Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1980, Seite 174

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 34. Jahrgang 1980, Seite 174 (NJ DDR 1980, S. 174); 174 Neue Justiz 4/80 Rechtssicherheit richtete, sondern gegen die Sicherung des Zusammenlebens der Menschheit schlechthin. Dies zwingt weiterhin zu der Folgerung, daß Verfolgung und Bestrafung der nazistischen Verbrechen nicht allein als Sanktion auf einen individuellen Tatvorgang anzusehen sind, die im Rahmen der konventionellen Strafrechtssphäre ihre Wirkung in den Prinzipien der Abschreckung, Sicherung, Besserung oder Vergeltung findet, daß die Verfolgung und Bestrafung dieser Verbrechen keineswegs ein Akt der Rache ist, die der eine Teil der Bevölkerung an dem anderen Teil nimmt. Die entscheidende, prinzipielle Bedeutung der Strafverfolgung der nazistischen Systemverbrechen liegt vielmehr darin, daß sie einen Teil der Beseitigung des Nazismus aus dem deutschen Lebensgefüge darstellt, dem ideellen Lebensgefüge wie dem materiellen. Insofern ist diese Strafverfolgung eine nationale Notwendigkeit. Daraus folgt wiederum, daß die Strafverfolgung der Nazisystem-Delikte keineswegs allein auf der in § 152 Abs. 2 StPO der BRD festgelegten, das sog. Legalitätsprinzip verwirklichenden Verpflichtung der Staatsanwaltschaft beruht, wegen „aller gerichtlich strafbaren und verfolgbaren Handlungen“ einzuschreiten. Die Verfolgung und Aburteilung nazistischer Systemverbrecher ist vielmehr darüber hinaus eine Verpflichtung, die den beiden deutschen Staaten und dementsprechend ihren Justizorganen durch das geltende Völkerrecht auferlegt ist. Ich verweise dazu auf das Potsdamer Abkommen, das unbestreitbar die verbindliche völkerrechtliche Grundlage für jede selbständige deutsche Staatlichkeit nach der Zerschlagung des Nazisystems ist. Die in diesem Abkommen enthaltenen Grundsätze und Verpflichtungen sind völkerrechtliche Gebote, die für jede deutsche Staatsgewalt verbindlich sind. Die Erfüllung dieser Gebote muß demzufolge heute als Kriterium für die völkerrechtliche Legalität jeder deutschen Staatsgewalt angesehen werden. In Abschn. III A 5 dieses Abkommens ist ausdrücklich festgelegt, daß „Kriegsverbrecher und alle diejenigen, die an der Planung oder Verwirklichung nazistischer Maßnahmen, die Greuel oder Kriegsverbrechen nach sich zogen oder als Ergebnis hatten, teilgenommen haben, zu verhaften und dem Gericht zu übergeben (sind)“. Damit ist verbindlich festgelegt, daß die keiner Verjährung oder sonstigen sachlichen oder zeitlichen Einschränkung unterliegende Verfolgung und Aburteilung nazistischer Systemverbrecher als eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die Überwindung des Nazismus ein wesentlicher und notwendiger Bestandteil der Ausübung jeder völkerrechtlich legitimen deutschen Staatsgewalt sein muß. Gemäß Art. 25 des Grundgesetzes der BRD ist diese Statuierung des Potsdamer Abkommens als eine allgemeine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts. Über die normenmäßige Bedeutung des Art. 25 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Diese Bestimmung bewirkt, daß diese Regeln ohne ein Transformationsgesetz, also unmittelbar, Eingang in die deutsche Rechtsordnung finden und dem deutschen innerstaatlichen Recht im Range Vorgehen. Diese Rechtssätze brechen insoweit jede Norm aus deutscher Rechtsquelle, die hinter ihnen zurückbleibt oder ihnen widerspricht“ (BVerfGE Bd.6 S. 363). Dieser Erläuterung des Verfassungstextes durch die dafür kompetente Institution ist nichts hinzuzufügen. Sie besagt zweifelsfrei, daß es sich bei den allgemeinen Regeln des Völkerrechts und damit auch bei der erwähnten Bestimmung des Potsdamer Abkofnmens um Rechtsnormen handelt, die für die Justiz der Bundesrepublik verbindlich sind und dementsprechend die Grundlage auch für dieses Verfahren bilden, wobei zunächst dahingestellt bleiben kann, welche konstitutive Bedeutung diese Tatsache für die strafrechtliche Bewertung der Handlungsweise der Angeklagten hat, unbeschadet, daß sie ihrem Unrechtsgehalt eine besondere Gewichtigkeit verleiht. Allein diese Gewichtigkeit sollte es verbieten, in diesem Verfahren auf Scheinargumente einzugehen, die, wie das „tu quoque“ (die anderen haben genauso gehandelt) oder die Handlungsweise der Nazisystem-Verbrecher beruhe auf patriotischen, ja nationalen Motiven oder gar wie in diesem Verfahren geschehen die verflossene Zeit gebiete „Verständigung“, zu der die Angeklagten bereit seien, um Verständnis für die Begehung der Nazi-Verbrechen als Vorstufe für ihre Rechtfertigung werben. Soll es kein Lippenbekenntnis sein, daß man in der Bundesrepublik nicht gewillt ist, mit den Mördern des Nazisystems zusammenzuleben, dann muß den Handlangern dieses Systems spätestens in der und durch die Hauptverhandlung die Erkenntnis vermittelt werden, daß sie durch die Begehung der ihnen angelasteten Delikte jedes Recht auf eine gleichberechtigte Existenz innerhalb der nationalen Gemeinschaft verloren haben. Dem entspricht auch die allerdings in sehr früher Zeit am 29. Januar 1952 getroffene Feststellung des Bundesgerichtshofs, daß die Auffassung unrichtig sei, die Handlanger des Nazisystems hätten alles als rechtmäßig ansehen dürfen, was der damalige Staat auf politischem Gebiet unternommen oder geschehen lassen habe. Wörtlich sagt der Bundesgerichtshof hierzu: „Die Freiheit eines Staates, für seinen Bereich darüber zu bestimmen, was Recht und was Unrecht sein soll, mag noch so weit bemessen werden, sie ist doch nicht unbeschränkt. Im Bewußtsein aller zivilisierten Völker besteht bei allen Unterschieden, die die nationalen Rechtsordnungen im einzelnen aufweisen, ein gewisser Kernbereich des Rechts, der nach allgemeiner Rechtsüberzeugung von keinem Gesetz und keiner anderen obrigkeitlichen Maßnahme verletzt werden darf. Er umfaßt bestimmte, als unantastbar angesehene Grundsätze des menschlichen Verhaltens, die sich bei allen Kulturvölkern auf dem Boden übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der Zeit herausgebildet haben und die als rechtlich verbindlich gelten, gleichgültig, ob einzelne Vorschriften nationaler Rechtsordnungen es zu gestatten scheinen, sie zu mißachten“ (BGHSt Bd. 2 S. 234). Es handelt sich hier um eine für alle Instanzgerichte der Bundesrepublik verbindliche höchstrichterliche Feststellung, die im übrigen gerade auf die Verhaltensweise der Gestapo bzw. des SD und ihrer Zugehörigen abgestellt ist, denen in dieser Entscheidung ausdrücklich attestiert wird, daß keine noch so geartete Verordnung oder Anweisung ein Freibrief dafür ist, jenen Kernbereich des Rechts zu verletzen, den nach dem Rechtsbewußtsein der Allgemeinheit kein Gesetz und kein obrigkeitlicher Akt antasten darf. Um es zusammenzufassen: Jedes justizförmige Verfahren zur strafrechtlichen Bewertung einer Handlung, der auf Veranlassung der Terror-Institutionen des Nazisystems bzw. mit ihrer Billigung menschliches Leben zum Opfer gefallen ist, muß von der grundsätzlichen Erkenntnis getragen werden, 1. daß sich der deliktische Angriff der inkriminierten Handlungsweise gegen die Sicherung des Zusammenlebens der Menschheit schlechthin richtet und daß insofern die Strafverfolgungspflicht nicht nur auf dem nationalen Legitimitätsprinzip, sondern auf völkerrechtlicher Verbindlichkeit beruht, 2. daß dementsprechend innerhalb der strafrechtlichen Bewertung der inkriminierten Handlungsweise kein Raum für justizfremde Argumente, wie das des „tu quoque“ oder der patriotischen Motivierung des Täters, besteht, 3. daß die Form der Verhandlungsführung verdeutlicht: die Begehung eines Nazisystem-Verbrechens hat den Verlust des Rechts auf eine gleichberechtigte Existenz innerhalb der nationalen Gemeinschaft zur Folge, 4. daß keine Normierung des Nazisystems, gleich welcher Art, Einfluß auf die Rechtswidrigkeit der inkriminierten Handlung haben kann. Zum angeblichen Hindernis der Strafverfolgung auf Grund des sog. Überleitungsvertrags (Im folgenden befaßte sich Prof. Dr. Kaul mit dem Argument der Verteidigung, der Strafverfolgung in der BRD stünde die Tatsache entgegen, daß die Angeklagten bereits Anfang der 50er Jahre wegen der in Frankreich begangenen Verbrechen von einem französischen Militärgericht in Abwesenheit verurteilt worden waren.) Der zwischen den Westalliierten und der BRD 1952 abgeschlossene und 1955 in Kraft getretene sog. Überleitungsvertrag hob den bis dahin bestehenden weitgehenden Ausschluß der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik hinsichtlich der Verfolgung von Straftaten auf. Der Überleitungsvertrag ließ insbesondere in seinem Art. 3 Abs. 3 Buchst, b nunmehr die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 34. Jahrgang 1980, Seite 174 (NJ DDR 1980, S. 174) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 34. Jahrgang 1980, Seite 174 (NJ DDR 1980, S. 174)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 34. Jahrgang 1980, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1980. Die Zeitschrift Neue Justiz im 34. Jahrgang 1980 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1980 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1980 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 34. Jahrgang 1980 (NJ DDR 1980, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1980, S. 1-576).

Durch den Leiter der Abteilung Staatssicherheit Berlin ist zu sichern, daß über Strafgefangene, derefr Freiheitsstrafe in den Abteilungen vollzogen wird, ein üenFb ser und aktueller Nachweis geführt wird. Der Leiter der Abteilung ist gegenüber dem medizinischen Personal zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Umgang mit den Inhaftierten weisungsberechtigt. Nährend der medizinischen Betreuung sind die Inhaftierten zusätzlich durch Angehörige der Abteilung zu überwachen ist. Die Organisierung und Durchführung von Besuchen aufgenommener Ausländer durch Diplomaten obliegt dem Leiter der Abteilung der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung Durchführung der Besuche Wird dem Staatsanwalt dem Gericht keine andere Weisung erteilt, ist es Verhafteten gestattet, grundsätzlich monatlich einmal für die Dauer von Minuten den Besuch einer Person des unter Ziffer und aufgeführten Personenkreises zu empfangen. Die Leiter der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung und der Leiter der Abteilung entgegen. Er informiert den zuständigen Leiter der Untersuchungsabteilung über die Weisungen. Durchgeführte Überprüfungen der Untersuchungshaftanstalten und erteilte Weisungen des aufsichtsführenden Bezirksstaatsanwaltes sind protokollarisch zu erfassen und der Abteilung Staatssicherheit zuzusenden Weisungen der am Strafverfahren beteiligten Organe in Bezug auf die Durchsetzung des Untersuchungshaftvollzuges sind umgehend durchzusetzen, wenn sie nicht gegen die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik Strafprozeßordnung Neufassung sowie des Strafrechtsänderungsgesetzes. Strafgesetzbuch der und Strafrechtsänderungsgesetz Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß. Untersuchungshaftvollzugsordnung -. Ifläh sbafij.ng ; Änderung vom Äderung. Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten - interne Weisung Staatssicherheit - Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung insbesondere im Zusammenhang mit der Übergabe Zugeführter; das kameradschaftliche Zusammenwirken mit Staatsanwalt und Gericht bei der raschen Verwirklichung getroffener Entscheidungen über die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen des dringenden Verdachtes von Straftaten, die sich gegen die staatliche Entscheidung zu richteten unter Bezugnahme auf dieselbe begangen wurden.

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