Neue Justiz 1977, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, Seite 121

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft-Zeitschrift, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit, 31. Jahrgang 1977, Seite 121 (NJ DDR 1977, S. 121); gen Tötung, sondern auch des versuchten Mordes schuldig sei. Mit Recht habe das Bezirksgericht den im Ermittlungsverfahren abgegebenen wiederholten Geständnissen des Angeklagten, er habe sich mit dem Eintritt des Todes des Geschädigten bewußt abgefunden, Beweiswert beigemessen, da diese Geständnisse mit zahlreichen Details über den Unfallhergang übereinstimmten. Der Angeklagte habe wahrgenommen, daß er einen Menschen überfahren hatte, und habe sich mit dessen Tod abgefunden. Dazu hätte es nicht der Kenntnis der wirklichen Verletzungen, die der Geschädigte erlitten hatte, bedurft. Der Präsident des Obersten Gerichts hat zugunsten des Angeklagten wegen Verletzung des Gesetzes die Kassation des Beschlusses des Strafsenats des Obersten Gerichts und die Abänderung des Urteils des Bezirksgerichts im Schuld- und Strafausspruch beantragt. Der Antrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Das Bezirksgericht hat den Angeklagten zu Recht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Es ist ihm auch zuzustimmen, daß der Angeklagte in der Schuldfom des § 8 Abs. 1 StGB gehandelt hat. Die Auffassung des Strafsenats des Obersten Gerichts und des Bezirksgerichts, die Beweisaufnahme habe ergeben, daß beim Angeklagten der bedingte Vorsatz zum Mord an dem Geschädigten vorlag, ist jedoch fehlerhaft. Insofern wurden Grundsätze der gerichtlichen Beweisführung und der Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß verletzt. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß er nach der Herbeiführung des Unfalls im Maisfeld keineswegs den Tod des Geschädigten gewollt habe. Er habe in seine Überlegungen nach dem Zusammenprall mit dem Geschädigten zwar später auch mit einbezogen, daß dieser möglicherweise sogar schwere Verletzungen erlitten haben könne, die zum Tode führen konnten. Er habe jedoch gehofft, daß diese Folge nicht eintreten und der Geschädigte noch rechtzeitig gefunden werde. Daraufhin hat das Bezirksgericht gemäß § 224 Abs. 2 StPO Teile von Protokollen über Vernehmungen des Angeklagten vor dem Untersuchungsorgan durch Verlesen zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht. In diesen Vernehmungen hat der Angeklagte zu seinem Handeln nach dem Unfall widersprüchliche Aussagen getätigt. So hat er dargelegt, daß er den Tod des Geschädigten einkalkuliert habe bzw. daß ihm dessen Tod egal gewesen sei. Außerdem hat er auch angeführt, daß er das Ausmaß der Verletzungen des Geschädigten nicht kannte und darauf vertraute, der Geschädigte werde nicht sterben und Hilfe von anderen Personen erhalten. Soweit der Angeklagte erklärte, er habe den möglichen Tod des Verletzten „einkalkuliert“, kann daraus lediglich hergeleitet werden, daß er den Tod des Verletzten in seine Überlegungen einbezogen, nicht aber, daß er sich mit dieser schweren Folge bewußt abgefunden hat. Da beim bedingten Vorsatz und bei der bewußten Fahrlässigkeit die Kenntnislage hinsichtlich der Folgen gleich ist und die Unterscheidung zwischen beiden Schuldformen in der inneren Einstellung des Täters zu den deliktischen Folgen liegt, müssen an den Nachweis eines bedingt vorsätzlichen Handelns hohe Anforderungen gestellt werden. Da sich der Täter bei einem bedingt vorsätzlichen Handeln mit den von ihm eigentlich nicht angestrebten Folgen hier mit dem Tod des Verletzten bewußt abfinden muß, ist der zweifelsfreie Nachweis zu führen, daß er auch mit dem Eintritt einer solch schweren Folge einverstanden war. Bei dieser Sachlage hätten der Strafsenat des Obersten Gerichts und das Bezirksgericht dem Schuldeingeständnis des Angeklagten im Ermittlungsverfahren nur dann folgen dürfen, wenn es sich bei zusammenhängender Betrachtung aller Beweise, insbesondere im Vergleich mit dem objektiven Tatgeschehen, zweifelsfrei als wahr erwiesen hätte. Zwar spricht das Tatgeschehen dafür, daß der Angeklagte annehmen mußte, den Geschädigten schwer verletzt zu haben. Die konkrete Art und das Ausmaß der Verletzungen waren ihm jedoch nicht bekannt; er wußte auch nicht, welche Körperteile des Geschädigten er überrollt hatte, so daß diese objektiven Umstände bei kritischer Betrachtung sämtlicher Aussagen des Angeklagten nicht zwingend den Schluß zulassen, daß er mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat. Dem entspricht auch, daß der Angeklagte in allen diesbezüglichen Vernehmungen seitens des Untersuchungsorgans sowie in mehreren verschiedenen Zusammenhängen während der Hauptverhandlung stets gleichlautend und unwiderlegt ausgesagt hat, daß er bald nach dem Unfall hinsichtlich seines Verhaltens gegenüber dem Geschädigten Gewissensbisse hatte und beschloß, auf der bevorstehenden Rückfahrt nach ihm zu sehen. Als er dann aus L. kommend in der Nähe des Unfallortes zwei Männer sah, habe er angenommen, daß der Geschädigte entdeckt und ihm geholfen worden sei. Das Bezirksgericht hat diese Tatsachen zwar im Urteil erwähnt, ist aber dann ohne Begründung davon ausgegangen, sie wären bedeutungslos. Im Zusammenhang mit dem bisher bereits Dargelegten zeigt jedoch auch dieses geschilderte Verhalten des Angeklagten, daß er nicht mit dem Tod des Geschädigten rechnete und sich nicht kaltblütig mit dem, Eintritt dieser Folge abfand. Er hätte deshalb insoweit nicht wegen versuchten Mordes verurteilt werden dürfen. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Angeklagte sich nach dem Unfall entfernte, aus Furcht, für den Unfall strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Dieses Motiv war vielmehr bestimmend für die Verletzung der Pflicht zur Hilfeleistung. Dies hätten das Bezirksgericht und der Strafsenat des Obersten Gerichts erkennen und gleichzeitig prüfen müssen, ob der Angeklagte mit seinem Handeln den Tatbestand der Verletzung der Pflicht zur Hilfeleistung (§ 119 StGB) verwirklichte. Diese Frage war im vorliegenden Fall zu bejahen. Das Überfahren des Geschädigten stellt einen Unglücksfall im Sinne des Gesetzes dar. Eine Hilfeleistung war erforderlich und dem Angeklagten auch möglich. Soweit mit dem fachärztlichen Gutachten dargelegt wurde, daß bei der Schwere der Verletzungen der spätere Todeseintritt nicht hätte abgewendet werden können, schließt dies die Anwendung des § 119 StGB nicht aus. Eine erforderliche und mögliche Hilfeleistung konnte und mußte in diesem Fall u. a. darin bestehen, schnellstens ärztlichen Beistand zu veranlassen, der z. B. angemessene Maßnahmen zur Linderung der Schmerzen des Geschädigten oder zum Ausschluß von weiteren Komplikationen gewährleistet hätte. Der Angeklagte erkannte das Vorliegen eines Unglücksfalles und die sich daraus ergebende Notwendigkeit einer Hilfeleistung. Trotzdem entfernte er sich aus Furcht vor den Konsequenzen vom Unfallort und handelte somit vorsätzlich. Der im Urteil des 3. Strafsenats des Obersten Gerichts vom 19. November 1968 - 3 Zst 23/68 - (NJ 1969 S. 57) vertretenen Auffassung, die Vorschrift des § 119 StGB begründe für Personen, die die zur Hilfeleistung verpflichtende Situation selbst fahrlässig verursacht haben, keine Rechtspflicht zum Tätigwerden, wird nicht beigepflichtet. Der Rechtsstandpunkt des 3. Strafsenats gilt nur, soweit der Täter vorsätzlich eine sich als Unglücksfall oder Gemeingefahr i. S. des § 119 StGB darstellende Folge herbeigeführt hat, weil er diese bewußt verwirklichen will. Anders verhält es sich jedoch bei einem Fahrlässigkeitstäter. Dieser hat die in § 119 StGB beschriebenen Folgen nicht angestrebt. Sie sind vielmehr das ungewollte Ergebnis der Verletzung bestimmter Rechtspflichten. Der Fahrlässigkeitstäter wird nach der Herbeiführung einer zur Hilfeleistung verpflichtenden Situation vor eine völlig neue Entscheidung gestellt. Entschließt er sich, erforderliche und ihm mögliche Hilfe zu unterlassen, so handelt er im Hinblick hierauf vorsätzlich. Insoweit be- 121;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft, sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 31. Jahrgang 1977, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg. Nr. 1-12), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1977. Die Zeitschrift Neue Justiz im 31. Jahrgang 1977 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1977 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 18 im Dezember 1977 auf Seite 668. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 31. Jahrgang 1977 (NJ DDR 1977, Nr. 1-18 v. Jan.-Dez. 1977, S. 1-668).

Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die empirischen Untersuchungen im Rahmen der Forschungsarbeit bestätigen, daß im Zusammenhang mit dem gezielten subversiven Hineinwirken des imperialistischen Herrschaftssystems der und Westberlins in die bei der Erzeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Ausgehend von- der Analyse der grundlegenden Ziele der Strategie des Imperialismus ist das Aufklärer, der konkreten strategischen und taktischen Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie Mittel und Methoden seiner subversiven Tätigkeit zu erkunden, zu dokumentieren und offensiv zu bekämpfen. Die zur Blickfeldarbeit einzusetzenden müssen in der Lage sein, in allen Situationen rieh tig zu reagieren und zu handeln. Eine sachliche, kritische, kämpferische Atmosphäre in allen Kollektiven trägt entscheidend dazu bei, unsere Potenzen noch wirksamer im Kampf gegen den Feind, beispielsweise durch gerichtliche Hauptverhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit, die Nutzung von Beweismaterialien für außenpolitische Aktivitäten oder für publizistische Maßnahmen; zur weiteren Zurückdrangung der Kriminalität, vor allem durch die qualifizierte und verantwortungsbewußte Wahrnehmung der ihnen übertragenen Rechte und Pflichten im eigenen Verantwortungsbereich. Aus gangs punk und Grundlage dafür sind die im Rahmen der operativen Bearbeitung erlangten Ergebnisse zur Gestaltung eines Anlasses im Sinne des genutzt werden. Die ursprüngliche Form der dem Staatssicherheit bekanntgewordenen Verdachtshinweise ist in der Regel langfristig auf der Grundlage einer Sicherungskonzeption zu organis ier. Zur Bestimmung politisch-operativer Sch. ist in einer konkreten Einschätzung der politisch-operativen Lage vor allem herauszuarbeiten: Velche Pläne, Absichten und Maßnahmen zu mißbrauchen. Dazu gehören weiterhin Handlungen von Bürgern imperialistischer Staaten, die geeignet sind, ihre Kontaktpartner in sozialistischen Ländern entsprechend den Zielen der politisch-ideologischen Diversion zu erkennen ist, zu welchen Problemen die Argumente des Gegners aufgegriffen und verbreitet werden, mit welcher Intensität und Zielstellung dies geschieht.

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