Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1979, Seite 262

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 262 (NJ DDR 1979, S. 262); 262 Neue Justiz 6/79 13. September 1978 (NJ 1978, Heft 10, S. 448) festgelegt, daß die Gerichte bei der Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen Straftaten nach § 193 StGB insbesondere folgende Fragen zu klären haben: War der Angeklagte Verantwortlicher für die Durchsetzung und Durchführung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes ? Hat er ihm obliegende gesetzliche oder berufliche Pflichten verletzt? Hat er erkannt, falls Pflichtverletzungen vorliegen, daß sein Verhalten von den für ihn gültigen Pflichten abwich? Stellt im Fall unbewußter Pflichtverletzungen das Nichtbewußtmachen der Pflichten ein verantwortungsloses Verhalten dar bzw. hatte sich der Angeklagte auf Grund einer disziplinlosen Einstellung an das pflicht--widrige Verhalten gewöhnt? War die bewußte Rechtspflichtverletzung ursächlich für die eingetretenen schädlichen Folgen? War die Rechtspflichtverletzung ursächlich für die eingetretenen Folgen, ist zu prüfen, ob der Täter auch hinsichtlich dieser Folgen schuldhaft handelte. Dazu sind exakte Feststellungen darüber erforderlich, ob der Täter die Folgen vorausgesehen und leichtfertig darauf vertraut hat, daß diese Folgen nicht eintreten werden. Hat der Täter die Möglichkeit des Eintritts der Folgen nicht vorausgesehen, ist zu prüfen, ob ihm diese Voraussicht möglich gewesen wäre (vgl, hierzu den Bericht an die 6. Plenartagung zu Problemen der strafrechtlichen Schuld vom 28. März 1973 [NJ-Beilage 3/73 zu Heft 9]).“ Hier wird unmißverständlich sichtbar gemacht, welche Feststellungen zur Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen der Rechtspflichtverletzung und den eingetretenen Folgen zu treffen und welche Feststellungen zum Nachweis der Schuld erforderlich sind. Mit diesem Beschluß gibt das Präsidium des Obersten Gerichts für eine bestimmte Gruppe von Fahrlässigkeitsdelikten Hinweise, wie die Methodik der. Schuldprüfung anzuwenden ist, und macht deutlich, daß diese Methodik nicht zu Problemen und Widersprüchen führt, sondern im einzelnen Verfahren dem Gericht eine Hilfe bei der Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist. Bewußte und unbewußte Verletzung von Rechtspflichten Das Strafgesetzbuch geht in §§ 7 und 8 davon aus, daß eine Voraussetzung für strafrechtliche Schuld die bewußte (§§ 7 und 8 Abs. 1) bzw. unter den bestimmten im Gesetz be-zeiebneten Umständen unbewußte (§ 8 Abs. 2) Verletzung der Rechtspflichten ist. In §§ 167, 168, 193 StGB und anderen Bestimmungen wird eine vorsätzliche bzw. fahrlässige Verletzung der Rechtspflichten verlangt. Diese unterschiedliche Formulierung hat zu Mißverständnissen geführt. In seinem Urteil vom 2. März 1978 - 2 OSK 2/78 - hat das Oberste Gericht ausgeführt, daß unter vorsätzlicher Pflichtverletzung immer die bewußte Verletzung der Rechtspflichten zu verstehen ist. Wird im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs fahrlässige Rechtspflichtverletzung verlangt, ist darunter demnach immer die unbewußte Pflichtverletzung zu verstehen. Beispiele für die Methodik der Schuld- und Kausalitätsprüfung Die praktische Bedeutung dieser Methodik zur Prüfung der Kausalität und der strafrechtlichen Schuld wird an folgenden Beispielen deutlich: Werktätige bauen entsprechend der Weisung ihres übergeordneten leitenden Mitarbeiters einen Schornstein und den Anschluß für einen Ofen. Bei diesen Arbeiten werden wichtige Forderungen eines Standards verletzt. Zweifellos oblag diesen Werktätigen die Arbeitspflicht, die Bestimmungen über den Brandschutz ei'nzuhalten (§ 80 Abs. 1 AGB). Mit der Ausführung der angewiesenen Arbeiten haben die Werktätigen die Forderungen des ihnen unbekannten Standards nicht erfüllt und damit objektiv ihnen obliegende Rechtspflichten verletzt. Wollte man P. Marr fol-gen, hätte anschließend an diese Feststellung die komplizierte Beweisführung darüber erfolgen müssen, ob diese Rechtspflichtverletzungen der Werktätigen ursächlich für den Brand waren. Diese Feststellung ist aber für die Be- urteilung einer möglichen strafrechtlichen Schuld der Werktätigen vorerst nicht bedeutsam. Den Werktätigen waren die konkreten Forderungen des Standards nicht bekannt. Sie hatten bei der Ausführung der Arbeiten grundsätzlich die ihnen erteilten Weisungen zu befolgen (§ 83 Abs. 1 AGB). Sie durften sich prinzipiell darauf verlassen, daß die ihnen erteilte Weisung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.7 Die Werktätigen sind nur verpflichtet, diejenigen Weisungen nicht zu befolgen, deren Ausführung offensichtlich (d. h. für sie auf Grund der konkreten Umstände erkennbar) gegen ein Strafgesetz verstößt. Zu dem dargestellten Beispiel war eine solche Erkenntnis für die Werktätigen nicht möglich. Die Werktätigen verletzten somit weder bewußt noch schuldhaft unbewußt ihnen obliegende Rechtspflichten. Sie waren deshalb freizusprechen, obwohl noch nicht geklärt war, ob ihre Rechtspflichtverletzungen ursächlich für den Brand waren (OG, Urteil vom 21. Dezember 1978 2 OSK 9/78). Schuldhafte Pflichtverletzungen wurden weiter verneint bei Unkenntnis der Arbeitsschutzverantwortlichen über den vorsenriftswidrigen Transport von Toluol8 und in einem Fall, in dem der Täter nicht damit zu rechnen brauchte, daß sich auf der von ihm befahrenen Transitstraße mit lebhaftem Fahrzeugverkehr ein einer Vollsperrung gleichkommendes Hindernis befindet.9 Diese Beispiele zeigen, daß menschliche Handlungen nicht ohne Beachtung ihrer sozialen Zusammenhänge (Pflichtverletzungen) allein unter dem Gesichtspunkt der Kausalität erörtert werden dürfen. Verstößt eine menschliche Handlung nicht gegen gesetzliche Pflichten, kann sie nicht ursächlich oder mitursächlich für den Eintritt eines strafrechtlich relevanten Erfolgs sein. Aus diesem Grund wäre es unrationell, etwa bei der Erörterung der objektiven Pflichtenlage stehen zu bleiben, dann die Kausalität zu prüfen und danach erst zu fragen, ob die Pflichtverletzung unter den Voraussetzungen der §§ 7, 8 StGB schuldhaft begangen wurde. In methodischer Hinsicht geht es also um Fragen der Rationalität, der Prozeßökonomie, die keineswegs von untergeordneter Bedeutung sind. Mit der Anleitung sollen überflüssige Prüfungen vermieden und notwendige nicht vernachlässigt werden. Entgegen den Erfahrungen von E. Marr verfahren die Gerichte nach der vorgegebenen Methodik. So heißt es z. B. im Urteil des BG Leipzig vom 17. Oktober 1974 - 2 BSB 366/74 - (NJ 1975, Heft 6, S. 176): „Die Beantwortung der Frage, ob die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten zu bejahen oder aber auszuschließen ist, setzt die Untersuchung voraus, ob er eine objektiv für ihn bestehende Pflicht schuldhaft verletzt hat und ob sofern ihm eine solche schuldhafte Pflichtverletzung nachzuweisen ist diese für die eingetretenen Folgen, , ursächlich war.“ Zur Prüfung der Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit der Folgen H. Hinderer vermißt in der methodischen Anleitung das Kriterium der Vermeidbarkeit der Folgen. Er führt dazu als Beispiel der notwendigen Prüfung an, daß ein Chirurg trotz Pflichtverletzung nicht für den Tod eines Patienten verantwortlich sei, wenn auch bei pflichtgemäßem Handeln der Tod nicht abwendbar war, ohne zu erläutern, worin der Unterschied zwischen dieser Überlegung zur „Vermeidbarkeit“ und der Prüfung des Kausalzusammenhangs voh pflichtwidrigem Verhalten und den eingetretenen Folgen besteht (NJ 1979, Heft 4, S. 175). Unseres Erachtens kommt es bei der Prüfung der Kausalität nicht allein auf naturgesetzliche Zusammenhänge, sondern auch auf die Feststellung an, daß gerade die Rechtspflichtverletzung die im jeweiligen Straftatbestand bezeichnten Folgen herbeigeführt hat. Auf die Vornahme dieser Prüfung orientiert aber die zur Diskussion stehende methodische Anleitung. Zur Frage der Vermeidbarkeit der konkreten Rechtspflichtverletzung ist zu prüfen, ob der Handelnde überhaupt die objektive Möglichkeit zur Pflichterfüllung gehabt hat. Wenn die Erfüllung seiner Pflichten objektiv nicht möglich ist, handelt er nidv. schuldhaft (§ 10 StGB, erste Alternative).10 H. Hinderer ist weiter nicht zu folgen, soweit er meint, die Voraussehbarkeit der Folgen £ i ein objektives Krite-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 262 (NJ DDR 1979, S. 262) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Seite 262 (NJ DDR 1979, S. 262)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 33. Jahrgang 1979, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1979. Die Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1979 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1979 auf Seite 568. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 33. Jahrgang 1979 (NJ DDR 1979, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1979, S. 1-568).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die Beweisführung im Operativen Vorgang, denn nur auf der Grundlage der im Operativen Vorgang erarbeiteten inoffiziellen und offiziellen Beweismittel läßt sich beurteilen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die Beantragung eines Haftbefehls gegeben sind. In diesem Abschnitt sollen deshalb einige grundsätzliche Fragen der eiteren Qualifizierung der Beweisführung in Operativen Vorgängen durch die Zusammenarbeit zwischen operativen Diensteinheiten und Untersuchungsabteilungen als ein Hauptweg der weiteren Vervoll-kommnunq der Einleitunospraxis von Ermittlungsverfahren. Die bisherigen Darlegungen machen deutlich, daS die weitere Vervollkommnung der Einleitungspraxis. Die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft in tatsächlicher Hinsicht: ihre effektive Nutzung in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit eine in mehrfacher Hinsicht politisch und politisch-operativ wirkungsvolle Abschlußentscheidung des strafprozessualen Prüfungsverfahrens. Sie wird nicht nur getroffen, wenn sich im Ergebnis der durchgeführten Prüfungsmaßnahmen der Verdacht einer Straftat begründet werden kann, oder wenn zumindest bestimmte äußere Verhaltensweisen des Verdächtigen die Verdachtshinweisprüfung gerechtfertigt haben. Komplizierter sind dagegen jene Fälle, bei denen sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermittlunqsverfahrens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines rnitTlungsverfahrens abzusehen ist, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist odeh ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.

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