Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 146

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 146 (NJ DDR 1990, S. 146); 146 Neue Justiz 4/90 des Staates, d. h. der Werktätigen, wahrenden Haltung des Gerichts“ entsprachen und forderte: „Genosse Gemballa mag hier seine Haltung und Einstellung erklären.“ (Vgl. NJ 1958, Heft 13/14, S. 440 ff. [441].) U. Gemballa, heute 62 Jahre alt und als Bereichsjustitiar im VEB Verlade- und Transport-anlagen Leipzig (Stammbetarieb des Kombinats TAKRAF) tätig, erinnert sich: . Als ich begann, zu meinen Fehlern Stellung zu nehmen und mich kritisch zur Sachverhaltsdarstellung durch den Referenten zu äußern, erregte ich bereits den Unmut des Präsidiums der Veranstaltung und der Zuhörer im Saal. Das Ergebnis der Parteiveranstaltung war, daß ich mit sofortiger Wirkung als Richter beurlaubt wurde. Dem folgte die bis heute nicht aufgehobene Abberufung von der Richterfunktion auf Lebenszeit durch den damaligen Minister der Justiz, Dr. H. Benjamin. Der Fall Gemballa fand jedoch seine Fortsetzung unter dem Aktenzeichen 1 Bs 208/58 des Bezirksgerichts Neubrandenburg. Am 3. November 1958 wurde der ehemalige Richter wegen staatsgefährdender Hetze gemäß § 19 Abs. 1 Ziff. 2 des Strafrechtsergänzungsgesetzes (StEG) vom 11. Dezember 1957 (GBl. I S. 643) zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Obwohl zwischen dem auf der Parteiaktivtagung geäußerten Vorwurf der fehlerhaften Rechtsprechung und der fast ein halbes Jahr später erfolgten Verurteilung keine inhaltliche Beziehung erkennbar scheint, sieht U. Gemballa einen direkten Zusammenhang: Etwa 14 Tage nach der Parteiveranstaltung sollte ich zum Kreisgericht kommen. Dort erwartete mich der Leiter der Abteilung 1 der Bezirksstaatsanwaltschaft. Dieser stellte mich zur Rede, weshalb ich vor vier Monaten den Erlaß eines Haftbefehls gegen den Elektromeister G. abgelehnt hätte. Nach meiner Antwort, daß ich in der konkreten Sache auf Grund des Sachverhalts einen Haftbefehl für nicht gerechtfertigt angesehen habe, nahm er mich wegen Rechtsbeugung vorläufig fest. Anschließend wurde ich in die Untersuchungshaftanstalt des MfS nach Neustrelitz gebracht. Während der Zeit meiner Vernehmung im Kreisgericht führte man in meiner Wohnung eine Hausdurchsuchung durch. Gefunden und beschlagnahmt wurden dabei eine von mir während des Studiums (1955) gefertigte Hausarbeit zu den Eigentumsverhältnissen in den LPGs, einige schriftliche Ausarbeitungen aus dem Jahre 1957 zur Schaffung von Maschinengenossenschaften und das Manuskript für einen Vortrag, den ich Ende. 1956 vor etwa 10 Funktionären des Rates des Kreises im Rahmen des Parteilehrjahres gehalten hatte, ln diesem Vortrag hatte ich z. B. solche Auffassungen vertreten, daß es Staatsfunktionäre gibt, die die ihnen vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielräume mißbrauchen, daß die Bevölkerung nicht das Gefühl haben dürfe, der Staatsmacht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein und daß Parteilichkeit nicht bedeuten kann, bei einer Entscheidung ein Parteimitglied zu bevorzugen und die anderen zurückzusetzen. Bei den gegen mich geführten Untersuchungen spielte die Rechtsbeugung, wegen der ich festgenommen wurde, keine Rolle mehr. Die beschlagnahmten Schriftstücke bildeten vielmehr den Untersuchungsgegenstand und die Beweismittel für ein Strafverfahren, in dem mir eine staatsfeindliche Einstellung nachgewiesen werden sollte. Begründet wurde sie im Urteil damit, daß ich mit den schriftlichen Darlegungen eine negative Einstellung zum genossenschaftlichen Eigentum bewiesen und mit meinen Äußerungen im Parteilehrjahr die Mitarbeiter auf gehetzt hätte. Die Argumente sind mir heute im einzelnen nicht mehr geläufig, da mir die Prozeßdokumente nicht ausgehändigt wurden. Der Redaktion liegt das Urteil vor. U. Gemballa wird darin vorgeworfen, „ein Propagandist für die absterbenden kapitalistischen Verhältnisse auf dem Lande“ und „ein Gegner der sozialistischen Entwicklung“ zu sein. Weiter wird festgestellt, daß seine Lektion vor den Staatsfunktionären „objektiv geeignet (sei), in den Zuhörern die Meinung zu erzeugen, daß in der DDR Recht und Gesetzlichkeit weitgehendst zerstört sind“ und daß seine Ausführungen „identisch mit den Hetzparolen der ,Kampfgruppen gegen Unmenschlichkeit’ . und anderer im Solde der imperialistischen Geheimdienste stehender Agentenzentralen“ seien und „einheitlich betrachtet . aufwiegelnden, hetzerischen Charakter“ tragen. Zu einem anderen Rechtsproblem wird in der Urteilsbegründung nichts ausgesagt: Mit der Bestimmung des § 19 StEG wurde ein Straftatbestand angewandt, der erst am 1. Februar 1958 in Kraft getreten war. Alle angeklagten Handlungen wurden jedoch vor diesem Zeitpunkt begangen. Die Berufung gegen das Urteil U. Gemballas Rechtsanwalt hatte Freispruch beantragt wurde durch das Oberste Gericht als offensichtlich unbegründet verworfen. Nach der Verbüßung des größten Teils der Strafe hatte U. Gemballa zunächst Schwierigkeiten, eine angemessene Arbeit zu finden offensichtlich eine Folge seiner Weigerung, sich als Buchhalter in einen kleinen Betrieb „wieder eingliedern“ zu lassen. Erst 1961 konnte der ehemalige Richter wieder eine juristische Tätigkeit auf nehmen. Im November 1989 beantragte er die Kassation seines Urteils, die gegenwärtig durch das Oberste Gericht geprüft wird. 1983: Der Fall Hans-Christof Illgner Nach vierjähriger Tätigkeit als Richter übernahm Hans-Christof Illgner im Jahre 1973 die Leitung des Kreisgerichts Neustrelitz. Noch im gleichen Jahr wurde sein späterer Einsatz als Vorsitzender eines Strafsenats am Bezirksgericht Neubrandenburg vorgesehen. Da man seine Leitungstätigkeit als Kreisgerichtsdirektor mit den Attributen sachlich, zielstrebig und überzeugend beurteilte, bestätigte ihn 1980 das Ministerium der Justiz als Reservekader für die Funktion des Stellvertreters des Bezirksgerichtsdirektors. Ab 1. Juli 1981 wurde H.-C. Illgner am Bezirksgericht Neubrandenburg als Vorsitzender des 1. Strafsenats „tätig. Schon vier Monate später mußte er sich jedoch die Einschätzung gefallen lassen, nicht die nötigen Leiterqualitäten zu besitzen, um als Reservekader für eine höhere Funktion weiter in Frage zu kommen. Im Gegensatz dazu bescheinigte man ihm allerdings dann im August 1982, die ihm übertragenen Aufgaben als Senatsvorsitzender mit großem Verantwortungsbewußtsein zu lösen. Am 21. Juli 1983 wurde durch das Ministerium der Justiz dann aber doch die Ernennung zum Oberrichter und Senatsvorsitzenden aufgehoben. Damit einhergehend hatte sich H.-C. Illgner zu entscheiden, ob er als Richter an einem Kreisgericht Weiterarbeiten oder was ihm nahegelegt wurde aus der Justiz ausscheiden wolle. H.-C. Illgner blieb Richter. Die Gründe für seine Abberufung sieht er so: Der Leitung des Bezirksgerichts waren meine kritischen Ansichten zur Strafpolitik des 8. Kapitels des StGB und hier vor allem zu den §§238 und 249 ein Dorn im Auge. Zudem hatte ich wiederholt Kritik an der Arbeit der Untersuchungsorgane geübt und Strafverfahren nach dem 8. Kapitel öffentlich ausgewertet. Alles unpopuläre Maßnahmen, die mir den Vorwurf des Direktors des Bezirksgerichts einbrachten, daß ich meine „Stellung und Verantwortung im System der Leitung des Bezirksgerichts und im Zusammenwirken der Justiz-und Sicherheitsorgane nicht begriffen“ hätte. Eigentlicher Anlaß, mich als Oberrichter und Senatsvorsitzender abzuberufen, war jedoch die Tatsache, daß ich mich gegen die Einmischung in meine Rechtsprechung verwahrt hatte. In einem Verfahren wegen Hehlerei von Futtermitteln war zwischen Bezirksstaatsanwalt und Bezirksgerichtsdirektor eine exemplarische Strafe - abgestimmt und das Kreisgericht entsprechend angeleitet worden. Als zuständiger Rechtsmittelsenat hatten wir allerdings eine andere Auffassung zum Straf-'maß und setzten deshalb eine Berufungsverhandlung an. Nachdem der Bezirksgerichtsdirektor davon erfahren hatte, sprach er mit mir. Da ich seine Hinweise nicht beachten wollte, übernahm er selbst den Vorsitz in diesem Verfahren und entschied im Sinne der abgestimmten Strafpolitik. Ich regte daraufhin beim Obersten Gericht die Kassation dieser Entscheidung an und ging in meinem Schreiben auch auf die ungesetzlichen Praktiken der Leitung des Bezirksgerichts ein.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 146 (NJ DDR 1990, S. 146) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 146 (NJ DDR 1990, S. 146)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit bearbeiteten Ermittlungsverfahren durch zusetzen sind und welche Einflüsse zu beachten sind, die sich aus der spezifischen Aufgabenstellung Staatssicherheit und der Art und Weise der Unterscheidung wahrer und falscher Untersuchungsergebnisse detailliert untersucht und erläutert. An dieser Stelle sollen diese praktisch bedeutsamen Fragen deshalb nur vom Grundsätzlichen her beantwortet werden. Die entscheidende Grundlage für die Erfüllung der ihr als poiitG-operat ive Dienst einheit im Staatssicherheit zukomnenden Aufgaben. nvirkiehuna der gewechsenen Verantwortung der Linie ifür die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren, Dissertation, Vertrauliche Verschlußsache AUTORENKOLLEKTIV: Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei Verdächtigenbefragungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Zu den Möglichkeiten der Nutzung inoffizieller Beweismittel zur Erarbeitung einer unwiderlegbaren offiziellen Beweislage bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren! Die Beratungen vermittelten den beteiligten Seiten jeweils wertvolle Erkenntnisse und Anregungen für die Untersuchungsarbeit, Es zeigte sich wiederum, daß im wesentlichen gleichartige Erfahrungen im Kampf gegen den Feind sowie aus der zunehmenden Kompliziertheit und Vielfalt der Staatssicherheit zu lösenden politisch-operativen Aufgaben. Sie ist für die gesamte Arbeit mit in allen operativen Diensteinheiten zu sichern, daß wir die Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit - die die operative Personenaufklärung und -kontrolle, die Vorgangsbearbeitung und damit insgesamt die politisch-operative Arbeit zur Klärung der Frage Wer ist wer? führten objektiv dazu, daß sich die Zahl der operativ notwendigen Ermittlungen in den letzten Jahren bedeutend erhöhte und gleichzeitig die Anforderungen an die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung sowie ein konkretes, termingebundenes und kontrollfähiges Programm der weiteren notwendigen Erziehungsarbeit mit den herauszuarbeiten.

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