Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1975, Seite 459

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 459 (NJ DDR 1975, S. 459); Der Begriff der „Verfassungsfeindlichkeit“ ist aber kein Rechtsbegriff, sondern, wie Prof. Dr. Römer (Marburg) bemerkt, ein politischer Kampfbegriff, der die Grenze zwischen „verfassungsgemäß“ und „verfassungswidrig“ verwischt, der eine Grauzone schafft, in der der Grundrechtsstatus des einzelnen wie der Parteien und Organisationen je nach dem innen- und außenpolitischen Kräfteverhältnis reduziert wird./21/ Die in dieser Hinsicht eindeutigen Verfassungsregelungen werden mit Hilfe des Trickterminus „verfassungsfeindlich“ unterlaufen. Ganz klar sagt Art. 21 Abs. 2 GG: Parteien, die die ihnen eingeräumten Rechte mißbrauchen, „sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“ Das heißt: Allein das Bundesverfassungsgericht besitzt das Entscheidungsmonopol, mit konstitutiver Wirkung die Verfassungswidrigkeit einer Partei auszusprechen. Sofern eine derartige Entscheidung (noch) nicht ergangen ist, hat kein Staatsorgan das Recht, eine Partei oder ihre Mitglieder und Funktionäre so zu behandeln (oder den Anschein zu erwecken), als ob jene verfassungswidrig sei. Dieses sog. Parteienprivileg hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung wie folgt bekräftigt: „Das in erster Linie die Parteiorganisation schützende Privileg des Art. 21II GG erstreckt sich auch auf die mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende parteioffizielle Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Partei.“/22/ Für andere Organisationen als Parteien gilt analog gemäß Art. 9 Abs. 2 GG (in Verbindung mit §§ 3 ff. Vereinsgesetz), daß nur die jeweils zuständige Verbotsbehörde (Innenminister) die Vereinigung (als verfassungswidrig wiederum mit konstitutiver Wirkung) verbieten kann. Ein vorheriges Fingieren der Verfassungswidrigkeit wäre wie im Falle der Parteien selbst verfassungswidrig. Für den einzelnen Bundesbürger schließlich legt Art. 18 GG fest, daß er bei Mißbrauch von Grundrechten diese verwirkt, die Verwirkung jedoch wiederum nur vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden darf. Seit dieses Gericht fungiert, ist das jedoch noch nicht vorgekommen. Art. 18 wurde statt dessen auf die mannigfaltigste Weise (z. B. durch die Strafrechtsänderungsgesetze) „ausgespart“. Deshalb dürften „weder Gesetze noch gar interministerielle Erklärungen“ und .Grundsätze“ an eine behördlich festgestellte .Verfassungsfeindlichkeit“ Rechtsfolgen knüpfen, die der Verwirkung eines Grundrechts gleichkommen“ ./23/ Die Qualifizierung von bestimmten Verhaltensweisen als „verfassungsfeindlich“ ist daher nicht nur rechtlich irrelevant, sondern zugleich verfassungswidrig, wenn wie dies geschieht schwerwiegende Rechtsnachteile für Staatsbürger und Organisationen daraus fließen. Da die polemische Figur „Verfassungsfeind“ nirgends definiert worden ist, steht es gänzlich im Belieben der jeweils zuständigen Einstellungsbehörde, ob sie bei einem Bewerber den Tatbestand für erfüllt ansieht, daß er „verfassungsfeindliche Aktivitäten entwickelt“ eine willkürlich ausfüllbare Leerformel, deren innere Verwandtschaft mit den „unamerican activities“ der McCarthy-Ära fatal in die Augen springt. Und wer bestimmt, was eine „Organisation mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung“ ist, bei deren Mitgliedschaft ein Bewerber kaum eine Chance hat, in den Staatsdienst zu gelangen? Auch dies machen die Verwaltungsbehörden in Bund und Ländern durchaus unterschied- /21 / Römer, „Zur verfassungswidrigen Praxis der Anhörungs-verfahren“, Blätter für deutsche und Internationale Politik 1975, Heit 2, S. 128. f22j BVerfGE Bd. 12, Leitsatz S. 296 JL /23/ Hartmann, in „Wortlaut und Kritik a. a. O., S. 35. lieh! in eigener Regie. Welche Konsequenzen das hat, wird noch zu zeigen sein. Soviel sei an dieser Stelle nur vorab angemerkt: Die DKP wird ausnahmslos regierungsoffiziell als eine solche Organisation angesehen. Die damit gegebene offenkundige Verletzung des verfassungsmäßig fixierten Parteienprivilegs versucht man durch apologetische Hilfskonstruktionen zu bemänteln, deren Armseligkeit nur durch den Zweck geheiligt wird, fortschrittlichen Kräften in der BRD auch die geringste Möglichkeit abzuschneiden, aktiv an der Staatsgestaltung mitzuwirken, so wie es laut Grundgesetz eigentlich vorgesehen ist. Das liest sich bei einem Befürworter der Berufsverbote so: „Es muß auch bei Respektierung des Parteienprivilegs Abstufungen zwischen den Extremen .absolute Verfassungsintegrität“ und autoritativ festgestellte .Verfassungswidrigkeit“ geben. Mit der Anerkennung dieser Mischzone steht und fällt der Ministerpräsidentenbeschluß.“ /24/ Diese seltsame „Stufen“- oder „Mischzonen“-Theorie findet im geltenden Recht der BRD keine Stütze. Sie liefert der Exekutive höchstens ein Alibi, wenn sie nach „freiem Ermessen“ ihre Aussortierungen unter den Bewerbern für den öffentlichen Dienst vornimmt. In einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 25. Januar 1974 wird dazu gesagt, Art. 21 GG lasse „keine skalenartigen Abstufungen im Grade der .Verfassungsfreundlichkeit“ zu“. Jede Partei gelte bis zu ihrem Verbot positiv als verfassungsgemäß. Solcherart Differenzierung sei ein „juristischer Kunstgriff“, „der geeignet ist, die Schutzwirkung des Art 21 GG auszuhöhlen“ ,/25 / Die Folgen der Erklärung von Bürgern, die ihre Grundrechte wahrnehmen, zu „Verfassungsfeinden“ sind inzwischen notorisch. Die Verletzung des Gleichheitsprinzips als eines grundlegenden Merkmals der bürgerlichen Demokratie, das eine Benachteiligung wegen der „politischen Anschauungen“ verbietet (Art. 3 Abs. 3 GG) und nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt gebietet, ohne daß aus der weltanschaulichen Zugehörigkeit ein Nachteil erwachsen dürfte (Art. 33 Abs. 2, 3 GG), demonstriert täglich aufs neue, daß sich bei der Bourgeoisie Prinzip und Praxis ständig in den Haaren liegen, daß die bürgerliche Demokratie eng, begrenzt, formal und heuchlerisch ist. Der Berufsverbotserlaß „ermöglicht, mißliebige politische Gegner als Verfassungsfeinde zu bezeichnen, sie aus dem politischen Willensbildungsprozeß auszuschalten und sich so einer politisch-inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihnen zu entziehen.“/26/ Politische Hexenjagd Von der Möglichkeit, mißliebige politische Gegner unter Berufung auf die „Grundsätze“ vom 28. Januar 1972 mit Berufsverboten zu überziehen und damit sowohl ihr politisches Wirksamwerden wie ihr persönliches Fortkommen, ihre berufliche Entwicklung, die Entfaltung ihrer Fähigkeiten einschneidend zu behindern, ist seither in einer Weise Gebrauch gemacht worden, die manchen ihrer Initiatoren inzwischen hat dämmern lassen, daß sie die von ihnen gerufenen Geister kaum noch loswerden können. Im April 1974 klagte der sozialdemokratische „Vorwärts“: „Der Beschluß der Regierungschefs hat zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit in den Ländern geführt.“/27/ Bei einer /24) Borgs-Maclejewski, „Radikale im öffentlichen Dienst“, Aus Politik und Zeitgeschichte (Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“) B 27/73, S. 20. /25/ Abgedruckt in: Demokratie und Recht 1974, Heft 2, S. 217 fl. (225). /26/ Martin, „Wer ist edn Verfassungsfeind?“, Aus Politik und Zeitgeschichte B 5/74, S. 29. /27/ v. Auer, „Ende eines radikalen Erlasses?“, Vorwärts vom 12. April 1974, S. 14. 459;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 459 (NJ DDR 1975, S. 459) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 459 (NJ DDR 1975, S. 459)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1975. Die Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1975 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1975 auf Seite 726. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 (NJ DDR 1975, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1975, S. 1-726).

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