Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 286

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 286 (NJ DDR 1960, S. 286); Gesetz oder aber durch vorangegangenes Tun begründete Rechtspflicht zum Handeln oblag, der er vorsätzlich (wissentlich) nicht flachgekommen ist. Eine allgemeine politisch-moralische Verpflichtung, so z. B. die Verpflichtung aller Staatsbürger, einen angetrunkenen Kraftfahrer am Führen eines Fahrzeuges zu hindern und damit eine Gefährdung des Straßenverkehrs sowie des Lebens und der Gesundheit anderer Bürger auszuschließen, vermag für sich allein noch keine strafrechtliche Verpflichtung zum Tätigwerden zu begründen. Das Bezirksgericht hat zunächst auch richtig erkannt, daß für den Angeklagten H. auf Grund seines Arbeitsrechtsverhältnisses mit dem GHK und der darauf beruhenden Beziehungen zu B. als Arbeitskollegen oder auf Grund seiner beruflichen Stellung als Kraftfahrer keine Rechtspflicht bestand, B. am Fahren des LKW zü hindern. Es hat aber die Auffassung vertreten, daß H. auf Grund vorangegangenen Tuns zu einem solchen Handeln verpflichtet gewesen sei. Hierzu wird angeführt, daß H. gemeinsam mit B. getrunken habe; zu Beginn der Trinkerei habe er zwar nicht voraussehen und wissen können, daß B. sich später entschließen würde, mit seinem bereits ordnungsgemäß abgelieferten LKW nach L. zu fahren. H. habe B. jedoch, als dieser gegen 21.00 Uhr habe nach Hause gehen wollen, dazu bestimmt, ihm weiter in der Gaststätte Gesellschaft zu leisten, weil ihm eine Unterhaltung mit seinen anderen beiden Arbeitskollegen infolge deren Trunkenheit nicht mehr möglich erschienen sei. Das habe dazu geführt, daß B. in der Gaststätte verblieben sei und weitere alkoholische Getränke zu sich genommen habe. H. habe den alkoholbeeinflußten Zustand B.s und dessen dadurch bedingte Fahruntüchtigkeit erkannt; er habe dann auch Kenntnis von der Absicht B.s erhalten, mit dem Wagen des GHK nach L. zu fahren, ebenso von den ihm gegenüber geäußerten Bedenken der Zeugin J., der gegenüber er auch seine Bereitschaft erklärt habe, den LKW notfalls selbst zu fahren. Auf Grund dieser Umstände sei er verpflichtet gewesen, B. an der Ausführung seines Entschlusses zu hindern. Diese Auffassung des Bezirksgerichts ist fehlerhaft. Dabei hat es außer acht gelassen, daß nicht jedes einer Straftat vorangegangene Tun eine Rechtspflicht zum Handeln begründet. Das vermag vielmehr nur ein Verhalten zu bewirken, durch das hinsichtlich eines gesetzlich geschützten Objekts eine Gefahrensituation herbeigeführt worden ist. Auf den vorliegenden Fall angewendet, bedeutet das, daß H. dann verpflichtet gewesen wäre, B. am Fahren mit dem LKW zu hindern, wenn er in Kenntnis davon, daß B. noch mit einem Fahrzeug fahren wollte, zur Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit des B. durch Verabreichung alkoholischer Getränke beigetragen hätte. Nach den insoweit getroffenen eigenen Feststellungen des Bezirksgerichts ist dies jedoch nicht der Fall gewesen. Sowohl bei Beginn des Trinkgelages als auch zum Zeitpunkt des durch H. veranlaßten weiteren Verbleibens des Verurteilten B. in der Gaststätte war H. nicht bekannt, daß B. später noch mit einem Kraftfahrzeug fahren würde; das konnte ihm auch nicht bekannt sein, weil B. zu dieser Zeit selbst noch keinen solchen Entschluß gefaßt hatte. Das geschah vielmehr erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, und zwar ohne jedes Zutun H.s. Nach den Tatsachenfeststellungen hat B. die Ausführung seines Vorhabens auch nicht von der Beteiligung H.s an der Fahrt abhängig gemacht; er ist in seinem Entschluß auch nicht durch die Zusage H.s zur Mitfahrt bestärkt worden, und zwar auch nicht durch die Äußerung H.s gegenüber der Zeugin J., daß gegebenenfalls er den Wagen fahren wolle, weil B. bei diesem Gespräch überhaupt nicht zugegen war, wie dies die Zeugin J. ausdrücklich erklärt hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben vielmehr B. und die Zeugin J. den Angeklagten H. von ihrer Absicht, mit dem LKW nach L. zu fahren, in Kenntnis gesetzt und ihn durch die Inaussichtstellung, mit auf das Zimmer Inge J.s kommen und dort mit Bärbel K. geschlechtlich verkehren zu können, zur Beteiligung an der Fahrt bestimmt. Demnach ist festzustellen, daß das dem Antritt der Fahrt nach L. vorangegangene Verhalten H.s (gemeinsame Zecherei mit B. und zwei weiteren Arbeitskollegen Aufforderung an B. zum weiteren Verbleiben in der Gaststätte) keine Rechtspflicht für ihn begründete, B. an der Ausführung seines Vor- habens zu hindern, weil durch dieses Verhalten H.s keine die Sicherheit im Straßenverkehr gefährdende Situation eingetreten war. Eine derartige Gefahrenlage entstand einzig und allein durch den später gefaßten und ausgeführten Entschluß B.s, in seinem alkoholbeeinflußten Zustand ein Fahrzeug zu führen. H. hat sich an dem von B. durch Ausführung seines Vorhabens begangenen Verstoß gegen § 49 StVO auch nicht dadurch beteiligt, daß er B. zu der Fahrt bestimmte (anstiftete) oder diesem die Benutzung des Fahrzeuges, so durch Überredung oder Täuschung des Pförtners des GHK zur Herausgabe des LKW, ermöglichte (Tathilfe) oder ihm Hinweise für die Erlangung des Wagens bzw. zur Durchführung der Fahrt erteilte (Rathilfe). H. hätte daher nicht wegen Beihilfe zu dem von B. begangenen Vergehen nach § 49 StVO verurteilt werden dürfen. Diese Beurteilung ändert jedoch nichts an dem sowohl vom Bezirksgericht als auch von beiden Rechtsmitteln besonders hervorgehobenen Umstand, daß H. entsprechend den in der Deutschen Demokratischen Republik herrschenden Moralanschauungen der Werktätigen die allen Bürgern obliegende politisch-moralische Verpflichtung gehabt hätte, B. an der Ausführung seines von H. als strafbar erkannten Verhaltens zu hindern, wozu er wie vom Bezirksgericht richtig festgestellt worden ist objektiv in der Lage gewesen wäre. Diese moralische Verpflichtung hatte er auch deshalb und in stärkerem Maße als jeder andere Bürger, weil er selbst Kraftfahrer und mit B. durch das gemeinsame Arbeitsverhältnis beim GHK verbunden war und er auch gegenüber seinem volkseigenen Beschäftigungsbetrieb politisch-moralisch verpflichtet war, jedwede mögliche Gefährdung des Volkseigentums, die mit dem Benutzen des LKW des GHK durch den angetrunkenen B. verbunden war, zu verhindern. Das diesen Pflichten widersprechende Verhalten H.s offenbart, daß er es trotz seiner Arbeitsbereitschaft noch nicht verstanden hat, zu seinem volkseigenen Betrieb und seinen Arbeitskollegen sozialistische, auf Verantwortungsbewußtsein, echter Kameradschaft und ge-gegenseitiger Hilfe beruhende Beziehungen herzustellen, und er darüber hinaus, worauf im nachfolgenden noch eingegangen wird, seine ihm obliegenden gesetzlichen Pflichten nicht emstgenommen hat. Insoweit hat das Bezirksgericht nicht erkannt, daß sich H. nach anderen Gesetzen strafbar gemacht hat. Schon in der Anklage ist in tatsächlicher Hinsicht angeführt worden, daß H. auf Vorschlag B.s an der Fahrt nach L. teilnahm, er als vierte Person in das nur für zwei Personen zugelassene Fahrerhaus zugestiegen war und er nach dem ihm durch B. bekannt gewordenen Unfall den Unfallort verlassen und sich in keiner Weise um das Geschehen gekümmert hat. Dieses Verhalten H.s war ausweislich des Protokolls über die Hauptverhandlung auch Gegenstand der Beweisaufnahme und hat in den tatsächlichen Urteilsfeststellungen seinen Niederschlag gefunden. Das hätte das Bezirksgericht veranlassen müssen, schon bei der Eröffnung des Hauptverfahrens, spätestens aber in der Hauptverhandlung, zu prüfen, ob und inwieweit H. deswegen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden muß. Die in der Rechtsmittelinstanz vorgenommene Überprüfung des Urteils hat ergeben, daß dieses Verhalten H.s sowohl den Tatbestand des unbefugten Gebrauchs von Kraftfahrzeugen (Vergehen nach § 1 VO gegen unbefugten Gebrauch von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern vom' 20. Oktober 1932, GBl. I S. 496) als auch den Tatbestand der Verkehrsunfallflucht (§ 139 a StGB) in Tateinheit mit unterlassener Hilfeleistung (§ 330 c StGB) erfüllt. Dementsprechend hat das Oberste Gericht gemäß § 216 Abs. 1 StPO in der Rechtsmittelverhandlung auf die Möglichkeit einer Veränderung der Rechtslage hingewiesen. H. hat gemeinsam mit B. den LKW des GHK für die von ihnen beabsichtigte private Fahrt nach L. in Gebrauch genommen. Sie haben damit gegen den Willen des Berechtigten, und zwar gegen das von der Betriebsleitung des GHK erlassene ausdrückliche Verbot der Benutzung der Kraftwagen für Privatfahrten, gehandelt. H. war nicht nur, wie von der Verteidigung in Erwägung gezogen wurde, Mitfahrer von B. Er hat den Wagen vielmehr selbst gebraucht, weil er an der Durchführung der Fahrt ein eigenes Interesse hatte, nämlich nach L. zu kommen, um dort mit der Zeugin K. geschlechtlich zu verkehren. Daran 286;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 286 (NJ DDR 1960, S. 286) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 286 (NJ DDR 1960, S. 286)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die Art und Weise der Tatbegehung, ihre Ursachen und Bedingungen, der entstandene Schaden, die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren ist die reale Einschätzung des Leiters über Aufgaben, Ziele und Probleme, die mit dem jeweiligen Ermittlungsverfahren in Verbindung stehen. Dabei handelt es sich insbesondere um Spekulationsgeschäfte und sogenannte Mielke, Rede an der Parteihochschule Karl Marx beim der Partei , Anforderungen und Aufgaben zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit vor allen subversiven Angriffen des Feindes sind durch die Linien und Diens teinheiten des entscheidende Voraussetzungen für die weitere Einschränlcung und Zurückdrängung des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels. Die vom Feind angewandten Mittel und Methoden. Die Zielgruppen des Feindes. Das Ziel der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und des staatsfeindlichen Menschenhandels sind die für diese Delikte charakteristischen Merkmale zu beachten, zu denen gehören:, Zwischen Tatentschluß, Vorbereitung und Versuch liegen besonders bei Jugendlichen in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit erkennbar. Maßnahmen der Vorbeugung im Sinne der Verhütung und Verhinderung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen haben und welche regelhafte Verknüpfung zwischen diesen Faktoren und sozialen Ursachen im imperialistischen Herrschaftssystem sowie sozialen Bedingungen im Sozialismus, im Mikromilieu und in der Handlungssituation bestehen.

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