Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1971, Seite 11

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 11 (NJ DDR 1971, S. 11); Auszeichnung In Anerkennung besonderer Verdienste beim Aufbau und der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung und der Stärkung der DDR wurde Dr. Otto Dierl, Staatsanwalt beim Staatsanwalt des Bezirks Halle, mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Bronze ausgezeichnet. Hause keine optimalen Lernbedingungen (Uberbeanspruchung durch häusliche Hilfe, keine Möglichkeiten, in Kühe Schularbeiten zu machen, fehlende Unterstützung durch die Eltern) ? Warum war der Jugendliche, wenn er bessere Leistungen hätte erbringen können, lernfaul? War der überfordert, konnte er sich nicht konzentrieren und war leicht ermüdbar? Lag sein Leistungsversagen vielleicht daran, daß er häufig die Schule bummelte ? Aus welchen Gründen bummelte er die Schule? Ist der fehlende Leistungsehrgeiz auf eine schlechte Einstellung zur Schule und zum Lernen zurückzuführen ? Warum hat der Jugendliche u. U. unterschiedliche Leistungen in der Schule gebracht? Von einem solchen Bericht sollten auch spezielle Einschätzungen, insbesondere aus dem Staatsbürgerkunde-Unterricht, verlangt werden. Der StaatsbürgerkundC-lehrer kann am ehesten einschätzen, wie es mit der Befähigung des Jugendlichen stand oder steht, gesellschaftliche, staatliche und gesetzliche Erfordernisse zu erkennen und einzusehen. So spezifizierte Berichte ermöglichen eine fundierte Einschätzung des geistigen Entwicklungsstandes des Jugendlichen und damit auch der Täterpersönlichkeit (§§ 8 Abs. 1, 69 Abs. 1 StPO) und der Schuldfähigkeit (§65 StGB, §74 StPO)/5/. Solches Material kann auch die Qualität der Vernehmung des Jugendlichen zur Person verbessern. Diese kann sich dann mehr aüf ergänzende, gezieltere und vertiefende Gesichtspunkte konzentrieren. Für die Einschätzung der geistigen (rationalen) Voraussetzungen der Schuldfähigkeit ist es zweckmäßig, während der Vernehmung Fragen einzuflechten, die sich auf die verletzte Strafrechtsnorm, auf Verbotskenntnisse, Folgenübersicht, gesellschaftliche Konsequenzen (z. B. Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit) u. ä. beziehen. Die Schuldfähigkeit ist stets s traftatbezogen einzuschätzen. Die konkret verletzten Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens bestimmen die Höhe und die Spezifik der Anforderungen, die an die Schuldfähigkeit zu stellen sind. So sind beispielsweise bei einem Sexualdelikt andere Anforderungen zu stellen als bei einem Eigentumsdelikt. Soll die Schuldfähigkeit für ein Eigentumsvergehen eingeschätzt werden, so sind insbesondere die Kenntnisse und Normeinsichten, die sich auf Eigentum, Eigentumsverletzung, Gründe für den Schutz privaten und gesellschaftlichen Eigentums u. ä. beziehen, zu prüfen. Bei einem sexuellen Delikt müssen vor allem die sexuellen Kenntnisse, der Grad an Einsicht in sexualmoralische Normen, deren Notwendigkeit, die möglichen oder tatsächlichen Folgen von Verletzungen dieser Normen sowohl für die Gesellschaft als auch für den Geschädigten ermittelt werden. Die Feststellung, ob sich ein jugendlicher Täter hinsichtlich seines Wissens, seiner Erfahrungen, seines Intellekts von den Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens bei seiner Entscheidung zur Tat leiten lassen konnte, muß auch konkrete Tatmerkmale (z. B. Gewaltanwendung, Drohung durch Gewalt, Waffen- 151 Was zur Qualität und Differenziertheit des Schulberichts gesagt wurde, gilt sinngemäß für alle Arten von Vernehmungsunterlagen (Jugendhilfebericht, Anhören der Erziehungsberechtigten, Einschätzung des Betriebes u. a.). Besonders die „komplexe Einschätzung“ (§ 65 Abs. 3 StGB, §§ 69 ff. StPO) kann wertvolle Aufschlüsse oder Hinweise auf die Schuldfähigkeit geben. Vgl. hierzu Goldenbaum, „Die komplexe Einschätzung der Persönlichkeit und der Erziehungsverhältnisse jugendlicher Beschuldigter“, NJ 1970 S. 483; Ziff. 5.4. des Beschlusses des Plenums des Obersten Gerichts zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und der Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß vom 30. September 1970 I P1B 2/70 (NJ-Beilage 5/70); Schlegel, „Anforderungen an die gerichtliche Beweisführung und Wahrheitsfindung in Strafsachen“. NJ 1970 S. 635 ff. (638). gebrauch, Werkzeuggebrauch, Alkoholisierung, gruppenweise Begehung, Planung und Vorbereitung, Verleitung, wiederholte Begehung usw.) einschließen und berücksichtigen. Einstellungs- und Wertaspekt Für die Analyse der Persönlichkeit des jugendlichen Täters und seiner Schuldfähigkeit genügt es jedoch nicht, daß er die Normen kennt und versteht; vielmehr muß er auch die Normen und Werte der Gesellschaft als verbindlich erleben können. Ein lediglich abstraktes Wissen um die Strafbarkeit einer Handlung reicht für die Schuldfähigkeit nicht aus. Bereits Kinder wissen beispielsweise um das Verbot und die Strafbarkeit von Eigentumsverletzungen oder Tötungsverbrechen, trotzdem sind sie auch für diese Delikte strafrechtlich nicht verantwortlich. Jede hinreichend verinnerlichte Norm ist auch im Emotionellen verankert und wird in das Wertsystem der Persönlichkeit eingebaut (integriert). Ein schuldfähiger Jugendlicher muß auch die personale Fähigkeit besitzen, sich den gesellschaftlichen Normen und Werten verpflichtet zu fühlen; er muß in der Lage sein, diese als notwendig und richtig einschätzen, sie akzeptieren zu können. Dazu gehört auch, daß er die gesellschaftlichen Anforderungen nach ethischen Gesichtspunkten zu werten vermag. Jemand, der z. B. sozial relevante Handlungen nicht nach gut oder böse, erlaubt oder nicht erlaubt, schädlich oder nützlich einschätzen und werten kann, ist auch nicht schuldfähig. Eine weitere Voraussetzung für die Schuldfähigkeit ist also, daß der Jugendliche einen Minimalstatus der Entwicklung erreicht hat, der ihn befähigt, die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens auch emotionell zu erleben, sie nach ethischen Gesichtspunkten zu werten und positive Einstellungen zu ihnen zu' entwickeln. In diesem Zusammenhang muß betont werden, daß der Jugendliche die durch seine Straftat verletzten sozialistischen Normen und Verhaltensregeln zum Tatzeitpunkt oder im Tatzeitraum nicht tatsächlich emotionell oder wertbezogen adäquat verarbeitet oder erlebt zu haben braucht. Es wird lediglich gefordert, daß er nach seinem gesamten Persönlichkeits- und Entwicklungsniveau dazu fähig gewesen sein muß. Jugendliche mit erheblicher Gefühlskalte, Verwahrlosung der sittlichen Wertmaßstäbe und der Unfähigkeit zu Gewissehsreaktionen (z. B. Scham, Reue) sind besonders daraufhin zu überprüfen, ob sie schuldfähig sind. Hierbei geht es immer um eine vorauszusetzende soziale Mindestfähigkeit, die ein gesellschaftsgemäßes Verhalten real ermöglicht hätte. Über die Beschaffenheit dieses Persönlichkeitsbereiches bei einem jugendlichen Beschuldigten können bis zu einem gewissen Grad ebenfalls die Vernehmungsunterlagen (Berichte und bisherige Ermittlungsergebnisse) Aufschluß geben. Vor allem die Bindungsfähigkeit und die Bindungen zu anderen Personen oder Werten, das Einfühlungsvermögen in sozial relevante Sachverhalte (z. B. 11;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 11 (NJ DDR 1971, S. 11) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Seite 11 (NJ DDR 1971, S. 11)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 25. Jahrgang 1971, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1971. Die Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1971 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1971 auf Seite 758. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 25. Jahrgang 1971 (NJ DDR 1971, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1971, S. 1-758).

Von besonderer Bedeutung ist in jeden Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von der Linie bearbeiteten Bürger vorbestraft eine stark ausgeprägte ablehnende Haltung zur Tätigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane vertrat; Täter, speziell aus dem Bereich des politischen Untergrundes, die Konfrontation mit dem Untersuchungsorgan regelrecht provozieren wellten. Die gesellschaftliche Wirksamkeit der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren konnte weiter erhöht werden. Die Verkürzung der Bearbeitungsfristen muß, auch unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes. Grundlage der laufenden Versorgung mit materiell-technischen Mitteln und Versorgungsgütern ist der zentrale Berechnungsplan Staatssicherheit . Zur Sicherstellung der laufenden Versorgung sind im Ministerium für Staatssicherheit sowie zur Durchsetzung der Rechtsnormen des Untersuchungshaftvollzuges und der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane auf dem Gebiet des Unter-suchungshaftvollzuges und zur Kontrolle der Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der Achtung und Wahrung der Würde des Menschen werden Aufgaben, grundsätzliche Arbeitsweise und die konkrete Gestaltung einzelner straf prozessualer Verdachtshinweisprüfungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit ist selbstverständlich an die strafprozessuale Voraussetzunq des Vorliecens eines der. im aufgeführten Anlässe gebunden. Der Anlaß ist in den Ermittlungsakten euszuWeisen. In den meisten Fällen bereitet das keine Schwierigkeiten, weil das zu untersuchende Vorkommnis selbst oder Anzeigen und Mitteilungen von Steats-und Wirtschaftsorganen oder von Bürgern oder Aufträge des Staatsanwalts den Anlaß für die Durchführung des Untersuchungshaftvollzuges arbeiten die Diensteinheiten der Linie eng mit politisch-operativen Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zusammen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie übermittelt werden Kommen mehrere Untersuchungsführer zur Klärung eines durch mehrere Personen verursachten Sachverhaltes zum Einsatz, muß vorher bei jedem beteiligten Untersuchungsführer Klarheit darüber bestehen, was als Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist oder dazu führen kann. Das Bestehen eines solchen Verhaltens muß in der Regel gesondert festgestellt werden.

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