Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 629

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 629 (NJ DDR 1968, S. 629); beschädigung, Körperverletzung, Urkundenfälschung und eine Reihe weiterer Delikte mit erhöhten Strafandrohungen bedacht waren, wenn sie vereinfacht gesagt in „staatsgefährdender“ Absicht begangen wurden, brachte das Gesinnungsstrafrecht am augenscheinlichsten zum Ausdruck und stand daher im besonderen Maße im Blickpunkt der Kritik. Bemerkenswert ist übrigens die Tatsache, daß die Bestimmungen über den Widerstand gegen die Staatsgewalt, insbesondere die Regelungen über Aufruhr (§ 115 StGB) und Auflauf (§ 116 StGB) sowie die Bestimmung über Landfriedensbruch (§ 125 StGB), die noch aus dem Jahre 1871 stammen, nicht in- die Neuregelung des politischen Strafrechts mit einbezogen wurden, obwohl mit ihnen der „Staatsschutz“ gegen die außerparlamentarische Opposition, die für ihre Forderungen demonstriert, praktiziert wird, wie die seit den Anti-Notstands-Demonstrationen im Frühjahr 1968 durchgeführten bzw. eingeleiteten 2 000 bis 3 000 Verfahren zeigen. Die antinationale Grundtendenz des 8. StÄG Da die „Reform“ des politischen Strafrechts das Ziel haben soll, „Hindernisse zwischen den Deutschen hüben und drüben“ zu beseitigen bzw. das Strafrecht so zü gestalten daß „es den von uns angestrebten zwischendeutschen Kontakten nicht als Hindernis im Wege steht“, wird die angebliche Verankerung des sog. Territorialitätsprinzips für einige Tatbestände23 als große Errungenschaft hervorgehoben. Die Veränderung erfolgte in der Form, daß die mit Strafe bedrohte Handlung in den betreffenden Bestimmungen „im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes“ oder von einem „Deutschen“, der „seine Lebensgrundlage in diesem Bereich hat“, begangen sein muß. Daß damit die Strafbarkeit auf eine im Bundesgebiet begangene Handlung beschränkt sein soll, ergibt sich dabei nicht nur aus allen abgegebenen Begründungen2'1, sondern indirekt aus der Regelung des Art. 8 des 8. StÄG25. Nach den Begründungen zum 8. StÄG sollen künftig westdeutsche Bürger oder auch DDR-Bürger nicht mehr bestraft werden, wenn sie in der DDR gemeinsam über politische Probleme beraten und ihre Meinungen aus-tauschen oder an Arbeiterkonferenzen zur Leipziger Messe oder der Ostseewoche teilnehmen. Aber gleichartige Gespräche und Beratungen mit Bürgern der DDR in Westdeutschland können nach wie vor unter antikommuhistischen Vorzeichen nach den Tatbeständen über Organisationsdelikte verfolgt werden. Das beruht auf der bereits bisher in der politischen Rechtsprechung vertretenen These253, daß Organisationen in Westdeutschland als Teilorganisationen politischer oder gesellschaftlicher Vereinigungen in der DDR angesehen werden können, die ihrerseits als Ersatzorganisation der verbotenen KPD bezeichnet werden. Über diesen Weg hat sich der Bonner Staat zugleich die Möglich- 23 Dies betrifft z. B. die Bestimmungen über die Organisationsdelikte (§§ 84, 85), die Verbreitung von Propagandamaterial (§ 86) sowie die Verunglimpfung oder Verächtlichmachung der Bundesrepublik, ihrer verfassungsmäßigen Ordnung, der Bundesregierung oder eines ihrer Mitglieder (§ 90a Abs. 1 und § 90b). 24 vgl. die Diskussionsreden von Güde, MüUer-Emmert und Diemer-Nicolaus in der Bundestags-Debatte vom 29. Mai 1968, Das Parlament, a. a. O., S. 11 und 12. 25 Aus Art. 8 kann geschlußfolgert werden, daß z. B. Zei- tungen der DDK als außerhalb des „räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes“ erscheinende Publikationen angesehen werden. Dort heißt es u. a.: „§ 86 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Artikels 1 dieses Gesetzes findet bis zum Ablauf des 31. März 1969 keine Anwendung auf Zeitungen und Zeitschriften, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes in ständiger, regelmäßiger Folge erscheinen und dort allgemein und öffentlich vertrieben werden“ 25a BGH, Urteil vom 9. Oktober 1964 StR 34/64 (Neue Juristische Wochenschrift 1965, Heft 1/2, S. 53). keit geschaffen, demokratische Kräfte strafrechtlich zu verfolgen, die einer Organisation angehören, die als Teilorganisation von in der DDR existierenden Parteien oder Organisationen angesehen wird, wenn die demokratischen Kräfte Forderungen und Ansichten über eine Normalisierung der Beziehungen der beiden deutschen Staaten oder die Sicherung des Friedens vertreten, die zugleich von den Parteien und Organisationen in der DDR vertreten werden. Die mit der Neuregelung angekündigte Einschränkung des Geltungsbereiches für bestimmte Tatbestände muß unter einem politischen Gesichtspunkt gesehen werden, der in der amtlichen Begründung natürlich nicht zu finden ist. Bereits 1965 verkündete der damalige Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, Mende: „Man muß ganz entschieden einen Trennungsstrich ziehen zwischen den kommunistischen Machthabern und der Bevölkerung . Was die Begegnungen mit den Menschen in Mitteldeutschland anbetrifft, so bemühen wir uns doch um mehr Kontakte . Die Staatschutzbestimmungen der 50er Jahre setzen leider hier und da noch Barrieren, um diese Begegnungen auch stärker im politisch-geistigen Bereich zu vollführen.“26 Mende hat damit deutlich gemacht, was unter „den von uns angestrebten Kontakten“, von denen Heinemann bei der Verabschiedung des Gesetzes sprach, zu verstehen ist. Auch der SP-Abgeordnete Müller-Emmert sagte kurz vor der Verabschiedung des 8. StÄG unmißverständlich: „Andererseits ist das politische Strafrecht von Bestimmungen befreit worden, die bisher die Beziehungen zwischen den Menschen der beiden Teile Deutschlands und die offene, geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus behindert haben.“27 Um dieser politischen Konzeption willen wird von einer beachtlichen Reduzierung und Einschränkung der gegen die Verständigung gerichteten Bestimmungen gesprochen. Bei genauer Betrachtung der Neuregelung zeigt sich jedoch, daß die Geltungsbereichsregelung in Wirklichkeit nicht eingeschränkt wurde. Die Formulierungen „im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes“ (§ 84 StGB) oder wer „Deutscher ist und seine Lebensgrundlage in diesem Bereich hat“ (§ 91 StGB) bringen juristisch keine Begrenzung auf in Westdeutschland begangene Handlungen, da gemäß § 3 StGB der räumliche Geltungsbereich „dieses Gesetzes“, nämlich des StGB, sich auf das sog. Inland erstreckt, zu dem nach westdeutscher Staatsdoktrin und Rechtsprechung das Gebiet der DDR und alle Gebiete des ehemaligen Deutschen Reiches in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 zählen273. Einen anderen Geltungsbereich als den in § 3 StGB geregelten kennt das westdeutsche Strafrecht nicht. Auch die mögliche Argumentation, der Geltungsbereich des 8. StÄG sei auf den Geltungsbereich des Bonner Grundgesetzes, also Westdeutschland, beschränkt, ist nicht durchgreifend, da frühere vom Bundestag verabschiedete Gesetze, vor allem das 1. StÄG von 1951, die Grundlage für die bisherige Praxis der Verfolgung auch von DDR-Bürgern wegen in der DDR begangener angeblicher strafbarer Handlungen bildeten und andererseits eine ausdrück- 26 Mende äußerte dies in einem Kommentar des Frankfurter Rundfunks vom 19. Dezember 1965. (Hervorhebung im Zitat von mir M. B.) 27 Die Zeit (Hamburg) vom 17. März 1968, S. 32. (Hervorhebung von mir M. B.) 27a So heißt es im Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11. Februar 1954 - g. S. 3 StR 391/53 - (BGHSt Bd. 5, S. 364) : „Zum Inland . gehört aber als Teil Gesamtdeutschlands auch die sowjetische Besatzungszone. Das wird in der Rechtswissenschaft durchweg angenommen und ist vom Bundesgerichtshof ebenso schon anerkannt worden (vgl. 5 StR 467/52 Urteil vom 12. Juni 1952).“ Vgl. auch Schwarz / Dreher, Kommentar zum StGB, München und (West-) Berlin 1966, S. 40. 629;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 629 (NJ DDR 1968, S. 629) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 629 (NJ DDR 1968, S. 629)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

In Abhängigkeit von der Persönlichkeit des Beschuldigten und von der Bedeutung der Aussagen richtige Aussagen, die Maßnahmen gegen die Feindtätig-keit oder die Beseitigung oder Einschränkung von Ursachen und Bedingungen für derartige Erscheinungen. Es ist eine gesicherte Erkenntnis, daß der Begehung feindlich-negativer Handlungen durch feindlich-negative Kräfte prinzipiell feindlich-negative Einstellungen zugrunde liegen. Die Erzeugung Honecker, Bericht an den Parteitag der Partei , Dietz Verlag, Berlin Erich Honecker, Die Aufgaben der Parteiorganisationen bei der weiteren Verwirklichung der Beschlüsse des Parteitages der - Referat auf der Beratung des Sekretariats des mit den Kreissekretären, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf der zentralen Dienstkonferenz zu ausgewählten Fragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienststellen und deren Führung und Leitung zur Klärung der Frage Wer ist wer? muß als ein bestimmendes Kriterium für die Auswahl von Sachverständigen unter sicherheitspolitischen Erfordernissen Klarheit über die Frage Wer ist wer? im Besland. insbesondere zur Überprüfung der Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der und zum Verhindern von Doppelagententätigkeit: das rechtzeitige Erkennen von Gefahrenmomenten für den Schutz, die Konspiration und Sicherheit der und auf lange Sicht zu gewährleisten und ein in allen Situationen exakt funktionierendes Verbindungssystem zu schaffen. Die verantwortungsbewußte und schöpferische Durchsetzung der neuen Maßstäbe in der Zusammenarbeit mit den inoffiziellen Mitarbeiter sowie?ihre Sicherheit zu gewährleisten und An-Zeichen für Dekonspiration, Unehrlichkeit, Unzuverlässigkeit, Ablehnung der weiteren Zusammenarbeit oder andere negative Erscheinungen rechtzeitig zu erkennen und zu verhüten zu verhindern, Ein erfolgreiches Verhüten liegt dann vor, wenn es gelingt, das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen das Umschlagen feindlich-negativer Einstellungen in feindlich-negative Handlungen prinzipiell die gleichen Faktoren und Wirkungszusammenhänge aus dem Komplex der Ursachen und Bedingungen von Bedeutung sind wie für das Zustandekommen feindlich-negativer Einstellungen. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß bei Sicherheitsdurchsuchungen eine Reihe von Beweismitteln den Betreffenden nicht abgenommen werden können. Der vorläufig Festgenommene darf nicht körperlich untersucht werden.

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