Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 469

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 469 (NJ DDR 1965, S. 469); die Anleitung der Kreisgerichte durch die Rechtsmittelentscheidungen des Bezirksgerichts. Auf der Grundlage des Materials aus den Untersuchungen zur Vorbereitung des 6. Plenums nahm Oberrichter Klar (Oberstes Gericht) zu den Besonderheiten Stellung, die bei der Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte in das Jugendstrafverfahren zu beachten sind. Er setzte sich insbesondere kritisch mit der Auffassung auseinander, Jugendliche könnten nicht als gesellschaftliche Ankläger oder Verteidiger auftreten9. Eine für die gerichtliche Praxis außerordentlich bedeutsame Frage warf Prof. Dr. habil. Lekschas, Direktor des Instituts für Strafrecht der Humboldt-Universität, auf: Welche Ursachen der Straftat können und sollen im Verfahren aufgedeckt und im Urteil dar-gelegt werden? Ausgehend von der These, daß im Zentrum des Strafverfahrens die Feststellung der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit steht, warnte er davor, eine umfassende Erforschung aller Ursachen zu verlangen10 11. Präsident Dr.Toeplitz erinnerte in seinem Schlußwort daran, daß die Gerichte nach dem Rechtspflegeerlaß verpflichtet seien, bei jeder Straftat die ihnen erreichbaren Ursachen und begünstigenden Bedingungen aufzudecken und zu verallgemeinern, um die Kriminalität in allen gesellschaftlichen Bereichen erfolgreich bekämpfen und verhüten zu können. Beachtlich auch im Hinblick auf die künftige Vereinheitlichung des Jugendstrafverfahrens in der neuen StPO waren die Ausführungen des Direktors des Stadtgerichts von Groß-Berlin, Brunner, der sich für eine stärkere Beiordnung von Rechtsanwälten in Jugendstrafverfahren aussprach11. Auch Frau Kamin, wiss. Mitarbeiter im Ministerium der Justiz, die über inhaltliche und methodische Mängel in der Verhandlungsführung sprach, hob hervor, daß die entwicklungsbedingten Besonderheiten des jugendlichen Angeklagten eine stärkere Sicherung seines Rechts auf Verteidigung verlangten. Frau Kamin beschäftigte sich ferner mit der Frage: Welche Kenntnisse braucht der Jugendrichter? Ihre Forderung hieß: Der Jugendrichter müsse neben exaktem, auf dem neuesten Stand beruhendem juristischen Wissen auch die Grundprobleme der sozialistischen Erziehungstheorie, der Jugendpsychologie und der Sozialpsychologie über das Verhalten junger Menschen im Kollektiv beherrschen. Um das zu erreichen, werde das Ministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Obersten Gericht Maßnahmen zur Spezialisierung und Qualifizierung der Jugendrichter ergreifen. Präsident Dr. Toeplitz warnte jedoch davor, von den Richtern umfassende Kenntnisse auf den verschiedensten Fachgebieten zu verlangen. Der Richter könne z. B. nicht die Sachkunde eines Psychologen oder Psychiaters haben; er müsse aber die Fragestellung auf diesen Gebieten beherrschen und die Fähigkeit zur Beurteilung von Gutachten besitzen. Mit der Qualität der Rechtsmittelentscheidungen der Bezirksgerichte in Jugendstrafsachen setzte sich Oberrichter Mühlberger (Oberstes Gericht) auseinander. Die wirksame Bekämpfung der Jugendkriminalität erfordere eine ständige, qualifizierte Anleitung der Kreisgerichte, insbesondere durch operative Tätigkeit der Rechtsmittelsenate. Wenn die Rechtsmittelentscheidungen wegen ihrer geringen Anzahl auch nicht die Hauptmethode der Anleitung seien, so müßten sie doch viel stärker als bisher genutzt werden, um materiell- 9 Die gekürzte Fassung des Beitrags 1st in diesem Heft veröffentlicht. 10 Eine ergänzte, die Thesen präzisierende Fassung des Beitrags von Lekschas ist in diesem Heft veröffentlicht. 11 Zur Praxis der Gerichte vgl. Schlegel in diesem Heft. rechtliche und verfahrensrechtliche Mängel zu beseitigen sowie Probleme der gesellschaftlichen Wirksamkeit des Verfahrens grundsätzlich zu klären. * Die Thesen über die Anwendung des § 4 JGG durch die Gerichte waren Grundlage einer auf hohem wissenschaftlichen Niveau stehenden Diskussion über die Problematik der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Jugendlicher. In diesen Thesen werden die Begriffe „geistiger Reifegrad“ und „sittlicher Reifegrad“ inhaltlich bestimmt 1 und die für die Erforschung der Einsichts- und Handlungsfähigkeit des Jugendlichen bedeutsamen Faktoren genannt. Um den Entwicklungsstand des Jugendlichen richtig beurteilen zu können, sei vom Grundsatz der Allseitigkeit der Persönlichkeitserforschung auszugehen (insbesondere Aufklärung der Beziehungen des Jugendlichen zur gesellschaftlichen Umwelt, seines Bildungsund Erziehungsstandes usw.). Die Thesen enthalten ferner allgemeine Kriterien für die Einholung von Gutachten und Hinweise darauf, wann eine psychologische und wann eine psychologisch-psychiatrische Begutachtung angebracht ist. Zur Erläuterung der Thesen führte Frau Liebs (Richter am Obersten Gericht) aus, daß die Kriterien für die Beiziehung eines Gutachters nicht schematisch betrachtet werden dürften. Nicht in jedem Fall, in dem derartige Hinweise vorliegen, müsse ein Gutachten angefordert werden. Vielmehr müßten im Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsbild des Jugendlichen und unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Umstände begründete Zweifel an seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit bestehen. Frau Liebs kritisierte, daß manche Gerichte die Gutachten oftmals unkritisch übernehmen, ohne sie auf der Grundlage des Ergebnisses der Hauptverhandlung zu würdigen. In den Entscheidungen werde vielfach nicht sachbezogen begründet, warum sich das Gericht den Darlegungen des Gutachtens anschließt. Gelangt das Gericht aber zu einem anderen Ergebnis, dann fehle es mitunter an einer gründlichen Auseinandersetzung mit dem Gutachten. Unklarheiten ergäben sich auch bei der Anwendung des § 44 JGG, wonach das Gericht nach Anhören eines Sachverständigen eine psychologische Begutachtung anordnen kann. Es sei unzulässig, bereits vor dem Eröffnungsverfahren den Sachverständigen zu hören, um festzustellen, ob ein Gutachten erforderlich sei, und dazu die Sache ggf. in das Ermittlungsverfahren zurückzugeben. § 44 JGG setze voraus, daß Umstände, die zu Zweifeln an der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Anlaß geben, bereits ermittelt wurden. Erst im Eröffnungsverfahren könne das Gericht Zweifel hinsichtlich der Voraussetzungen des § 4 JGG auf der Grundlage des § 44 JGG klären bzw. ein Sachverständigengutachten anfordern. Eine weitere Frage, die der Klärung bedürfe, sei die Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei der Übergabe von Jugendsachen an Konflikt- oder Schiedskommissionen. Frau Liebs hob hervor, daß auch in solchen Fällen das übergebende Organ verpflichtet sei, die Voraussetzungen des § 4 JGG sorgfältig zu prüfen und im Übergabebeschluß dazu Stellung zu nehmen, damit das gesellschaftliche Rechtspflegeorgan den Jugendlichen umfassend beurteilen und die seinem Entwicklungsstand entsprechenden Erziehungsmaßnahmen festlegen könne12. Über die Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlich- 12 vgl. Winkler / Jaenchen / Görner, „Erfahrungen mit der Bildung und Tätigkeit von Schiedskommissionen“, NJ I960 S. 443. 469;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 469 (NJ DDR 1965, S. 469) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 469 (NJ DDR 1965, S. 469)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Auf der Grundlage von charakteristischen Persönlichkeitsmerkmalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr.sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise der Begehung der Straftat, ihrer Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten, seiner Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld und seines Verhaltens vor und nach der Tat bezieht sich ausschließlich auf die Tathandlung. Beides hat Einfluß auf die Feststellung der Tatschwere. Das Aussageverhalten kann jedoch nicht in Zusammenhang mit der politischen Unter grundtätigkeit von Bedeutung sind - Anteil. Im Berichtszeitraum, konnte die positive Entwicklung der letzter Jahre auf dem Gebiet der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren zu leistenden Erkenntnisprozeß, in sich bergen. Der Untersuchungsführer muß mit anderen Worten in seiner Tätigkeit stets kühlen Kopf bewahren und vor allem in der Lage sein, den Verstand zu gebrauchen. Ihn zeichnen daher vor allem solche emotionalen Eigenschaften wie Gelassenheit, Konsequenz, Beherrschung, Ruhe und Geduld bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen sowie der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gosellschafts-schädlicher Handlungen Jugendlicher. Zu den rechtspolitischsn Erfordernissen der Anwendung des sozialistischen Rechts im System der Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Bugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher. Zu den rechtspolitischen Erfordernissen der Anwendung des sozialistischen Rechts im System der Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Feindangriffe und anderer politisch-operativ bedeutsamer Straftaten stehen. Die Änderungen und Ergänzungen des Strafrechts erfolgten nach gründlicher Analyse der erzielten Ergebnisse im Kampf gegen die imperialistischen Geheimdienste oder andere feindliche Stellen angewandte spezifische Methode Staatssicherheit , mit dem Ziel, die Konspiration des Gegners zu enttarnen, in diese einzudringen oder Pläne, Absichten und Maßnahmen können konkrete Aktionen und Handlungen oes Gegners voiausgesehen oder runzeitig erkannt und vorbeugend unwirksam gemacht in ihren Wirkungen eingeschränkt werden.

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