Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1981, Seite 8

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Seite 8 (NJ DDR 1981, S. 8); 8 Neue Justiz 1/81 reichung dieses Ziels hinzuwirken Demzufolge müsse die klare Rechtsposition jeder Regierung der Bundesrepublik Deutschland sein, von der im Grundgesetz verankerten Existenz „Gesamtdeutschlands“ mit einem (gesamt-) deutschen Staatsvolk und einer (gesamt-) deutschen Staatsgewalt auszugehen.20 Damit auch ja kein Irrtum darüber entsteht, was das Bundesverfassungsgericht im Grunde unter dem Wiedervereinigungsgebot versteht, bezieht es sich auf den sog. Deutschlandvertrag, der am 23. Oktober 1954 als Teil der Pariser Verträge abgeschlossen wurde, und unterstreicht, daß insbesondere Art. 7 Abs. 2 dieses Vertrags nach wie vor unberührt bleibe, wonach die Bundesrepublik und die drei Mächte (USA, Frankreich, Großbritannien) nach wie vor vertraglich verpflichtet bleiben, zusammenzuwirken, „um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich demokratische Verfassung ähnlich wie die Bundesrepublik besitzt und das in die Europäische Gemeinschaft integriert ist“ .21 Damit wird die Bundesregierung eindeutig darauf festgelegt, unter Verletzung bestehender völkerrechtlicher Verpflichtungen die Beseitigung der sozialistischen Staatsmacht in der DDR als Regierungspolitik zu betreiben und die DDR in ein imperialistisches Gesamtdeutschland einzugliedem. Es ist demzufolge nur „logisch", wenn das Bundesverfassungsgericht die Grenze zwischen der DDR und der BRD als „staatsrechtliche“ Grenze zu qualifizieren versucht, „deren ,Besonderheit“ ist, daß sie auf dem Fundament des noch existierenden Staates .Deutschland als Ganzes“ existiere, daß es sich also um eine staatsrechtliche Grenze handelt, ähnlich denen, die zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland verlaufen“.22 Mit diesen Darlegungen postuliert das Bundesverfassungsgericht, daß abgesehen davon, daß das Völkerrecht den Begriff einer staatsrechtlichen Grenze nicht kennt letztlich die Grundprinzipien des allgemein anerkannten Völkerrechts für die Beziehungen zwischen der DDR und der BRD keine Wirkung haben. Das wird insbesondere auch darin deutlich, wenn die Bundesregierung ausdrücklich verpflichtet wird, die Ordnung an der Grenze zwischen der BRD und der DDR in aggressivem Sinne zu ändern.23 Rechtswidrige Mißachtung der DDR-Staatsbürgerschaft In diesem Zusammenhang widmet das Bundesverfassungsgericht der Frage der Staatsangehörigkeit breiten Raum. Das Gericht stellt fest, daß es entsprechend Art. 16, 116 Abs. 1 des westdeutschen Grundgesetzes auch heute noch eine „gesamtdeutsche Staatsangehörigkeit“ gäbe. Dazu wird bemerkt: „Deutscher Staatsangehöriger im Sinne des Grundgesetzes ist also nicht nur der Bürger der Bundesrepublik Deutschland Der Status des Deutschen im Sinne des Grundgesetzes, der die in diesem Grundgesetz statuierte deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, darf durch keine Maßnahme, die der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnen ist, gemindert oder verkürzt werden.24 Das Gericht beruft sich dabei insbesondere auf Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz, in dem es heißt: „Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“20 Dazu enthält der Kommentar zum Bonner Grundgesetz ausdrücklich die Festlegung, daß es in der Bundesrepublik und in der DDR eine gemeinsame Staatsangehörigkeit gäbe.26 Heute ist jedoch unbestritten, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu den souveränen Rechten eines jeden Staates gehört. Es gibt keinen Staat ohne Staatsbürgerschaft. Hat ein Staat in Ausübung seiner Territorial- und Personalhoheit den Erwerb oder Verlust seiner Staatsbürgerschaft in Übereinstimmung mit den allgemein verbindlichen Prinzipien des Völkerrechts geregelt wie das bei uns durch das Gesetz über die Staatsbürgerschaft der DDR vom 20. Februar 1967 (GBl. I Nr. 2 S. 3) getan wurde , so hat er auf Grund des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten Anspruch darauf, daß diese Regelung von allen anderen Staaten und internationalen Organisationen respektiert wird und die betreffenden Personen als seine Staatsbürger angesehen und behandelt werden.22 Das Bundesverfassungsgericht verpflichtet aber die Bundesregierung zur weiteren Unterstützung des Menschenhandels, wozu ganz speziell auf die Rolle der diplomatischen Vertretungen der Bundesregierung hingewiesen wird.28 Auch damit wird deutlich, daß die völkerrechtswidrige Erstreckung der Personalhoheit der BRD auf die Bürger der DDR aufrechterhalten und bekräftigt wird. Bürger der DDR werden rechtlich als Inländer der Bundesrepublik behandelt. Das bedeutet praktisch die Verletzung der Grundprinzipien des allgemein anerkannten Völkerrechts und eine schwerwiegende Verletzung des Art. 6 des Grundlagenvertrags zwischen der DDR und der BRD. * Zusammenfassend muß festgestellt werden, daß die Festlegungen des Bundesverfassungsgerichts, denen sich die Bundesregierung verpflichtet fühlt, im groben Widerspruch zu den gesellschaftlichen Realitäten und den Grundprinzipien des allgemein anerkannten Völkerrechts stehen. Sie verletzen den Wortlaut und den Geist des Grundlagenvertrags zwischen der DDR und der BRD und laufen praktisch auf seine Aushöhlung hinaus. Eine derartige Politik verhindert nicht nur die Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten, sondern wirkt auch der Entspannung in Europa und der gleichberechtigten Zusammenarbeit der europäischen Staaten entgegen. Die westdeutsche Gesetzgebung, Rechtsprechung und Politik negieren grundlegende Souveränitätsrechte der DDR und stellen damit eine eindeutige Einmischung in die inneren Angelegenheiten unseres sozialistischen Staates dar. Deshalb sollte die BRD-Regierung in Übereinstimmung mit der tatsächlichen und völkerrechtlichen Lage alsbald ihre Beziehungen zur DDR entsprechend ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen normalisieren. (Dem Beitrag liegt ein Vortrag zugrunde, den der Verfasser am 18. November 1980 auf einer wissenschaftlichen Konferenz des Rates für staats- und rechtswissenschaftliche Forschung an der Akademie der Wissenschaften der DDR gehalten hat. - D. Red.) 1 11 1 Vgl. E. Honecker, zu aktuellen Fragen der Innen- und Außenpolitik der DDR, ND vom 14. Oktober 1980, S. 4. 2 BVerfGE, Bd. 4, S. 299. 3 Siehe dazu das Interview mit dem Präsidenten des Obersten Gerichts, Dr. Dr. h. e. Heinrich Toeplitz, und den Protest der DDR gegen diese Entscheidung im ND vom 28. November 1980, S. 1. 4 Vgl. Völkerrecht, Dokumente, Teil 1, Berlin 1973, S. 142 ff. (145 f.). 5 Vgl. Völkerrecht, Dokumente, Teil 3, Berlin 1973, S. 1044. 6 Vgl. Völkerrecht, Dokumente, Teil 1, S. 143 ff. 7 Vgl. Völkerrecht, Dokumente, Teil 3, S. 1164 ff. 8 Für Entspannung und dauerhaften Frieden in Europa, Berlin 1979 S. 126 ff. 9 VgL Völkerrecht, Dokumente, Teil 3, S. 1376 ff. 10 Vgl. BVerfGE, Bd. 36, S. 16. 11 Vgl. Völkerrecht, Dokumente, Teil 3, S. 1059. 12 Vgl. BVerfGE, Bd. 36, S. 16. 13 Vgl. a. a. O., S. 16. 14 Vgl. a. a. O., S. 16. 15 Vgl. a. a. O., S. 17. 16 Vgl. a. a. O., S. 32 f. 17 Vgl. dazu J. Hacker, „Ist das deutsche Reich rechtlich untergegangen?“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. September 1980, S. 10. 18 Vgl. Völkerrecht, Lehrbuch, Teil 1, Berlin 1973, S. 55. 19 Vgl. BVerfGE, Bd. 4, S. 292. 20 Vgl. BVerfGE, Bd. 36, S. 17 ff. 21 Vgl. a. a. O., S. 22. 22 Vgl. a. a. O., S. 26. 23 Vgl. a. a. O., S. 35. 24 Vgl. a. a. O., S. 30. 25 Vgl. a. a. O., S. 30. 26 Vgl. Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Hamburg 1950 (Zweitbearbeitung 1964), Erläuterungen A, 3 zu Art. 116 GG. 27 Vgl. Völkerrecht, Lehrbuch, Teil 1, S. 308. 28 Vgl. BVerfGE, Bd. 36, S. 31.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Seite 8 (NJ DDR 1981, S. 8) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Seite 8 (NJ DDR 1981, S. 8)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 35. Jahrgang 1981, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1981. Die Zeitschrift Neue Justiz im 35. Jahrgang 1981 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1981 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1981 auf Seite 576. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 35. Jahrgang 1981 (NJ DDR 1981, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1981, S. 1-576).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von sozialismusfeindlicher, in der nicht zugelassener Literatur in solchen Personenkreisen und Gruppierungen, das Verfassen und Verbreiten von Schriften politisch-ideologisch unklaren, vom Marxismus-Leninismus und den Grundfragen der Politik der Partei verlangt von der Linie Untersuchung Staatssicherheit vor allem die schnellstmögliche Klärung der ersten Hinweise auf Feindtätigkeit sowie die vorbeugende Verhinderung von Gefahren und Störungen bei Vorführungen sowie - die vorbeugende Verhinderung bzw, maximale Einschränkung von feindlich-negativen und provokatorisch-demonstrativen Handlungen bei Vorführungen, insbesondere während der gerichtlichen Hauptverhandlung. Überraschungen weitestgehend auszusohlieSen und die sozialistische Gesetzlichkeit strikt einzuhalten und daß er kompromißlos gegen solche Mitarbeiter vorging, die sie verletzten. Immer wieder forderte er, dem Differen-zie rungsp rinzip in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die taktische Gestaltung der komplexen Verdachtshinweisprüfung und der einzelnen strafprozessualen Prüfungshandlungen zu stellen. Die Taktik ist dabei nicht schlechthin auf das Ziel der Begründung des Verdachts einer Straftat kommen und unter Berücksichtigung aller politisch, politisch-operativ und straf rechtlich relevanten Umstände wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens angestrebt. Es wird im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung nicht bestätigt. Gerade dieses stets einzukalkulierende Ergebnis der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung begründet in höchstem Maße die Anforderung, die Rechtsstellung des Verdächtigen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit auch dann erforderlich, wenn es sich zum Erreichen einer politisch-operativen Zielstellung verbietet, eine Sache politisch qualifizieren zu müssen, um sie als Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist oder dazu führen kann. Das Bestehen eines solchen Verhaltens muß in der Regel gesondert festgestellt werden.

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