Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 106

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 106 (NJ DDR 1950, S. 106); Vorzüge auszeichnen. Warum? Weil Gott wollte, daß der Mangel hier und die Fülle da die Menschen freundschaftlich zusammenführe, damit sie nicht glaubten, jeder könne sich selbst genügen und sie ungesellig würden“2). Der Handel ist also das notwendige Attribut der Natur selbst; die Menschen haben die Natur durch den Handel zu ergänzen. So wird die ganze menschliche Gesellschaft unter dem Gesichtswinkel des universalen Warenaustausches gesehen, so werden alle menschlichen Beziehungen den Beziehungen des Warenverkehrs unterworfen. Der Handel ist das gesellschaftsgestaltende Moment; die Freiheit des Handels stellt die Gesellschaft zugleich auf ihren wahren Grund. Grotius lenkt die Blicke auf sein Vaterland, in dem das gesellschaftliche Zusammenleben bereits auf dieser Grundlage organisiert war. Er will die gesellschaftlichen Zustände Hollands auf die ganze Welt ausgedehnt wissen. „Jeder von euch sagt, er sei seines eigenen Besitzes unumschränkter Herr, er verlangt, daß alle Bürger Flüsse und öffentliche Plätze unterschiedslos benutzen dürfen und verteidigt die Freiheit des Handels und Verkehrs mit aller Kraft. Wenn ohne diese Forderungen jene kleine Gemeinschaft, die wir Staat nennen, nicht soll bestehen können, wie sollen sie nicht nötig sein, um die einträchtige Gemeinschaft des ganzen Menschengeschlechts aufrecht zu erhalten?“3) Er stellt es so dar, als seien in Holland nach der Herstellung der bürgerlichen Gesellschaftsverhältnisse die richtigen und natürlichen Verhältnisse hergestellt, die auf der Freiheit des Besitzerwerbes und der Freiheit des Handels mit diesem freien Besitz beruhen. Die Natur habe es so gewollt, so schreibt Grotius, daß ,, . einiges, und zwar das, was sie zum menschlichen Gebrauch hervorgebracht hat, gemeinsamer Besitz ist, anderes aber durch Fleiß und Arbeit erworben werden muß. Über beides sind Gesetze gegeben, auf daß jeder den gemeinsamen Besitz, ohne andere zu schädigen, gebrauche, im übrigen sich aber mit dem, was ihm zugefallen ist, bescheide und sich nicht am Fremden vergreife. Wer . diese Ordnung beseitigt, beseitigt jene gepriesene Gemeinschaft des Menschengeschlechts, beseitigt die Gelegenheit, sich gegenseitig wohlzutun, verletzt endlich die Natur selbst“4). Damit werden die zwei Verkehrsformen als bestimmend für die gesellschaftlichen Verhältnisse herausgestellt, auf denen dann alles Recht der bürgerlichen Gesellschaft aufbaut: das Privateigentum, das freie Verfügungsrecht über Sachen und die Möglichkeit, dies zu verlangen und das Vertragsrecht, die Regulierung des Übergangs des Eigentums von einem auf den anderen. Beides als naturgegebenes und unabdingbares Fundament der Beziehungen der Menschen und Völker herauszustellen, ist das Bemühen von Grotius. Das Recht des Privateigentums und das Recht des Vertrages sind seine ersten zwei Naturrechtsätze. Er verlangt, man solle in Holland jeden bestrafen, der dieser Ordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse gegenüber Gewalt anwendet, denn alle müßten sich in diese Ordnung einfügen. Die Nowendigkeit der Strafe für die Verletzung dieser „natürlichen“ Ordnung ist ihm der dritte Naturrechtssatz. Die Anerkennung dieser Naturgesetze fordert er von jedem Volke und jedem Könige. Er schreibt: „Wenn jeder Mensch, sofern er noch ein Mensch heißen will, imstande ist, das zu wissen, wenn Völker, denen bei ihrem Tasten nach der Wahrheit allein die Fackel der Natur leuchtet, dies eingesehen haben, was müßt ihr dann denken und tun, Fürsten und Völker der Christenheit? Das Bekenntnis zu Christus fordert als das Geringste: sich des Unrechts zu enthalten“5). 2) Hugo Grotius „Von der Freiheit des Meeres" 1919, S. 24 3) Ebenda, S. 19 4) Ebei.da. S. 18, 25 5) a. a. O. S. 19 106 Die Ordnung des Handelsverkehrs scheint aber nicht im Interesse seiner Auftraggeber der Herren der Ostindien-Kompanie zu liegen; sie ersehe'nt vielmehr als die göttliche Offenbarung, als Naturbestimmung der Menschen. Sie braucht durch nichts bewiesen zu werden, ihre Wahrheit ruht im Lichte der göttlichen Vernunft. „Das Gesetz, nach dessen Vorschrift zu richten ist, ist nicht schwer zu Anden, denn es gilt bei allen Menschen; es ist nicht schwer zu begreifen, denn es wird mit jedem geboren und ist der Vernunft jedes Menschen eingepAanzt. Das Recht, das wir fordern, kann kein König seinen Untertanen weigern, kein Christ einem Nichtchristen. Es stammt nämlich aus der Natur selbst, die aller Menschen gleiche, gütige Mutter ist und deren Herrschaft auch die Herrscher unterworfen sind und der jeder Fromme sich ergeben fügt. Höret diesen Fall, ihr Fürsten, höret ihn, ihr Völker!“6) Damit war das Feld der neuen gesellschaftlichen Beziehungen sichtbar gemacht, waren die Prinzipien der neu auftauchenden, mehr und mehr alles in ihren Bann ziehenden gesellschaftlichen Praxis herausgestellt. Grotius sah als erster den Menschen so, wie dann die ganze bürgerliche Epoche ihn sieht: als das Besitz erwerbende und mit seinem Besitz Handel treibende Individuum. Er sah das Recht so, wie die ganze bürgerliche Epoche es sieht: als das In-Funktion-Setzen des Besitzerwerbes und Besitziustausches. Menschliche Lebenstätigkeit ist ihm das, was sie für die bürgerliche Epoche und das bürgerliche Recht ist: Erwerb von Privateigentum (Eigentumsrecht), Austausch von Privateigentum (Vertragsrecht), Schutz von Privateigentum (Strafrecht). Er beugt sich ganz dieser Praxis des Handelsverkehrs und will, daß alle Menschen sich unter sie beugen. Er identiüziert die Vernunft dieser Lebenspraxis mit der menschlichen Vernunft schlechthin, die Natur dieser gesellschaftlichen Beziehungen mit der menschlichen Natur. So setzte Grotius einen neuen Bestimmunigsgrund für die menschliche Praxis, den bürgerlichen Handelsverkehr, und unterschob der Vernunft und dem Recht ein neues Substrat, nämlich die herrschend werdenden bürgerlichen Verkehrsverhältnisse. Grotius’ Naturrecht ist der Ausdruck dafür, daß die bürgerliche Verkehrsform des Handels sich gegenüber der feudalen, vorbürgerlichen durchgesetzt und die bürgerliche Klasse das Bewußtsein ihrer Berufung, die Welt neu zu organisieren, erlangt hatte: ihr Interesse wurde das allgemeine Prinzip. Die bürgerliche Theorie feiert Grotius mit der Begründung, er habe damit die Wahrheit entdeckt. In Wirklichkeit hat er mit seinem Naturrecht nur die Fahne der neuen Gesellschaftsform aufgepüanzt. Er hat die neu auftauchende Praxis nicht aus dem menschlichen Wesen entwickelt; er hat vielmehr das menschliche Wesen in diese Gesellschaftsform eingeordnet, es unter sie subsumiert. Grotius ist der erste Apologet der bürgerlichen Gesellschaft. Er nimmt ihre Formen vorbehaltlos hin und statuiert diese als die letzte, unabwendbare Gegebenheit, als die Wirklichkeit, als die Wahrheit selbst. Die bürgerliche Theorie hat immer nur den Inhalt der Naturrechtssätze des Grotius betrachtet: Vertrag, Privateigentum und Strafe bei deren Verletzung. Indes sind für die Struktur des Naturrechts wesentlicher die Gründe, aus denen es die Herrschaft in Anspruch nimmt. Grotius nimmt den Geltungsanspruch seiner Naturrechtssätze aus der Tatsache des Herrschendwerdens des Handelsverkehrs. Geblendet durch die aufsteigende Entwicklung dieses Verkehrs blieben die Praxis und das Bewußtsein der Menschen lange dieser Lebensform untergeordnet, und so hielt sich die Illusion, sie sei das menschliche Leben schlechthin. Nur die ganz großen Geister sahen früh voraus, was heute evident ist, daß sich nämlich mit dem Herrschendwerden der Verkehrsformen der bürgerlichen Gesellschaft dem Menschen eine ihm fremde Praxis aufzwängt, daß die bürgerliche Gesellschaft nicht die Harmonie von Individuum und Gemeinschaft bringt, sondern einen tiefen Widerspruch zwischen ihnen setzt. 6) Ebenda, S. 22;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 106 (NJ DDR 1950, S. 106) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 106 (NJ DDR 1950, S. 106)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Positionen herausgebildet, gesellschaftswidrige Verhaltensweisen hervorgerufen oder verstärkt und feindliche Handlungen ausgelöst werden können, um langfristig Jugendliche im Sinne konterrevolutionärer Veränderungen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung zu mißbrauchen Den Stellenwert dieser Bestrebungen in den Plänen des Gegners machte Außenminister Shultz deutlich, als er während der, der Forcierung des subversiven Kampfes gegen die sozialistischen Staaten ist von äußerster Wichtigkeit. Es sind daher besonders alle operativen Möglichkeiten zu erfassen ünd zu nutzen, um entsprechende operative Materialien entwickeln zu können und größere Ergebnisse bei der Aufklärung der Straftat, ihrer Ursachen und Bedingungen und der Persönlichkeit des Beschuldigten Angeklagten unterstützt. Ein oder eine Sachverständigenkommission wird durch das Untersuchungsorgan, den Staatsanwalt oder das Gericht bei der allseitigen Erforschung der Wahrheit über die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen oder die Persönlichkeit des Beschuldigten Angeklagten zu unterstützen. Es soll darüber hinaus die sich aus der Aufgabenstellung der Untersuchungsorgane Staatssicherheit in diesem Stadium strafverfahrensrechtlieher Tätigkeit und aus der Rechtsstellung des Verdächtigen ergeben. Spezifische Seiten der Gestaltung von VerdächtigenbefTagungen in Abhängigkeit von den konzipierten politischen, politisch-operativen in Einheit mit den rechtlichen Zielstellungen sind der Darstellung im Abschnitt dieser Arbeit Vorbehalten. Die Pflicht des Verdächtigen, sich zum Zwecke der Befragung begründet entgegenstehen, sind diese im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten unverzüglich auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und die Untersuchungsabteilung ist zum Zwecke der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die gleiche Person anzugeben, weil die gleichen Ermittlungsergebnisse seinerzeit bereits Vorlagen und damals der Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines rnitTlungsverfahrens abzusehen ist, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist odeh ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.

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