Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 655

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 655 (NJ DDR 1960, S. 655); Diese ungeheuerlichen und alarmierenden Tatsachen erfüllen uns mit größter Empörung. Sollen der westdeutschen Bevölkerung wieder Arbeitszwang, Konzentrationslager und Standrecht drohen? Wir sagen dazu nein und nochmals nein! Mit aller Eindringlichkeit erinnern wir an die verhängnisvolle Notverordnungspolitik in der Weimarer Republik, die dem Faschismus Tür und Tor öffnete und 1945 mit einer nie dagewesenen Katastrophe endete. Wir erklären: Auch heute ist in Westdeutschland die geplante Notstandsgesetzgebung ein untrennbarer Bestandteil der Kriegsvorbereitung. Atomrüstung und Notstandsgesetze sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wir appellieren deshalb an alle Deutschen: Setzen wir durch gemeinsame Anstrengungen denen Widerstand entgegen, die den Atomkrieg vorbereiten und den Notstand verordnen. Westdeutsche Bürger! Befreit Euch von dem Würgegriff auf Eure Menschenrechte und verhindert die AnnahmCder Notstandsgesetze. Wir fordern: Allgemeine und vollständige Abrüstung in Deutschland, Abschluß eines Friedensvertrages mit beiden deutschen Staaten und das Recht der friedliebenden Deutschen auf Verständigung. Das ist der Weg zu Frieden und nationaler Wiedergeburt. KOMITEE ZUM SCHUTZE DER MENSCHENRECHTE VEREINIGUNG DEMOKRATISCHER JURISTEN DEUTSCHLANDS (Der Appell würcie am 12. September 1960 auf einer gemeinsamen Tagung des Komitees zum Schutze der Menschenrechte und der VDJD beschlossen.) Rechtsprechung Strafrecht § 222 StGB; §§ 1, 2, 45 ASchVO. Dem demokratischen Recht im allgemeinen wie auch auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes ist eine summarische strafrechtliche Verantwortlichkeit fremd. Bei einem durch Unterlassen begangenen Erfolgsverbrcchen tritt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nur ein, wenn der Unterlassene rechtlich verpflichtet ist, dem möglichen Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges entgegenzuwirken, und er diese Pflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. OG, Urt. vom 8. Juli 1960 3 Zst III 11/60. Das Kreisgericht L. verurteilte den Angeklagten P. wegen Vergehens gegen §§ 1, 2, 45 der Verordnung zum Schutze der Arbeitskraft in Verbindung mit einer Verletzung der ASAO 1, 303 und 616 und sprach ihn von der Anklage wegen fahrlässiger Tötung frei. Dem Urteil liegen im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde: Der Angeklagte arbeitet seit dem Jahre 1946 als selbständiger Schlossermeister; er beschäftigt zwei Lehrlinge. Am 12. September 1958 stellte der Betriebsleiter der Molkerei B., der Verurteilte G., fest, daß die Wasserpumpe des Betriebes nicht mehr funktionierte. Nachdem er stundenlang vergeblich versucht hatte, den Schaden selbst zu beheben, bat er am nächsten Tag den Angeklagten P., die Wasserpumpe zu reparieren. P. erteilte daraufhin seinem 18jährigen Lehrling H. U. den Auftrag, an der Pumpe die Manschetten auszuwechseln. Zu diesem Zweck stiegen der Verurteilte G. und H. U. in den fünf Meter tiefen Pumpenschacht, ohne jedoch irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Nachdem die Manschetten ausgewechselt waren, förderte die Pumpe noch immer kein Wasser. G. wollte deshalb den Filter mit Salzsäure reinigen, wie er es drei Jahre zuvor zusammen mit dem Angeklagten P. bereits einmal getan hatte. Von diesem Vorhaben wurde P. am 13. September 1958 um die Mittagszeit durch seinen Lehrling und durch G. unterrichtet. Bei dieser Gelegenheit wies er G. darauf hin, daß zu diesem Vorhaben etwa 50 60 Liter Salzsäure benötigt würden, die unbedingt 24 Stunden in der Pumpe bleiben müßten, wenn die Reinigung Erfolg haben sollte. G. war diese Zeit aber zu lang, weil er einen zu großen Produktionsausfall befürchtete. Beide kamen schließlich überein, daß die Salzsäure noch am gleichen Tage gegen 19 Uhr entfernt werden sollte. Als der Angeklagte mit zur Molkerei nach B. kommen wollte, lehnte G. dies ausdrücklich mit dem Bemerken ab, daß er den Filter mit seinen Arbeitern selbst reinigen wolle. Es wurde jedoch vereinbart, daß der Lehrling H. U. die notwendigen Schlosserarbeiten verrichten und G. unterstützen sollte. P. erklärte seinem Lehrling daraufhin den technischen Arbeitsvorgang, fertigte zu diesem Zweck auch eine Kreideskizze an, unterließ es jedoch, ihn über die mit der Verwendung von Salzsäure in einem Brunnenschacht verbundenen Gefahren zu belehren. Nachdem G. die Werkstatt des Angeklagten verlassen hatte, erschien dort der 17jährige Schlosserlehrling A. U., um seinen Bruder abzuholen, mit dem er zu seinen Eltern fahren wollte. Dieser teilte ihm mit, daß er noch die ihm von seinem Meister aufgetragene Arbeit zu erledigen habe. Ohne Kenntnis des Angeklagten fuhr A. U. dann mit seinem Bruder nach B., wo beide in den Pumpenschacht der Molkerei einstiegen, um den Flansch abzuschrauben. Sie halfen G. auch beim Anbringen der von P. zur Verfügung gestellten Rohre, mittels derer die Salzsäure in den Filter gegossen werden sollte, und fuhren dann nach L. zurück, um in der Schlosserwerkstatt einige Schrauben zu holen, wovon P., der zu dieser Zeit seinen Mittagsschlaf hielt, aber nichts bemerkte. Inzwischen füllte G. mit zwei Arbeitern die Salzsäure in den Filter ein. Zu einem der Arbeiter sagte er, daß die Rohre wieder herausgezogen werden können und der Brunnen abgedeckt werden solle. Danach ging G. in seine Wohnung. Nachdem die Brüder U. wieder in der Molkerei eingetroffen waren, halfen sie beim Herausnehmen der Rohre. Wegen der dabei auf getretenen Schwierigkeiten stieg der Zeuge K. in den Pumpenschacht ein, er kam jedoch schnell wieder nach oben, da ihn infolge der im Schacht entwickelten Gase ein starker Husten befiel. Es gelang dann aber doch, die Rohre abzuschrauben. Nunmehr versuchten A. und H. U., in den Schacht einzusteigen, sie kehrten jedoch beide gleichfalls wegen der Gasentwicklung wieder um. A. U. warf daraufhin mehrere brennende Streichhölzer in den Schacht, um festzustellen, ob darin Sauerstoff vorhanden sei. Gleich darauf stieg er erneut in den Schacht ein und zündete unten ein Streichholz an. Plötzlich kam er schnell die Leiter empor, und als er etwa einen Meter von der Öffnung entfernt war, hustete er stark, verdrehte die Augen und fiel rückwärts in den Schacht zurück. In ohnmächtigem Zustand wurde er von seinem Bruder mit einem Seil herausgezogen. Die sofort eingeleiteten Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Auf der Fahrt zum Krankenhaus verstarb A. U. an den Folgen der eingeatmeten Salzsäuregase und des Sturzes. Auf den Protest des Kreisstaatsanwalts hat das Bezirksgericht die Entscheidung des Kreisgerichis insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen, als der Angeklagte P. freigesprochen wurde. In den Urteilsgründen hat das Rechtsmittelgericht zum Ausdruck gebracht, der Angeklagte habe sich außer der Verletzung der Arbeitsschutzanordnungen in einer weiteren selbständigen Handlung der fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB schuldig gemacht. Zur Begründung dieser Rechtsauffassung ist ausgeführt worden, dem Angeklagten seien die Gefahren bekannt gewesen, die bei der Reinigung von Pumpenfiltern mit Salzsäure in Brunnen auftreten. Er habe dem Verurteilten G. hinsichtlich der Durchführung der Reparatur Ratschläge erteilt und damit gleichzeitig die Verpflichtung übernommen, ihn darauf hinzuweisen, daß bei der Arbeit mit Salzsäure lebensgefährdende Gase auftreten können und für die Arbeiter bestimmte Schutzmaßnahmen ge- 655;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

In Abhängigkeit von der konkret zu lösenden Aufgabe sowie der Persönlichkeit der ist zu entscheiden, inwieweit es politisch-operativ notwendig ist, den noch weitere spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln anzuerziehen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben zu sichern, daß die Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativ interessanten Verbindungen, Kontakte, Fähigkeiten und Kenntnisse der planmäßig erkundet, entwickelt, dokumentiert und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens alles Notwendige qualitäts- und termingerecht zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts erarbeitet wurde oder ob dieser nicht gege-. ben ist. Mit der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die gleiche Person anzugeben, weil die gleichen Ermittlungsergebnisse seinerzeit bereits Vorlagen und damals der Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens absehen, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege erforderlich ist, wenn bei der Prüfung der Verdachtshinweise festgestellt wird, daß eine Verfehlung vorliegt oder daß ein Vergehen vorliegt, welches im Hinblick auf die Erforschung dominierender und differenzierter Motive für eine inoffizielle Zusammenarbeit, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten, politische Ein-stellüngen zu schematisch und oberflächlich erfolgt.

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