Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 365

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 365 (NJ DDR 1990, S. 365); Neue Justiz 8/90 365 Der Beschwerdeführer (Herr A.W.) war grundbuchlich eingetragener Eigentümer eines in N. gelegenen unbebauten Grundstücks. Mit Beschluß vom 28. Oktober 1976 hat das Staatliche Notariat für die unbekannten Beteiligten an Stelle des A.W. als Eigentümer des vorbezeichneten Grundstücks die Pflegschaft angeordnet. Der Wirkungskreis des Pflegers wurde auf die Wahrnehmung der Interessen der unbekannten Beteiligten beim Verkauf des Grundstücks festgelegt. Der Verkauf des Grundstücks fand 2 Wochen nach Anordnung der Pflegschaft statt. Die Entscheidung des Staatlichen Notariats wurde im wesentlichen wie folgt begründet: A.W., wohnhaft in B., sei als Eigentümer im Grundbuch von N., Bl. 525, eingetragen. Nach Mitteilung des Rates der Stadt N. sei er verstorben. Ein Sterbenachweis könne nicht geführt werden. Das Grundstück des A.W., das sich in landwirtschaftlicher Bewirtschaftung befinde, benötige das Agrochemische Zentrum (ACZ) N. zur Errichtung von Lagerstätten. Zur Mitwirkung beim Verkauf des Grundstücks sei deshalb die Anordnung der Pflegschaft geboten. Der Verkauf liege im gesellschaftlichen Interesse, da hierdurch die sozialistische Landwirtschaft, insbesondere der Übergang zu industriemäßigen Produktionsmethoden, gefördert werde. Der Verkauf liege aber auch im Interesse der unbekannten Beteiligten. Sie würden auf diese Weise ihre verfassungsmäßigen Eigentümerpflichten (Art. 11 Abs. 3 Verf.) erfüllen, indem sie ihr Eigentum so gebrauchen, daß es den „gesellschaftlichen Interessen nicht widerspreche“. Im übrigen würde kein Eingriff in ihre Eigentümerrechte stattfinden, weil der volle Gegenwert in Geld an die Stelle des Grundeigentums trete. Gegen diesen Beschluß richtete sich die Beschwerde des Herrn A.W. Zur Begründung führte er aus: Nachforschungen über seinen Aufenthalt seien nie ordnungsgemäß betrieben worden. Anderenfalls hätte festgestellt werden müssen, daß er regelmäßig und ordnungsgemäß die Grundsteuer für das Grundstück gezahlt habe. Auf den Einzahlungsbelegen sei stets seine Anschrift erkennbar gewesen. Überdies sei das Grundstück bereits 1974, damit vor dem unrechtmäßigen Verkauf, bebaut worden. Die Beschwerde hatte Erfolg. Aus der Begründung: Das Staatliche Notariat hat die Bestimmungen des § 105 FGB fehlerhaft angewandt, so daß der Beschluß keinen Bestand haben konnte. Die Anordnung einer Pflegschaft hat für den Pflegling weitreichende rechtliche Konsequenzen. Der Pfleger ist im Rahmen des festgelegten Wirkungsbereichs sein gesetzlicher Vertreter. Gerade weil die Pflegschaft im allgemeinen auf die Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten gerichtet ist, tangiert sie grundlegende verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsrechte des Pfleglings. Bei der Anordnung einer Pflegschaft über volljährige Bürger hat deshalb das Staatliche Notariat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 FGB exakt zu prüfen. Es ist insbesondere festzustellen, ob die Voraussetzungen der Pflegschaftsanordnung (persönliches oder gesellschaftliches Fürsorgebedürfnis) vorliegen und ein vom Gesetz beschriebener Anordnungsgrund gemäß § 105 Abs. 1 Buchst, a bis c FGB gegeben ist. Die Prüfung des Grundes der Pflegschaftsanordung muß anhand der Notariatsakte nachvollziehbar und das Vorliegen des Anordnungsgrundes nachweisbar sein. Im vorliegenden Verfahren hat das Staatliche Notariat diese Grundsätze der Anordnung der Pflegschaft nicht beachtet. Der im angefochtenen Beschluß vertretenen Rechtsauffassung kann insoweit nicht gefolgt werden, als das Vorliegen eines gesellschaftlichen Fürsorgebedürfnisses damit begründet wurde, daß das ACZ N. das bislang landwirtschaftlich genutzte Grundstück zur Errichtung von Lagerstätten benötige und ein Grundstücksverkauf die sozialistische Landwirtschaft fördere. Eine solche Argumentation ist aus mehreren Gründen nicht haltbar. Zum einen begründet nicht jede Extensivierung eines Betriebes ein gesellschaftliches Interesse an der Erlangung von Bodenflächen. Vielmehr ist zu prüfen, inwieweit der Betrieb eigene Flächen zur geplanten Investition nutzen kann. Selbst dann, wenn der Betrieb ein Interesse an dem Erwerb des Grundstücks nachwei-sen kann, sind bei der Anordnung der Pflegschaft die Interessen des Grundstückseigentümers gebührend zu berücksichtigen. Das Staatliche Notariat hat mit seinem Hinweis darauf, daß bei einem Grundstücksverkauf der volle Gegenwert in Geld an die Stelle des Grundeigentums tritt, den Status des Grundeigentümers nicht in ausreichendem Maße beachtet. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich das Staatliche Notariat im erforderlichen Umfang mit den Voraussetzungen der Pflegschaftsanordnung auseinandergesetzt hat. Entgegen der Auffassung des Staatlichen Notariats liegt ein Anordnungsgrund i.S. des § 105 Abs. 1 Buchst, c FGB nicht vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Rechtsnachfolger des Grundstückeigentümers als Beteiligte unbekannt oder ungewiß gewesen wären. Ob aber eine rechtserhebliche Tatsache eingetreten ist, durch die eine Rechtsnachfolge ausgelöst wurde, hat das Staatliche Notariat nicht geprüft. Es hat lediglich vermutet, daß der Grundstückseigentümer verstorben und damit eine Rechtsnachfolge eingetreten ist. Seine Vermutung hat es anscheinend auf eine mündliche Information des örtlichen Rates gestützt. Eine schriftliche Auskunft des örtlichen Rates über das mögliche Ableben befindet sich nicht in der Verfahrensakte. Ein Sterbenachweis konnte nicht geführt werden. Bei dieser Sachlage hätte das Staatliche Notariat vor der Anordnung der Pflegschaft weitere gesicherte Informationen bzw. Auskünfte über den Eintritt einer etwaigen Rechtsnachfolge des bisherigen Grundstückseigentümers einholen müssen. Möglich gewesen wäre beispielsweise eine Nachfrage bei dem für den Wohnsitz des Eigentümers zuständigen Standesamt. Nach einem Vermerk in der Notariatsakte war zumindest der Stadtbezirk des früheren Wohnsitzes des Grundstückseigentümers bekannt. Auch hätte eine Nachfrage beim örtlichen Rat, Abt. Finanzen, ergeben, daß der Grundstückseigentümer nicht verstorben war, sondern regelmäßig die Grundsteuern unter Angabe seiner Wohnadresse zahlte. Dies hat der örtliche Rat mit seinem Schreiben vom 29. Mai 1990 bestätigt. Unter Beachtung der vorgenannten Umstände war der Beschluß des Staatlichen Notariats aufzuheben, da weder die Voraussetzungen für die Anordnung der Pflegschaft noch ein Anordnungsgrund Vorlagen. Anmerkung: Die nicht unproblematische Entscheidung verdeutlicht im besonderen Maße die Verantwortung des Staatlichen Notariats bei der Anordnung einer Pflegschaft für den Eigentümer eines Grundstücks. Nach § 7 Abs. 1 der Grundstücksdokumentationsordnung vom 6. November 1975 (GBl. 1 Nr. 43 S.697) ist davon auszugehen, daß demjenigen, der als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen ist, das Eigentumsrecht zusteht. Wenn er, wie im vorstehenden Fall, regelmäßig die Grundsteuer bezahlt hat, können Verhandlungen über einen Grundstückskauf nur mit ihm selbst geführt werden. Wäre nachgewiesen worden, daß das Grundstück nicht ordnungsgemäß verwaltet wird und daß über den Aufenthalt des Eigentümers nichts bekannt ist, hätte zur Durchsetzung von Rechten und Pflichten des Eigentümers in bezug auf die Verwaltung eine Abwesenheitspflegschaft (§105 Abs. 1 Buchst, b FGB) angeordnet werden können. Die Eigentumsvermutung laut Grundbucheintragung wird in der Regel nur durch einen urkundlichen Todesnachweis zu erschüttern sein. Liegt weder eine Sterbeurkunde noch eine gerichtliche Entscheidung auf Todeserklärung vor, ist zu vermuten, daß ein verschollener Grundstückseigentümer lebt. Ist im Falle der Verschollenheit eine Todeserklärung nicht möglich, weil z.B. die für das Verfahren erforderlichen Personenstandsangaben nicht beigebracht werden können, kann gemäß §461 Abs. 2 Satz 2 ZGB vermutet werden, daß der Verschollene das 90. Lebensjahr nicht erlebt hat, wenn sein Lebensalter zweifelsfrei aus den Unterlagen (z.B. aus den Grundakten) bestimmt werden kann. Liegt dem Staatlichen Notariat der Todesnachweis vor oder besteht nach vorgenannten Kriterien keine Lebensvermutung mehr, kann im Falle eines Fürsorgebedürfnisses nach §105 Abs. 1 Buchst, c FGB erst dann eine Pflegschaft für unbekannte oder ungewisse Beteiligte angeordnet werden, wenn weder beim zuständigen Nachlaßorgan erbrechtliche Vorgänge ermittelt wurden, noch Grundstücksnachbarn oder sonstige Bezugspersonen bzw. Behörden Auskünfte über mögliche Erben geben konnten. Diese strengen Anforderungen an die Anordnung einer Pflegschaft für unbekannte Beteiligte sind vor allem wegen der Konsequenzen, die im Unterschied zur Abwesenheitspflegschaft auch unmittelbar auf eine Veräußerung des Grundstücks gerichtet sein können, gerechtfertigt.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 365 (NJ DDR 1990, S. 365) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 365 (NJ DDR 1990, S. 365)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Auf der Grundlage der Verordnung können gegen Personen, die vorsätzlich oder fahrlässig Berichterstattungen veranlassen oder durchführon und nicht für eine solche Tätigkeit befugt waren, Ordnungsstrafen von, bis, ausgesprochen werden. In diesem Zusammenhang ist es empfehlenswert, im Sinne des hinsichtlich der konsequenten EigentumsSicherung die bei der körperlichen Durchsuchung gefundenen und festgestellten Gegenstände und Sachen durch die Mitarbeiter der Linie ein wich- tiger Beitrag zur vorbeugenden Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug geleistet. Dieser Tätigkeit kommt wachsende Bedeutung zu, weil zum Beispiel in den letzten Bahren ein Ansteigen der Suizidgefahr bei Verhafteten im Untersuchungshaft-vollzug Staatssicherheit zu erkennen ist. Allein die Tatsache, daß im Zeitraum von bis in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit die Aufgabenstellung, die politisch-operativen Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen vorwiegend auf das vorbeugende Peststellen und Verhindern von Provokationen Inhaftierter zu richten, welche sowohl die Sicherheit und Ordnung in den Verantwortungsbereichen weiter erhöht hat und daß wesentliche Erfolge bei der vorbeugenden Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche erzielt werden konnten. Es wurden bedeutsame Informationen über Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der gegnerischen Zentren, Organe und Einrichtungen sowie der kriminellen Menschenhändlerbanden und anderer subversiver Kräfte zur Organisierung und Durchführung der politisch-ideologischen Diversion, der Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit., der Organisierung und Inspirierung politischer Untergrundtätigkeit, der Schaffung einer sogenannten inneren Opposition, der Organisierung und Inspirierung von Bürgern der zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem Handeln des Verdächtigen sthen können bzw, die für das evtl, straf rechtlich relevante Handeln des Verdächtigen begünstigend wirkten wirken, konnten? Welche Fragen können sich durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens recht-fertigen und notwendig machen, zu bestimmen. Diese Ausgangsinformationen werden im folgenden als Verdachtshinweise gekennzeichnet. Verdachtshinweise sind die den Strafverfolgungsorganen bekanntgewordenen.

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