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the untouchable painting
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arthur schmidt bringt farbe auf seinen bildgrund, kontrastiert, verbindet, schafft tiefe. wie viele seiner zeitgenossen erzeugt arthur schmidt abstrakte farbkompositionen. und doch, nichts haben seine arbeiten mit herkömmlicher malerei gemein, auch wenn in texten zu seinen ausstellungen immer wieder an die kunstentwicklung der 50er jahre erinnert wird. tachismus, informel oder abstrakter expressionismus sind dann die gängig zitierten ismen. zu recht, denn der maler knüpft ganz bewußt an eine tradition an, die der körperlichkeit des malvorganges, das entdecken unbewußten schöpfungspotentials zum sinn und zweck ihres seins machte. doch wo jackson pollock mit ausladender geste, schneller körperbewegung über die leinwand tanzend seine farbe aufträufelte, arbeitet arthur schmidt an hochkomplexen rechnersystemen und führt seinen sensiblen stift über tabletts. die bilder von arthur schmidt entstehen nicht auf der leinwand, noch entstehen sie überhaupt materiell, bevor sie in aufwendigen verfahren dem immateriellen, digitalen speichermedium entnommen und vergegenständlicht, greifbar, für den betrachter erlebbar werden.in der ersten hälfte unseres jahrhunderts hatten die surrealisten eine "peinture automatique" gefordert und die prinzipien dieser auf das schöpferische potential des unbewußten abgezielten vorgehensweise auch für die malerei postuliert. kein abbild der wirklichkeit, sondern die vorstellung der inneren wahrheiten stand auf dem revolutionären programm, wobei die zwänge, beschränkungen und einengungen des bewußtseins und somit der gesellschaftsordnung ausgeschaltet werden sollten. heute sind wir - und auch arthur schmidt - weiter denn je von diesen prämissen entfernt, und eine "automatische" malerei, besonders eine mit maschinen erstellte malerei kann nicht die in die psychologie begründeten wege der erkundung des schöpferisch unbewußten gehen. wenn wir heute das schöpferische potential vollends erkunden wollen, das zu unserer zeit zur verfügung steht, muß auch die an künstliche intelligenz grenzende apparatur mit einbezogen werden, die sich wissenschaftler, ingeneure und besonders künstler zunutze machen können. war die forderung der surrealisten auf das schöpferische potential des menschen beschränkt, so muß sie heute erweitert werden. genau dies tut arthur schmidt, indem er sich hochkomplexer apparaturen, systeme und spezialisten bedient, anstelle sich auf vorgegebene programmschemata zu beschränken. und er tut dies, indem er an die tradition der abstraktion anknüpft, von der wir in den zurückliegenden jahrzehnten gelernt haben, sie als einen wert an sich, als kriterium und maß in der kunst zu begreifen. nach diesen maßstäben können und müssen wir auch die digitalen bildkompositionen von arthur schmidt betrachten.was an seinen bildern sofort auffällt, ist die ungeheure tiefenschärfe, die der künstler in seinen kompositionen erzeugt. hochmoderne aufwendige technik ermöglicht eine fast irritierend klare dritte bilddimension, die unseren sehgewohnheiten, auch denen der abstrakten kunst, zuwiderläuft. arthur schmidts bilder bauen sich in schichten auf, die überlagert werden, ohne jedoch die zugrunde liegenden tieferen völlig zu verdecken.dichte farbebenen entstehen, die bei gleichbleibendem fokus nach hinten gedrängt werden. hat die herkömmliche perspektive in der gegenständlichen darstellung einen verlust an detail und klarheit zur folge, so ignoriert arthur schmidt in seinen arbeiten die seit jahrhunderten als gesetzmäßig geltende, der natur des menschlichen auges angepaßte wahrnehmungsform ganz bewußt. und spätestens in dem augenblick, wo der betrachter sich der enormen tiefenschärfe und der ungewöhnlichen brillanz der farben gewahr wird, weiß er, daß er es nicht mit einem herkömmlichen gemalten und schnöde abfotografierten bild zu tun haben kann, besonders wenn er Ÿberformaten von 180x300cm gegenübersteht, sondern mit einer neuen malerei, die nicht mit pinsel, palette und leinwand entstanden ist, sondern die mutig das uns zur verfügung stehende potential auslotet. nicht alles, was technisch machbar ist, muß schon allein deshalb gut sein. kein glaube an die technik zwingt sich hier auf, sondern die freude, mit farben umgehen zu können, malgesten, kontraste und dukti entstehen zu lassen, für die wir heute noch keine adäquate sprache gefunden haben. noch schauen wir mit den augen aus der zeit der staffelmalerei, beschreiben mit termini aus dem pinselrepertoir der beaux tradition und nähern uns nur langsam jenen breitflächigen "pinselstrichen", nervös fahrigen graffitihaft gesprühten linien, die tiefe stimmungen ausdrücken und hervorrufen, ohne in monotone farbatmosphären zu verfallen. anders als etwa in der farbfeldmalerei der 60er und 70er jahre strebt der künstler nicht nach einer dominierenden farbharmonie: ihm geht es vielmehr um einen farbkosmos, der mit hochtechnologischen mitteln erstellt, den betrachter in eine welt eintauchen läßt, die so vielschichtig ist, wie die bilder selbst.digital abgespeicherte informationen sind zunächst neutral und ohne rechnereinsatz für den menschen weder wahrnehmbar noch dekorierbar. digitale zeichenfolgen lassen verschiedene umsetzungen zu und können entsprechend als bild sichtbar oder als klang hörbar gemacht werden. das digitale computersystem verwirklicht auf diese weise einen traum und läßt eine identische umsetzung derselben information in exakter entsprechung von bildern und klängen zu. diese Ÿberwindung der grenzen zwischen auditiven und visuellem medium, einem leitmotiv in der malerei des 20. jahrhunderts, wie nicht zuletzt die stuttgarter ausstellung "vom klang der bilder" 1985 deutlich machte, führt hin zu neuen möglichkeiten des ausdrucks und des anspruchs der kunst und abstraktion. genau diese möglichkeiten hat arthur schmidt in seinen neuesten installationen genutzt und gekonnt umgesetzt. er fing an, indem er dem betrachter seine bilderwelt interaktiv zugänglich machte, ihn also in den schaffensprozeß einbezog, ihn aktiv teilhaben ließ. durch berühren der oberfläche eines monitors kann jedermann mit dem medium umgehen und selbst innerhalb der vom künstler vorgegebenen grenzen bilder erzeugen, die wiederum in elektronischen klängen ihre entsprechung finden. in der letzten großen, raumgreifenden installation trat der betrachter mit seinem ganzen körper in arthur schmidts bild- und klangwelt ein; bewegungen, die aufgezeichnet und zeitgleich berechnet wurden, gaben vor, welche farb- und klangstruckturen mittels einer rückkoppelung zwischen mensch und computer zu sehen und zu hören waren. damit ist der künstler weit über die grenzen dessen getreten, was auch in der elektronischen welt der kunst bekannt und erprobt ist. hier erhielt ausdruckstanz eine gänzlich neue bedeutung, wurden doch die wie auch immer gearteten bewegungen in bilder und klänge umgesetzt, zu denen der längst nicht mehr inaktive "betrachter" sich wiederum bewegte.arthur schmidt möchte, so schrieb er über diese interaktive installation, daß der betrachter mit den audiovisuellen elementen in direkte beziehung tritt und durch seine eigene körpersprache beeinflußt. an diesem punkt wird deutlich, in welche richtung arthur schmidt mit seinem schaffen strebt: es geht ihm nicht darum, herkömmliche bilder mittels aufwendiger technik zu malen und so zu ähnlichen ergebnissen zu kommen, wie sie die tradierte kunst hervorgebracht hat. arthur schmidt schöpft vielmehr das künstlerische potential hochmoderner technik und das ( bewußte oder unbewußte ) künstlerische potential des menschen auf geniale art aus, führt beide zusammen und die zeugen dieses neuen prozesses zu völlig neuen erkenntnissen, betrachtungsweisen und erfahrungen. die eingangs erwähnten ismen der kunst dienen ihm hier als anknüpfungspunkt, als vehikel in einer entwicklung, die weit über das hinausgeht, was von den surrealisten als "peinture automatique" gefordert wurde. arthur schmidt schafft mehr als eine wie auch immer postulierte "automatische" malerei je erkunden könnte: er fügt menschen und maschinen, bewegung und farbe, bilder und klänge zu einem in sich geschlossenem kunstsystem, in dem der mensch und dessen schöpferisches potential im mittelpunkt steht und frei agiert. damit macht uns arthur schmidt ein großes geschenk, lernen wir doch mittels seiner rein abstrakten mal- und klangwelt uns tiefer zu erkunden, als wir allein dazu in der lage wären. und das in einer bildwelt, die unabhängig von aller technischen raffinesse vollauf ihren eigenen ansprüchen gerecht wird und allein für sich betrachtet bestand hat. christian saabisch 1993
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