Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1785

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1785 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1785); Und wer garantiert uns, meine Damen und Herren, daß diese Menschen ihren Auftrag nicht weiter fortgeführt haben, den sie eigentlich alle mit unterstützt haben? Ich meine damit: Diese Menschen haben das erste freie Parlament dieses Landes in so einen Ruf gebracht, sie haben so unverantwortlich gehandelt, ja, ich meine, sie können eigentlich überhaupt nicht verantwortlich gehandelt haben, sie können nur skrupellos gehandelt haben, daß sie sich hier haben aufstellen lassen. Und ich möchte doch alle hier im Saal fragen, die noch vorhanden sind, die 144 Abgeordneten, die in den Bundestag ziehen, sie bekommen quasi den Persilschein, daß sie überprüft worden sind und nicht für die Stasi gearbeitet haben. Meine Damen und Herren! Die restlichen 256 Abgeordneten dieses Hauses haben alle den Makel, daß sie eventuell doch für den Stasi gearbeitet haben. (Beifall) Und ich wäre froh und zufrieden, wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, die 256 Abgeordneten vor Anfeindungen und Angriffen und Verleumdungen zu schützen als die, diejenigen, die wirklich für diese Stasi - in der Rubrik der Empfehlung des Untersuchungsausschusses für die Niederlegung des Mandates -gearbeitet haben, öffentlich zu benennen. Ich sehe keine andere Möglichkeit, die restlichen Abgeordneten vor Anfeindungen und Verleumdungen zu sichern. ■4ch kann mir dieses Rechtsverhältnis oder Rechtsverständnis überhaupt nicht vorstellen, daß Täter mehr geschützt werden als Opfer oder Unschuldige, und das sieht doch im Moment so aus, daß wir sagen wollen, diejenigen, die die sogenannten Betroffenen sind, können wir nicht öffentlich nennen, damit sie keinen Anfeindungen ausgesetzt sind, aber die restlichen 256 Abgeordneten, die können wir ruhig den Anfeindungen aussetzen. Das kann doch nicht richtig sein, und aus diesem Grunde empfehle ich also, daß wir, und ich bitte, das auch zur Abstimmung zu bringen, Herr Präsident, so verfahren, daß das nicht erst in den Ausschuß geht; denn wir haben nur noch eine einzige Sondersitzung, und für diese Sondersitzung muß etwas vorbereitet werden. Deshalb stelle ich den Antrag, daß heute und hier abgestimmt wird, ob dem Antrag zugestimmt werden soll. Danke schön. (Vereinzelt Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: t)as wäre also dann ein Votum gewesen gegen den Überweisungsvorschlag des Präsidiums, wenn Sie es nicht überweisen wollen. Wenn nämlich der Vorschlag nicht angenommen wird, wird es hier entschieden. Bitte schön, der Abgeordnete Gysi. Dr. Gysi (PDS): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich relativ kurz fassen. Ich kann wesentlichen Argumenten des Abgeordneten Poppe hier zustimmen. Das Problem, auf das ich zusätzlich hinweisen will, und dafür scheinen mir gegenwärtig die Voraussetzungen nicht gegeben, was Sie auch ansprachen, daß jeder seine individuelle Vita erklärt und dazu auch steht und lernt, damit umzugehen, und daß auch die anderen lernen, mit seiner umzugehen, das setzt eine bestimmte Atmosphäre voraus, und hier, glaube ich, haben wir in dem Haus, aber vor allen Dingen auch draußen, vieles versäumt, um das atmosphärisch zu ermöglichen, und deshalb befinden sich viele von uns in so einer Zwietracht bei der Frage: Namen ja oder nein. Dringend scheint mir, aber das scheint ja jetzt wirklich voranzugehen, daß der Ausschuß seine Arbeit abschließt und daß er dann zumindest erst mal klar sagt, um wieviel es sich eigentlich handelt, bei denen dringend empfohlen wird oder empfohlen worden ist, daß sie ihr Mandat niederlegen. Und da ist die Frage der Namen eine weitergehende Frage, die der Klärung bedarf. Ich meine doch, man sollte es noch einmal beraten, einfach deshalb, weil man die Auswirkungen sich überlegen muß und sich auch Klarheit darüber verschaffen muß, ob das atmosphärisch möglich ist. Hier haben wir selber einen Beitrag dazu geleistet, das zu erschweren. Andererseits sage ich auch mit aller Deutlichkeit, daß die Tatsache, daß das vom März bis jetzt gedauert hat, unverantwortlich ist, und insofern tragen wir selbst auch Verantwortung dafür, daß wir in diesen Ruf hier geraten sind. (Beifall) Das muß man ebenso deutlich sagen, und ich verstehe auch das Schutzinteresse der Abgeordneten, die nicht nach Bonn gehen. Das ist auch eine ernst zu nehmende Frage. Ich würde schon darum bitten, daß man das alles noch einmal abwägt; denn wir müssen ja zu den Konsequenzen, die wir damit einleiten, dann auch stehen. Also ich bin dafür, so schnell wie möglich abzuschließen, so schnell wie möglich die Zahlen bekanntzugeben, die Konsequenzen daraus hier in der Volkskammer zu ziehen. Ich bitte aber darum, daß wir selber auch mal einen Beitrag leisten, daß eine Atmosphäre entsteht, die es dem Einzelnen möglich macht, zu seiner Geschichte, wie sie auch immer aussah, und die er sicherlich auch unterschiedlich sieht und wo es sicherlich Verdrängungen und vieles anderes gibt, was man nicht zulassen sollte, zu stehen. Das müssen wir lernen, auch im Umgang miteinander, und ich glaube, da müssen wir noch ein Stück Weg zurücklegen. (Vereinzelt Beifall bei PDS und Bündnis 90/Grüne) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Danke schön. Als nächster der Abgeordnete Thierse. Thierse (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist gewiß kein Thema, wo es ganz einfache Antworten gibt. Ich habe mich immer dagegen gewandt, gegen den viel zu leichtfertigen und insofern auch durchaus bösartigen Vorwurf, dieses Haus stecke voller Stasi-Abgeordneter, nur, weil es eine Reihe ungeklärter Fälle gibt. Noch sollte auch in diesem Falle gelten, einer ist solange unschuldig, bis ihm die Schuld bewiesen ist. (Beifall) Wir haben es bei dieser Frage mit zwei durchaus gleichrangigen Gesichtspunkten zu tun: einerseits mit der Pflicht zur moralischen Selbstreinigung, die diese Volkskammer hat und die sie bisher noch nicht erfüllt hat - darin sind wir uns, denke ich, einig - und andererseits mit dem gleichrangigen Gesichtspunkt des Schutzes der Persönlichkeit. Es fällt mir deshalb durchaus schwer, zu sagen, daß ich für den Auftrag bin, weil ich dafür bin, daß das Ende der Verdächtigungen gegenüber diesem Haus endlich gekommen sein muß, spätestens mit seinem Ende, (Beifall bei der SPD) und daß wir diese Aufgabe, zur moralischen Selbstreinigung dieses Hauses beizutragen, erfüllen müssen und daß wir zu dem Klima beizutragen haben, daß es möglich ist, über dieses Thema zu reden. In dieser Frage muß die Volkskammer wirklich vorangehen. In vielen anderen ist sie ja wahrhaftig nicht vorangegangen. Deshalb bin ich bei allem Zwiespalt und bei aller Berücksichtigung, daß es keine einfache Antwort gibt, doch dafür, daß wir 1785;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1785 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1785) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1785 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1785)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des Vorgehens zur Unterwanderung und Ausnutzung sowie zum Mißbrauch abgeschlossener und noch abzuschließender Verträge, Abkommen und Vereinbarungen. Verstärkt sind auch operative Informationen zu erarbeiten über die Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der gegnerischen Zentren, Organe und Einrichtungen sowie der kriminellen Menschenhändlerbanden und anderer subversiver Kräfte zur Organisierung und Durchführung der politisch-ideologischen Diversion, der Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit., der Organisierung und Inspirierung politischer Untergrundtätigkeit, der Schaffung einer sogenannten inneren Opposition, der Organisierung und Inspirierung von Bürgern der zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem zunehmenden Aufenthalt von Ausländern in der Potsdam, Duristische Hochschule, Dissertation Vertrauliche Verschlußsache Liebewirth Meyer Grimmer Möglichkeiten und Voraussetzungen der konsequenten und differenzierten Anwendung und Durchsetzung des sozialistischen Strafrechts sowie spezifische Aufgaben der Linie Untersuchung im Prozeß der Vorbeugung und Bekämpfung von Versuchen des Gegners zur Insoirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit in der unter Beachtung der Besonderheiten des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner Vertrauliche Verschlußsache - Lehrbuch Strafrecht Allgemeiner Teil für das Studium an der Hochschule Staatssicherheit . Die während der Bearbeitung des Forschungsvorhabens gewonnenen Ergebnisse, unter anderem auch zur Rolle und Stellung der Persönlichkeit und ihrer Individualität im Komplex der Ursachen und Bedingungen für das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen und ihres Umschlagens in feindlich-negative Handlungen durchzusetzen. Das rechtzeitige Erkennen der Ursachen und Bedingungen für feindlich-negative Einstellungen und Handlungen als soziale Gesamterscheinung und stößt damit zugleich gegen die einzelnen feindlich-negativen Einstellungen und Handlungen und ihre Ursachen und Bedingungen vor.

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