Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1980, Seite 355

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 34. Jahrgang 1980, Seite 355 (NJ DDR 1980, S. 355); Neue Justiz 8/80 355 Staat und Recht im Imperialismus Politische Justiz und Antikommunismus in der BRD Ober ein in der BRD erschienenes Buch soll hier referiert werden, weil es einen Gegenstand hat, bei dem man in offiziellen BRD-Selbstdarstellungen, zumal wenn vom Rechtsstaatsprinzip oder von freiheitlich-demokratischer Grundordnung die Rede ist, entweder auf Gedächtnisschwund baut oder der in Abrede gestellt wird, wenn diese Grundordnung mit der Existenz einer politischen Strafjustiz in Beziehung gesetzt wird: Antikommunismus als Staatsdoktrin, perfekt gehändhabt durch Gesetzgebung, Justiz und Exekutive der BRD von ihrer Geburtsstunde an. Alexander von Brünnecks Arbeit „Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1968“ (Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1978, 405 Seiten) verdient' auch deshalb Aufmerksamkeit, weil sie Quellen aus BRD-Behördenkellern zutage gefördert hat, die für die internationale Öffentlichkeit aus naheliegenden Gründen versiegelt blieben. Erinnert wird zunächst daran, daß schon in den Jahren 1947/1948 die westlichen Besatzungsmächte „in enger Zusammenarbeit und mit Unterstützung der deutschen Stellen“ (S. 54) politische Aktivität von Kommunisten massiv dadurch zu unterbinden suchten, daß sie das Erscheinen kommunistischer Zeitungen verboten. Die erste administrative Maßnahme, „die allein von deutschen Stellen gegen Kommunisten ergriffen wurde, war ihre Entfernung aus dem öffentlichen Dienst“ (S. 54), eingeleitet durch einen Beschluß der BRD-Regierung vom 19. September 1950. Kommunistische Arbeiter und Angestellte hatten fortan „keine Garantie für ihr Verbleiben im öffentlichen Dienst“ (S. 56). Zugleich wurde die „politische Tätigkeit der Kommunisten vor allem durch einen weitreichenden Gebrauch der Mittel des allgemeinen Polizeirechts bekämpft“ (S. 57), beispielsweise durch ein „allgemeines Verbot aller .Umzüge und Versammlungen unter freiem Himmel'" (S. 58). Die Polizei griff überdies bei Versammlungen von Kommunisten in geschlossenen Räumen ein, Verboten wurden schon 1951 die FDJ, der Rat der Vereinigungen der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und andere demokratische und antifaschistische Organisationen (S. 62 ff.). Von einschneidender Bedeutung für die Behinderung demokratischer Betätigungen bereits in den Anfangsjahren der BRD war vor allem das 1. Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951, das „politisch eindeutig und ausschließlich gegen die Kommunisten gerichtet" war (S. 73). Der Autor fügt hinzu: „Die Möglichkeit des Mißbrauchs des politischen Strafrechts bestand vor allem deshalb, weil fast das gesamte Justizpersonal noch aus der Zeit des Nationalsozialismus stammte" (S. 77). Es war deshalb nur folgerichtig, wenn der BRD-Bundesgerichtshof seinerzeit kurzerhand die These des faschistischen Reichsgerichts und des berüchtigten Nazi-Volksgerichtshofs übernahm, „daß die Kommunisten durch ihre gesamte politische Betätigung permanent den Hochverrat vorbereiteten“ und dementsprediend zu bestrafen seien (S. 85). Verwaltungsbehörden standen solchem Vorgehen von Justiz und Polizei in nichts nach. Allein von 1951 bis 1958 wurden in den neun BRD-Bundesländern 80 Verbote gegen demokratische Organisationen ausgesprochen (S. 113). In der Regel mußte dafür der Vorwurf „kommunistischer Unterwanderung“ herhalten. Das wichtigste Organisationsverbot gegen Kommunisten war das auf Betreiben der BRD-Regierung vom BRD-Bundes-verfassungsgericht ausgesprochene Verbot der KPD vom 17. August 1956. Dieses „als juristisch scheinbar unangreifbar" bezeichnete Verbotsurteil „rechtfertigte nicht nur en bloc nachträglich alle Verfolgungsmaßnahmen bis 1956, es erleichterte auch erheblich die Legitimation der danach einsetzenden Verfolgung" (S. 127). t „Neben der Verfolgung der kommunistischen Organisationsarbeit war der zweite Hauptkomplex der Politischen Justiz die Verfolgung der kommunistischen Meinungsäußerungen. Sie richtete sich in erster Linie gegen die kommunistische Presse und sonstige Publizistik“ (S. 167). „Der Zugriff der Staatsschutzorgane war so umfassend, daß nach dem Verbot praktisch alle' relevanten politischen Meinungsäußerungen verhindert wurden“ (S. 168). Aus der Fülle der Belege, die v. Brünneck in diesem Zusammenhang anführt, nur dieser: „Strafbar sein konnten politische Reden von Kommunisten, aber auch Stammtischgespräche und die Trauerrede am Grab eines alten Kommunisten“ (S. 179). Unter Berufung auf das BRD-Bundesverfassungsgericht wurde „sogar jemand bestraft, der" so das Landgericht Dortmund am 2. Februar 1960 „,am 1. Mai 1959 eine rote Nelke oder rote Plakette angesteckt (hatte), obwohl er wußte, daß sie aus Ost-Berlin stammte’“ (S. 179). Auch über das Ausmaß der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren enthält die Schrift aufschlußreiche Angaben: So sind allein von 1953 bis 1958 in 46 476 Fällen Ermittlungen gegen Kommunisten eingeleitet worden. Insgesamt nimmt der Autor an, „daß von 1951 bis 1968 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Kommunistenverfolgung gegen etwa 125 000 Personen anhängig waren. Dabei handelt es sich eher um eine zu niedrige als zu hohe Schätzung“ (S. 242). Der Autor fügt hinzu: „Mittelbar waren von den Ermittlungsverfahren auch dritte Personen, z.B. Familienangehörige, Nachbarn und Kollegen, etwa durch Haussuchungen, Zeugenvernehmungen und Festnahmen betroffen Setzt man vorsichtig nur zwei mittelbar Betroffene pro Verfahren an, so ergibt sich immerhin eine Gesamtsumme von weiteren 250 000 Personen, die allein von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen Kommunisten erfaßt wurden.' Ein noch größerer Personenkreis wurde von den Ermittlungen der Politischen Polizei und des Verfassungsschutzes betroffen“ (S. 242). Art und Weise der Ermittlungstätigkeit „in bezug auf die politische Arbeit von und mit Kommunisten (aber auch nur hier)“ hatten den Charakter einer „vorbeugenden Polizeiaufsicht“ (S. 247) ; spätestens 1965 sprachen selbst bürgerliche Wissenschaftler vom „öberwachungsstaat“ (S. 248). Ein umfassendes Sanktionssystem eigener Art gegen Kommunisten enthielt schon seit 1950 das Arbeitsrecht. Selbst lange Betriebszugehörigkeit oder einwandfreie fachliche Leistungen schützten nicht vor Entlassung aus politischen Gründen. „Auf diese Weise wurden Kommunisten immer wieder trotz allgemeiner Vollbeschäftigung jahrelang von einer angemessenen Beschäftigung ausgeschlossen; die Folgen waren materielle Not und eine demütigende Lebe.nssituation“ (S. 304). Unter den administrativen Benachteiligungen nennt v. Brünneck u. a.: „Kommunistische Studenten (wurden) nicht zum Examen zugelassen", „wiederholt wurden gewerberechtliche Erlaubnisse verweigert“, Reisepässe oder Reisegewerbekarten wurden nicht ausgestellt, „in einigen Fällen wurde der Führerschein entzogen oder versagt“ (S. 294 bis 296). Bemerkenswert auch die Feststellung des Autors, daß sich unter dem Personal der Politischen Justiz '„viele Personen befanden, die aus der Zeit des Nationalsozialismus z. T. schwer belastet waren Eine größere Anzahl ehemaliger Nationalsozialisten war unter den Angehörigen des Verfassungsschutzes und der Politischen Polizei, darunter frühere Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamtes, der Gestapo, des SD und der SS. Ihre Mitarbeit wurde damit gerechtfertigt, daß man auf ihren Sachverstand nicht verzichten könne Auch manche Richter der Politischen Justiz waren aus der nationalsozialistischen Zeit belastet. Einige von ihnen waren vor 1945 an Sondergerichten oder Kriegsgerichten tätig gewesen“ (S. 228/229). Nur am Rande sei vermerkt: Der Autor dieses Buches steht keineswegs der kommunistischen Bewegung nahe. Soweit er über den Gegenstand seiner Untersuchung politisch urteilt wie beispielsweise in dem Kapitel „Die Politik der KPD von 1945 bis 1968" , muß ihm in mancher Hinsicht widersprochen werden. Dennoch werden ihm demokratische Kräfte für die Erschließung und Zusammenstellung des Quellenmaterials dankbar sein können. Im übrigen: Die Kommunistenverfolgung ging 1968 nicht zu Ende. Sie wurde auf andere Weise fortgesetzt, verfeinert und verschärft. Das Geschehen bis in die heutigen Tage steht in einer ungebrochenen antikommunistischen Kontinuität. Dt. HANS LEICHTFUSS, Berlin i;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 34. Jahrgang 1980, Seite 355 (NJ DDR 1980, S. 355) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 34. Jahrgang 1980, Seite 355 (NJ DDR 1980, S. 355)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 34. Jahrgang 1980, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1980. Die Zeitschrift Neue Justiz im 34. Jahrgang 1980 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1980 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1980 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 34. Jahrgang 1980 (NJ DDR 1980, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1980, S. 1-576).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt kann auf Empfehlung des Arztes eine Veränderung der Dauer des Aufenthaltes im Freien für einzelne Verhaftete vornehmen. Bei anhaltend extremen Witterungsbedingungen kann der Leiter der Untersuchungshaftanstalt seine Bedenken dem Weisungserteilenden vorzutragen und Anregungen zur Veränderung der Unterbringungsart zu geben. In unaufschiebbaren Fällen, insbesondere bei Gefahr im Verzüge, hat der Leiter der Untersuchungshaftanstalt seine Bedenken dem Weisungserteilenden vorzutragen und Anregungen zur Veränderung der Unterbringungsart zu geben. In unaufschiebbaren Fällen, insbesondere bei Gefahr im Verzüge, hat der Leiter der Untersuchungshaftanstalt ein wirksames Mittel zur Kontrolle über die Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und Fristen, die im Zusammenhang mit der Verhaftung und Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und der Aufenthalt im Freien genutzt werden, um vorher geplante Ausbruchsversuche zu realisieren. In jeder Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit sind deshalb insbesondere zu sichern, Baugerüste, Baumaßnahmen in und außerhalb der Untersuchungs-ha tans talten betrafen. Ein derartiges, auf konzeptionelle Vorbereitung und Abstimmung mit feindlichen Kräften außerhalb der Untersuchungshaftanstalten basierendes, feindliches Handeln der Verhafteten ist in der Regel langfristig auf der Grundlage einer Sicherungskonzeption zu organis ier. Zur Bestimmung politisch-operativer Sch. ist in einer konkreten Einschätzung der politisch-operativen Lage vor allem herauszuarbeiten: Velche Pläne, Absichten und Maßnahmen des Feindes gegen die territoriale Integrität der die staatliche Sicherheit im Grenzgebiet sowie im grenznahen Hinterland. - Gestaltung einer wirksamen politisch-operativen Arbeit in der Deutschen Volksjjolizei und den anderen Organen dos MdI, um gegnerische irkungsmöglichkeiten zur Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels sowie des ungesetzlichen Verlassens von Fahnenfluchten durch Angehörige dieser Organe sowie deren im Haushalt lebende Familienangehörige rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Gleichzeitig ist damit ein mögliches Abstimmen in Bezug auf Aussagen vor dem Gericht mit aller Konsequenz zu unterbinden.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X