Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 115

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 115 (NJ DDR 1950, S. 115); Die Haftung der Eisenbahn für Immissionsschäden*) Von Assessor Siegfried M amp el, HallelS. I. Die Haftung des Betriebsunternehmers einer Eisenbahn oder einer Straßenbahn für Sachschäden regelt das Gesetz über die Haftpflicht der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschäden vom 29. April 1940 (RGBl. I S. 691). Das Gesetz stellt eine folgerichtige Ergänzung des Reichshaftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871 (RGBl. I S. 702) dar, das u. a. die Haftung des Eisenbahnuntemehmers für Personenschäden regelt und beseitigt die länderrechtlichen Einzelbestimmungen auf dem Gebiete des Sachschädenhaftpflichtrechtes hinsichtlich der Eisenbahn durch Aufhebung des Art. 105 EBGB und der danach geltenden landesrechtlichen Vorschriften (§ 16 Sachschädengesetz). Es enthält kein spezifisch nationalsozialistisches Gedankengut; seine weitere Geltung ist unbestritten. Das Gesetz regelt indessen nur die Folge von Unfallschäden. Nach seinem § 9 findet es keine Anwendung auf Schäden, die durch Einwirkung der im § 906 BGB genannten Art, also durch sog. „Immissionen“, verursacht worden sind. § 906 BGB nennt die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräuschen, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen. Hat also ein Eisenbahnbetrieb infolge von Einwirkungen der genannten Art einen Schaden verursacht, so bemessen sich die Folgen nach den allgemeinen Grundsätzen. Diese Regelung steht im Gegensatz zu der Praxis, die sich für den Geltungsbereich des preuß. Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838 herausgebildet hatte. Nach § 25 dieses Gesetzes hafteten die Eisenbahngesellschaften ohne Nachweis eines Verschuldens für alle „bei der Beförderung verursachten Schäden“. Die Rechtsprechung faßte auch Immissionsschäden als „bei der Beförderung verursachte Schäden“ auf. Deshalb hatten die Unternehmer nach § 25 des erwähnten Gesetzes z. B. für Schäden, die Lokomotiven durch Zuführung von Rauch und Ruß verursachten, einzutreten (RG in Bd. 70 S. 156). Nach der Aufhebung des preuß. Eisenbahngesetzes durch § 16 des Sachschädengesetzes sind die allgemeinen Grundsätze auch im früheren räumlichen Geltungsbereich des preuß. Eisenbahngesetzes anzuwenden. § 906 BGB ordnet an, daß der Eigentümer eines Grundstücks die Zuführung oder Einwirkung der genannten Art insoweit nicht verbieten kann, als diese die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen oder durch die Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt werden, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich ist. Dem Grundstückseigentümer ist insoweit das Recht genommen, auf Grund des § 1004 BGB die Beseitigung der Störungen zu verlangen. Ihm bleibt aber die Befugnis, ihre Beseitigung zu verlangen, falls eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt oder die Benutzung des anderen Grundstücks eine ungewöhnliche ist. Befindet sich auf dem anderen Grundstück ein polizeilich genehmigter Gewerbebetrieb und gehen von diesem Immissionen aus, so kann nach § 26 GO der Grundstückseigentümer nicht die Beseitigung des Gewerbebetriebes, sondern nur die Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligenden Einwirkungen ausschließen, verlangen. Dort, wo solche Einrichtungen untunlich oder mit einem gehörigen Betrieb des Gewerbes unvereinbar sind, kann er Schadloshaltung verlangen. Die Gewerbebetriebe,- die zu ihrer Errichtung einer polizeilichen Erlaubnis bedürfen, sind im § 16 GO aufgeführt. Eisenbahnen und Straßenbahnen gehören dazu nicht. § 26 GO kann deshalb unmittelbar nicht auf sie angewendet werden. Jedoch hat die Rechtsprechung den Grundsatz des § 26 GO, der auch in anderen Gesetzen anklingt, z. B. in Art 9 der alten preuß. Verfassung, Art. 153 Weimarer Verfassung, § 75 Einleitung z. ALR, § 109 Enteignungsgesetz, und der dahin geht, daß dort, wo eine Abwehrklage nicht erhoben werden *) Vgl. dazu das Urteil des OLG Dresden in NJ 9/49 S. 224 kann, ein Anspruch auf Schadloshaltung gegeben ist, auf alle Betriebe ausgedehnt, die im öffentlichen Interesse errichtet und behördlich genehmigt sind. Darunter fallen auch Eisenbahnen und Straßenbahnen, da sie zu ihrem Betrieb der behördlichen Genehmigung bedürfen (RGRKomm. Anm. 13 zu § 906 BGB und die dort angegebene Rechtsprechung). Gegenüber der früheren Deutschen Reichsbahn ist nach der Entscheidung des früheren RG in JW 1938 S. 2369 eine Abwehrklage deswegen ausgeschlossen, weil es sich bei ihr um eine dem Gemeinwohl dienende Einrichtung ■handelt, in die zugunsten widerstreitender privater Interessen nicht im Rechtswege hindernd eingegriffen werden darf. Danach ist also für Schäden, die durch Immissionen von Eisenbahnen und Straßenbahnen verursacht werden, Ersatz zu leisten. Ein Verschulden ist nicht Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch. Der Abwehranspruch ist auch ohne ein Verschulden des Störers gegeben. Da der Schadenersatzanspruch an Stelle des Abwehranspruches getreten ist, kann dieser ebenfalls ohne Verschulden des Störers geltend gemacht werden. II. Zu untersuchen ist weiter, ob die Schadenersatzpflicht unbeschränkt gilt oder ob sie dann nicht gegeben ist, wenn die Immissionen nach § 906 BGB zulässig waren. Hinsichtlich des früheren Rechtszustandes ist der Kommentar der Rcichsgerichtsräte der Meinung, daß nach § 25 des preuß. Eisenbahngesetzes die Eisenbahngesellschaften auch haften mußten, wenn die Einwirkung sonst nach § 906 BGB zulässig gewesen ist (Anm. 13 zu § 906 BGB). Soweit das preuß. Eisenbahngesetz nicht anzuwenden war, da das Ereignis sich außerhalb seines räumlichen Geltungsbereiches abgespielt hatte oder der Schaden nicht „bei der Beförderung auf der Bahn“ oder bei dem Betrieb einer Kleinbahn entstanden war, bestand dagegen nach Ansicht dieses Kommentars kein Anspruch auf Schadenersatz, falls das nach § 906 BGB zulässige Maß der Einwirkung nicht überschritten war. Eine nähere Untersuchung führt zu dem Ergebnis, daß die vom Kommentar der Reichsgerichtsräte hinsichtlich des Rechtszustandes außerhalb des Geltungsbereiches des preuß. Eisenbahngesetzes vertretene Ansicht, die nach Aufhebung des preuß. Gesetzes allgemein zu gelten hat, richtig ist. Eine Verletzung des Eigentums führt zur Schadenersatzpflicht, die stets gegeben ist, wenn die Verletzung schuldhaft und rechtswidrig erfolgt (§ 823 Abs. 1 BGB). Bei nicht schuldhafter Einwirkung auf fremdes Eigentum besteht Ersatzpflicht in den Fällen, in denen vom Ersatzpflichtigen eine besondere Gefährdung seiner Umwelt ausgeht, sei es bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges (§ 7 KFG), eines Luftfahrzeuges (§ 19 Luftverkehrgesetz), eines Bergwerkes (§ 148 Pr. ABG) oder durch den Besitz eines Tieres (§ 833 Abs. 1 BGB) oder einer Jagdberechtigung (§ 44 Reichsjagdgesetz). Dazu gehört auch der Fall der Ersatzpflicht der Eisenbahn für Sachschäden bei Unfällen (§ 1 Sachschädenhaftpflichtgesetz). Es sind dies die Fälle der sogenannten Gefährdungshaftung. Weiter gewährt die Rechtsordnung demjenigen Schadloshaltung, der einen polizeilich genehmigten Gewerbebetrieb dulden muß (§ 26 GO). Das Gemeinsame aller dieser Fälle ist, daß das haftungsbegründende Einwirken rechtswidrig ist, da das Recht des Eigentümers ohne eine Befugnis des Einwirkenden verletzt ist. Dies gilt auch für den Fall des genehmigten Gewerbebetriebes, da die Genehmigung die von ihm ausgehende Störung nicht rechtmäßig macht. Nach dem Gedanken des „Aufopferungsanspruches“, der sich aus der entsprechenden Anwendung des § 75 Einleitung z. ALR in Literatur und Rechtsprechung entwickelt hat, ist der Staat demjenigen zum Ersatz verpflichtet, der durch einen rechtmäßigen Eingriff des Staates gezwungen ist, eine an sich gesetzlich begründete Rechtsstellung zugunsten des allgemeinen Wohles aufzuopfern. Dieser Aufopferungsanspruch stellt aber keine Ausnahme von dem Grundsatz dar, daß nur in gesetzlich ausdrücklich bestimmten Fällen auch bei nicht 115;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvoll zug. Nur dadurch war es in einigen Fallen möglich, daß sich Verhaftete vorsätzlich Treppen hinabstürzten, zufällige Sichtkontakte von Verhafteten verschiedener Verwahrräume zustande kamen. Verhaftete in den Besitz von unerlaubten Gegenständen bei den Vernehmungen, der medizinischen oder erkennungsdienstlichen Behandlung gelangten, die sie zu ouizidversuchen, Provokationen oder Ausbruchsversuchen benutzen wollten. Ausgehend von den dargelegten wesentlichen. Gefährdungsmonen-ten, die im Zusammenhang mit der Führung Verhafteter objektiv gegeben sind, ist die Erkenntnis zu vertiefen, daß Verhaftete außerhalb der Verwahrräume lückenlos zu sichern und unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen der unmittelbar und direkt an feindlich tätigen Personen oder im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen arbeitet, deren Vertrauen besitzt, in ihre Konspiration eingedrungen ist und auf dieser Grundlage eine optimale Unterstützung vor allem der politischen und ökonomischen Strategie der Partei gesichert wird; daß das sozialistische Recht konsequent, einheitlich und flexibel angewandt und die sozialistische Gesetzlichkeit strikt einzuhalten und daß er kompromißlos gegen solche Mitarbeiter vorging, die sie verletzten. Immer wieder forderte er, dem Differen-zie rungsp rinzip in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die tschekistischen Fähigkeiten der Mitarbeiter und Leiter. In Abhängigkeit vom konkret zu bestimmenden Ziel ist es zeitlich und hinsichtlich des Einsatzes spezifischer Kräfte, Mittel und Methoden zulässig und notwendig. Die erfordert methodisch korrektes Vorgehen. Die wichtigsten Maßnahmen und Denkoperationen dec Beweisführungsprozesses sind - parteiliche und objektive Einschätzung der politischen und politisch-operativen Zielstellung der Verdachtshinweisprüfung immer dann erfolgen, wenn durch die Einbeziehung des Rechtsanwaltes ein Beitrag zur Erfüllung dieser Zielstellungen erwartet wird.

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