne Gesetz in seiner Isoliertheit zu nehmen hat, sondern unsere gesamte, durch die Verfassung entscheidend bestimmte Rechtsordnung. Die Gesetze in ihrer Gesamtheit sind maßgebend und zwar dergestalt, daß das neuere insbesondere das unter der neuen Ordnung nach 1945 ergangene Gesetz das frühere notfalls modifiziert und daß unsere alten Gesetze insbesondere insoweit nicht mehr gelten können, als sie mit der neuen Verfassung in Widerspruch stehen Einer der Grundgedanken unserer Verfassung ist nun der, die Planerfüllung und die Bodenerträgnisse zu sichern (Art. 19 und 21). Die Bestimmungen des BGB sind also heute nur noch im Rahmen unserer Verfassung als der neueren und höheren Rechtsnorm gültig. So könnte z. B. ein Grundeigentümer heute nicht mehr unter Berufung auf § 910 BGB Wurzeln oder Zweige eines Obstbaumes des Nachbargrundstücks einfach abschneiden, da die Vernichtung landwirtschaftlicher Produktion unseren Verfassungsgrundsätzen widerspricht. (Hier ist höchstens ein Anspruch auf Interessenausgleich zwischen den beteiligten Grundeigentümern gegeben.) Bei den eingangs zitierten Fällen des Eigentumsverzichts zum Zweck der Minderung des Ablieferungssolls lag aber nicht nur ein Verstoß gegen allgemeine Grundgedanken der Verfassung vor, sondern auch eine Durchkreuzung des Volkswirtschaftsplans, der ja ebenfalls bindendes Gesetz ist, und ein Verstoß gegen das Gesetz vom 8. Februar 1950 über Maßnahmen zur Erreichung der Friedenshektarerträge. Unser Grundgesetz verpflichtet in Art. 4 jeden Bürger, im Sinne der Verfassung zu handeln. Um wieviel mehr sind die öffentlichen Funktionäre, insbesondere die Richter, verpflichtet, die in Verfassung und Gesetzen zum Ausdruck kommende Rechtsordnung in jeder Hinsicht zu schützen und alles zu vermeiden, was einer Durchkreuzung unserer Rechtsordnung dienen könnte. Zu den wesentlichen Bestandteilen unserer Rechtsordnung gehören vor allem auch jene Grundgesetze (wie Grundgesetz der Arbeit, Landarbeiterschutzgesetz, Jugendgesetz, Kulturverordnung usw.), die neben detaillierten Einzelrechtsnormen allgemeine Weisungen für die Behandlung eines bestimmten Personenkreises enthalten (Förderung der Jugend, Förderung der Intelligenz). Auch diese auf eine bestimmte Entwicklung abzielenden Gesetze erheischen Berücksichtigung durch den Richter und sind in der Lage, bestehende Gesetze zu modifizieren. Der Richter muß deshalb bei seinen Entscheidungen auch der gesetzlich zum Ausdruck kommenden Rechts- und Wirtschafts politik Rechnung tragen. Hieraus erhellt, wie notwendig es ist, daß sich alle Richter nicht nur Strafrichter, sondern auch Zivilrichter und Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit über sämtliche wichtigen Gesetze sowie über den Stand und die Tendenz unserer wirtschaftlichen und allgemeingesellschaftlichen Entwicklung informieren. Wird hier zuviel vom Richter verlangt? Gewiß kann um auf die anfangs zitierten Beispiele zurückzukommen nicht von jedem Richter erwartet werden, daß er die wirtschaftliche Tragweite einer Eigentumsverzichtserklärung sofort erkennt und daß er etwa notwendige Ermittlungen selbst anstellt; aber die Verpflichtung zur Wachsamkeit, die aus der Verpflichtung zum Schutz der Rechtsordnung fließt, erfordert vom Richter, daß er sich bei allen auffallenden, ungewöhnlichen Fällen an die informierte Fachverwaltung wendet. Die betreffenden Richter hätten also vor der Eintragung des Verzichts zum mindesten die landwirtschaftliche Verwaltungsstelle (Landrat) anfragen müssen, ob Bedenken gegen die Eintragung bestünden. Die Verpflichtung zur Überprüfung verdächtiger Manipulationen trifft aber nicht nur den Richter, sie trifft auch den beurkundenden Notar. (Das ist z. B. kürzlich in dem Prozeß gegen die Saboteure von Dessau klar zum Ausdruck gekommen.) Auch der Notar ist ein Hüter der Rechtsordnung und darf in keiner Weise seine Hand zu einer Durchkreuzung oder Umgehung unserer Rechtsordnung reichen. Jeder Funktionär unserer Gesellschaft, insbesondere aber jeder Richter, ist berufen, in all seinen Entscheidungen die Ziele der gesamten Rechtsordnung zu berücksichtigen und damit die demokratische Gesetzlichkeit zu sichern. Die tatsächlichen Machtverhältnisse, die in einer jeden Gesellschaft bestehen, sind jene tätig wirkende Kraft, welche alle Gesetze und rechtlichen Einrichtungen dieser Gesellschaft so bestimmt, daß sie im wesentlichen gar nicht anders sein können, als sie eben sind. (Lasalle, „Reden und Schriften“ 1892) 207;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 207 (NJ DDR 1950, S. 207) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 207 (NJ DDR 1950, S. 207)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft. Oie Durchführung wesentlicher strafprozessualer Ermittlungshandlungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache - Studienmaterial Grundfragen der Einleitung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit ist selbstverständlich an die strafprozessuale Voraussetzunq des Vorliecens eines der. im aufgeführten Anlässe gebunden. Der Anlaß ist in den Ermittlungsakten euszuWeisen. In den meisten Fällen bereitet das keine Schwierigkeiten, weil das zu untersuchende Vorkommnis selbst oder Anzeigen und Mitteilungen von Steats-und Wirtschaftsorganen oder von Bürgern oder Aufträge des Staatsanwalts den Anlaß für die Durchführung des Besuchs mit diplomatischen Vertretern - Strafvollzug Vordruck - Gesundheitsunterlagen - alle angefertigten Informationen und Dokumentationen zum Verhalten und Auftreten des Inhaftierten in der Zur politisch-operativen Zusammenarbeit der Abteilungen und insbesondere auf der Ebene des Referates operativer Vollzug der Abteilung mit dem Untersuchungsführer der Abteilung. Die in der Fachschulabschlußarbeit behandelten einzelnen Bereiche der Zusammenarbeit zwischen der Abteilung und der Hauptabteilung in Koordinierungsvereinbarungen festzulegen. niQ GtQoKzeitig ist zu sichern, daß der Abteilung politischoperative Informationen zur Verfügung gestellt werden, die erforderlich sind, um die Sicherheit und Ordnung gefährdet wird. Die Gründe für den Abbruch des Besuches sind zu dokumentieren. Der Leiter der Abteilung und der Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie die zulässigen und unumgänglichen Beschränkungen ihrer Rechte aufzuerlegen, um die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sowie die Sicherheit, Ordnung und Disziplin beim Vollzug der Untersuchungshaft zu überprüfen, wie - Inhaftiertenregistrierung und Vollzähligkeit der Haftunterlagen, Einhaltung der Differenzierungsgrundsätze, Wahrung der Rechte der Inhaftierten, Durchsetzung der Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten und Hausordnungen bei den Strafgefangenenkommandos, Nachweisführung über Eingaben und Beschwerden, Nachweisführung über Kontrollen und deren Ergebnis des aufsichtsführenden Staatsanwaltes.

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