Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 466

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 466 (NJ DDR 1962, S. 466); aussetzung, dem das Kreisgericht stattgab, noch bevor die Strafvollstreckung eingeleitet war. Der Beschluß wird vor allem damit begründet, daß die Verurteilte das gestohlene Geld zurückgegeben hatte. Diese Tatsache war bereits ausdrücklich im Urteil festgestellt worden. Mit diesem Beschluß hat das Kreisgericht zwar den falschen Strafausspruch korrigiert. Vielleicht hatte es die Möglichkeit der Anwendung des § 346 StPO schon bei der Verurteilung ins Auge gefaßt. Es ist aber ein Anliegen der Richtlinie Nr. 12, diese Praxis des Korri-i gierens zu überwinden und zu einer richtigen Anwendung der kurzfristigen Freiheitsstrafe anzuleiten. Wenn das Kreisgericht die Richtlinie Nr. 12 beachtet hätte, dann wäre es im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Motivs der Handlung, des verursachten Schadens und des Verhaltens der Täterin nach der Tat zu einer richtigen Einschätzung des Grades der Gesellschaftsgefährlichkeit und zu einer erneuten bedingten Verurteilung gekommen. Wie wenig mit der Richtlinie gearbeitet wird, zeigt auch das Verfahren S 10/62 des Kreisgeridits Magdeburg (Süd-Ost). Folgender Fall hatte sich ereignet: Der 56 Jahre alte Fuhrwerkslenker R., der bei einem privaten Fuhrunternehmer tätig war, begann am 30. November 1961 seine Tätigkeit im betrunkenen Zustand. Er trieb die Pferde seines Fuhrwerks zum schnellen Trab, wodurch ein Tier ermüdete, stürzte und einige Schürfwunden erlitt. Als R. das Pferd, u. a. auch mit Fußtritten, wieder zum Stehen gebracht hatte, ließ er es bis zum Abend Weiterarbeiten. Weil R. unter Alkoholeinfluß ein Fuhrwerk im öffentlichen Straßenverkehr gelenkt hatte, erhielt er von der Volkspolizei eine Strafverfügung über 70 DM. Wegen Tierquälerei verurteilte ihn das Kreisgericht außerdem zu drei Monaten Gefängnis. Im Urteil wird R. als ein dem Alkohol zugeneigter Mensch eingeschätzt, der ständig als Arbeiter tätig war, im allgemeinen sehr gut arbeitete, aber nicht „aus dem Bewußtsein, der Gesellschaft etwas zu geben, sondern um viel zu verdienen“. Solche Formulierungen, die sich auch in vielen anderen Urteilen finden, zeigen eine ungenügende Kenntnis der Richter von den Gesetzmäßigkeiten des sozialistischen Aufbaus. Sie ignorieren, daß das Bewußtsein der Menschen sich nicht einheitlich, gradlinig und gleich schnell entwickelt und daß die hauptsächlichste gesellschaftliche Tätigkeit eines Bürgers unseres Staates seine Pflichterfüllung in der Produktion ist, die seine Grundhaltung zur Gesellschaft entscheidend bestimmt. Es muß klar sein, daß das Prinzip der materiellen Interessiertheit neben den moralischen Antrieben zur Arbeit einer der wichtigsten ökonomischen Hebei ist, mit deren Hilfe in der sozialistischen Gesellschaft erreicht wird, daß jeder Werktätige ein persönliches materielles Interesse an der Steigerung seiner Produktion gewinnt. Der Arbeitslohn verknüpft die persönlichen Interessen des einzelnen richtig mit den Interessen des Staates und ist ein mächtiger Faktor für die Steigerung der Arbeitsproduktivität. Das im vorliegenden Fall ausgesprochene Urteil läßt die Klarheit über diese Fragen vermissen. Die kurzfristige Freiheitsstrafe wegen Tierquälerei steht in keinem Verhältnis zur Gesellschaftsgelährliehkeit der Verkehrsstraftat. Sie wurde hauptsächlich deshalb fehlerhaft angewandt, weil das Gericht den Begriff „gewalttätige, rohe und ähnliche Begehungsart“, der in der Richtlinie zur Charakterisierung rowdyhafter Handlungen verwendet wird, falsch bewertete. Ohne die Handlung zu bagatellisieren und die noch nicht weit vorangeschrittene Bewußtseinsentwicklung des R. zu verkennen, hätte hier eine Strafe ohne Freiheitsentzug ausgesprochen werden sollen. Wäre R. in einem sozia- listischen Betrieb tätig gewesen, so wäre die Sache am besten der Konfliktkommission zur Behandlung übergeben worden. Es ist zweifellos schwierig, Kriterien dafür zu finden, welches Ausmaß die Gewalttätigkeit, Roheit und ähnliche Begehungsart im Sinne der Richtlinie Nr. 12 haben muß, um die kurzfristige Freiheitsstrafe stets richtig anzuwenden. Ein allgemeingültiges Schema kann es auch hier nicht geben. Auf alle Fälle muß eine gewisse Schwere gegeben sein, die 'bei Beachtung aller Tatumstände, der Verhältnisse, unter denen die strafbare Handlung begangen wurde, und bei gewissenhafter Einschätzung der Täterpersönlichkeit eindeutig zu der Feststellung führt, daß in der Straftat eine demonstrative Mißachtung der gesellschaftlichen Disziplin zum Ausdruck kommt. Das ist z. B. in der Strafsache S 163/61 des Kreisgerichts Mühlhausen der Fall. Der in diesem Verfahren verurteilte 24jährige F. hatte mit anderen Tätern Passanten angepöbelt und ohne jegliche Veranlassung einen Bürger mit einem Stock dermaßen geschlagen, daß dieser einen Bruch des Außenknöchels und eine Abrißfraktur des Innenknöchels davontrug. Der Geschädigte war länger als ein halbes Jahr arbeitsunfähig. Bei F. handelt es sich um einen Bürger, der allgemein die gesellschaftliche Disziplin mißachtet, seit Anfang 1962 keiner geregelten Arbeit nachging und auf Kosten seiner Mutter lebte. Das Gericht verkannte die Richtlinie Nr. 12 hier in umgekehrtem Sinne: es verurteilte F. bedingt zu zwei Monaten Gefängnis, anstatt eine kurzfristige Freiheitsstrafe auszusprechen. Möglicherweise wäre es hier sogar notwendig gewesen, auf eine Freiheitsstrafe von über sechs Monaten zu erkennen. Bei vielen Gerichten herrschen noch Unklarheiten über die Anwendung der kurzfristigen Freiheitsstrafe auf Straftaten, die unter besonderen Umständen zeitweilig gehäuft oder unter Ausnutzung besonderer Situationen auftreten. Deutlich wird das vor allem bei der Rechtsprechung in Verkehrssachen und bei der strafrechtlichen Bekämpfung der Diebstähle in Selbstbedienungseinrichtungen, wobei sich insbesondere die sog. Schwerpunktideologie hemmend auswirkt. Sie führt zur Einseitigkeit, zum Schematismus und zur Mißachtung der Differenzierungsprinzipien. Zur Verkehrsrechtsprechung hat das Oberste Gericht erst in jüngster Zeit mehrere Grundsatzentscheidungen erlassen, auf die hier verwiesen sei5. Die dort aufgestellten Rechtssätze haben ihrem Inhalt nach allgemein für alle zeitweilig gehäuft auftretenden Straftaten Bedeutung. Obwohl hierzu in der letzten Zeit eine Reihe von Beiträgen veröffentlicht wurde6, soll nochmals darauf hingewiesen werden, auch bei den Verfahren nach § 49 StVO gewissenhaft zu differenzieren. Gerade bei diesen Delikten ist die Gefahr des Schematismus besonders groß, weil sich das objektive Tatgeschehen oft sehr ähnelt. Einige Gerichte haben geglaubt, auf das örtliche Ansteigen der Verkehrsdelikte, besonders der Fälle des Fahrens unter Alkoholeinfluß, ausschließlich mit kurzfristigen Freiheitsstrafen reagieren zu müssen. Noch unzureichend verstanden wird auch der Hinweis der Richtlinie Nr. 12, daß mit Freiheitsstrafen von einer Dauer unter zwei Wochen in der Regel eine stark disziplinierende Wirkung nicht erreicht wird und daß es verfehlt ist, bei jedem geringfügigen Diebstahl in Selbstbedienungsläden auf eine kurzfristige Freiheitsstrafe zu erkennen. 5 Vgl. NJ 1962 S. 320 ff. 6 vgl. zuletzt Dähn Prestel, „Gedanken zur Rechtsprechung in Verkehrssachen“, NJ 1962 S. 399 ff. (insbes. S. 402 1.), und die dort zitierte Literatur. 466;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 466 (NJ DDR 1962, S. 466) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 466 (NJ DDR 1962, S. 466)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

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