Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 608

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 608 (NJ DDR 1959, S. 608); men. Die besondere Aktivität und Verantwortlichkeit des Angeklagten B. hatte das Stadtbeztrksgericht in seiner Entscheidung dadurch zum Ausdruck gebracht, daß es den Angeklagten zu sechs Monaten, die übrigen Beteiligten sämtlich zu fünf Monaten Freiheitsentziehung verurteilte. Die unterschiedliche Strafhöhe und die vorgenommene Differenzierung bei der Strafzumessung schließen zwar die bedingte Verurteilung des Angeklagten B. grundsätzlich nicht aus. Soll jedoch eine unbedingte Verurteilung in eine bedingte abgeändert werden, dann müssen Tatsachen vorliegen, die eindeutig und klar den Erfordernissen für eine bedingte Verurteilung entsprechen. Solche Tatsachen sind vom Stadtgericht nicht festgestellt worden. Die für die Abänderung des Urteils gegebenen Gründe lassen vielmehr erkennen, daß das Stadtgericht selbst der Auf--fassung war, daß die bisherigen Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichend waren. Die angeführten Gründe wie die kurzzeitige Untersuchungshaft, die erteilten Weisungen und die erzieherische Einwirkung durch seine Mutter sind keine hinreichenden Tatsachen, . die die Erwartung rechtfertigen können, daß sich der Angeklagte künftig verantwortungsbewußt verhält. Das Stadtgericht hat in diesem Zusammenhang auch unbeachtet gelassen, daß das Stadtbeziiksgericht in seiner Entscheidung darauf hingewiesen hat, daß keiner der Beteiligten von sich aus Schritte zur Wiedergutmachung des herbeigeführten hohen Schadens unternommen hat. Die vom Stadtgericht vorgenommene bedingte Verurteilung des Angeklagten B. ist auch deswegen unrichtig, weil durch eine solche Entscheidung die erzieherische Wirkung auf die übrigen Angeklagten in Frage gestellt wird. § 1 StEG. Eine bedingte Verurteilung kann nur ausgesprochen werden, wenn die im § 1 StEG erschöpfend aufgezählten Voraussetzungen vorliegen. Deshalb kann allein die Tatsache, daß ein Straffälliger erst kurze Zeit unter den gesellschaftlichen Verhältnissen unserer Arbeiter-und-Bauern-Macht lebt, nicht der Anlaß für eine bedingte Verurteilung sein. BG Frankfurt (Oder), Urt. vom 12. Juni 1959 BSB a 19/59. Der Angeklagte kam, durch die Umstände des Krieges bedingt, nach Jugoslawien, wo er eine Familie gründete. 1958 siedelte der Angeklagte mit seiner Frau und drei Kindern in die DDR über. Zunächst arbeitete er hier als Maurer bei seinem Vater, und am 15. Februar 1959 trat er als Kandidat der Produktionsgenossenschaft des Bauhandwerks in A. bei. Nach Verlängerung seiner Kandidatenzeit wurde er Mitglied der PGH. Der Angeklagte ist im FDGB organisiert. Am 27. Februar 1959 arbeitete der Angeklagte auf einer Baustelle der PGH in S. Dort wurde für die LPG ein Rinderoffenstall gebaut. Als der Bürgermeister am gleichen Tag die Baustelle besichtigte, stellte er fest, daß die dort beschäftigten Maurer einschließlich des Angeklagten Alkohol tranken und nicht mehr in der Lage waren, weiterzuarbeiten. Als der Zeuge H. darüber seiner Entrüstung Ausdruck gab, forderte der Angeklagte den Zeugen mit den unflätigsten Worten auf, den Stall zu verlassen, was dieser unter den gegebenen Umständen auch tat. Am nächsten Tag begab sich der Angeklagte schon frühmorgens in den Gasthof und trank dort vier Flaschen Bier. Als er sich um 10 Uhr zur Baustelle begeben wollte, traf er unterwegs auf der Dorfstraße den Bürgermeister. Als dieser ihn in Gegenwart anderer Bürger wegen der unflätigen Ausdrücke am Tage zuvor zur Rede stellte, wurde der Angeklagte erneut ausfällig und sagte: „Du bekommst noch deine Wucht, du Lump, so daß du in keinen Sarg reinpaßt.“ Das Kreisgericht verurteilte den Angeklagten wegen Staatsverleumdung zu drei Monaten Gefängnis bedingt und ordnete die öffentliche Bekanntmachung der Bestrafung an. Zur Begründung des Urteils wird ausgeführt, der An-geklagte huldige des öfteren dem Alkohol und vernachlässige dadurch auch seine Familie. Er sei aber erst 1958 aus dem Ausland gekommen und unterliege deshalb noch nicht lange genug unserer gesellschaftlichen Erziehung. In seiner rückständigen Gesinnung und noch in alten Anschauungen befangen, habe er sich zu Staatsverleumdungen hinreißen lassen. Schuld daran sei seine Erziehung, die er als Sohn eines selbständigen Bauunternehmers genossen habe, und die lange Zugehörigkeit zur faschistischen Wehrmacht. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Protest des Staatsanwalts, der unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie unrichtige Anwendung des § 1 StEG und die Strafzumessung rügt. Der Protest ist begründet. Aus den Gründen: Der Sachverhalt ist hinsichtlich der Persönlichkeit des Angeklagten nicht ausreichend aufgeklärt, der Tathergang nicht richtig festgestellt worden und die rechtliche Würdigung, soweit die Strafkammer den Angeklagten wegen Staatsverleumdung nach § 20 StEG verurteilt hat, nicht einwandfrei. Die Strafkammer hat sich auch nicht damit auseinandergesetzt, ob die Voraussetzungen zur Anwendung des § 1 StEG vorliegen. Eine bedingte Verurteilung kann nach § 1 StEG nur ausgesprochen werden, wenn der Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat, die Umstände, unter denen sie begangen wurde, und das Verhalten des Täters vor und nach Begehung der Straftat dies rechtfertigen. Andere als die im § 1 StEG genannten Voraussetzungen, einen Täter bedingt zu verurteilen, gibt es nicht. Die vom Gesetz angegebenen Voraussetzungen sind obligatorisch, und eine Begründung etwa wie „mit Rücksicht auf die Familie“ oder wie die in dem angefochtenen Urteil, daß der Angeklagte noch nicht lange genug unserer gesellschaftlichen Erziehung unterliege, ist nicht nur unzulässig und gesetzwidrig, sondern auch vom moralisch-politischen und kulturell-erzieherischen Standpunkt fehlerhaft. § 20 Ziff. 2 StEG dient dem Schutz unserer Bürger in ihrer staatlichen und gesellschaftlichen Tätigkeit. Die Autorität eines Bürgermeisters, der es zu Beginn seiner Tätigkeit manchmal wie in vorliegender Sache schwer hat, sich in seiner Gemeinde durchzusetzen, bedarf daher eines besonderen Schutzes und einer besonderen Stärkung. Die von dem Angeklagten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen begangenen Staatsverleumdungen müssen daher wegen ihrer Gesellschaftsgefährlichkeit mit einer unbedingten Freiheitsstrafe belegt werden. Die Umstände der Tat sind ebenfalls nicht geeignet, den Angeklagten nur bedingt zu verurteilen. Der Angeklagte hat während der Arbeitszeit so viel Alkohol getrunken, daß er die Arbeit einstellen mußte. Vom Bürgermeister zu Recht kritisiert, wurde der Angeklagte noch obendrein ausfällig, statt die Kritik anzunehmen. Mit jedem Produktionsausfall in der Bautätigkeit auf dem Lande ersteht der LPG bzw. der Gemeinde ein erheblicher Schaden, der den sozialistischen Aufbau auf dem Lande hemmt. Der Angeklagte hätte also auf die Kritik des Bürgermeisters alle Veranlassung gehabt, sein Verhalten zu ändern. Statt dessen hat er am nächsten Tag wieder getrunken und die Autorität des Bürgermeisters erneut mit Verächtlichmachungen untergraben. Wie sich aus der Beurteilung des Angeklagten ergibt, ist auch sein Verhalten vor der Tat nicht zu einer bedingten Verurteilung geeignet. Wegen seines unmoralischen Lebenswandels haben die Genossenschaftsmitglieder der Produktionsgenossenschaft des Bauhandwerks Anstoß an dem Verhalten des Angeklagten innerhalb und auch außerhalb der Arbeitszeit genommen. Deshalb ist auf Beschluß der Mitgliederversammlung seine Aufnahme in die PGH nochmals hinausgeschoben worden. Auch nach der strafbaren Handlung hat der Angeklagte nichts unternommen, um sein Verhalten zu ändern oder sich bei dem Bürgermeister zu entschuldigen. Die Voraussetzungen zur Anwendung des § 1 StEG liegen daher nicht vor. Das Urteil der Strafkammer ist in keiner Weise geeignet, auf den Angeklagten oder andere Bauhandwerker erzieherisch einzuwirken und die sozialistische Entwicklung auf dem Lande zu fördern. Es ist auch nicht geeignet, Staatsfunktionären den nötigen Schutz vor Angriffen zu gewähren. Auf den Protest des Staatsanwalts war daher das Urteil der Strafkammer aufzuheben. In der erneuten Hauptverhandlung wird die Strafkammer den Zeugen H. nicht nur zur Sache, sondern auch zur Person des Angeklagten hören müssen. Auch die Ehefrau des Angeklagten und die Vorsitzenden der PGH sind zur Person dps Angeklagten und über seine bisherige gesellschaftliche Tätigkeit als Zeugen zu vernehmen. Der 608;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 608 (NJ DDR 1959, S. 608) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 608 (NJ DDR 1959, S. 608)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges gefährdet. Auch im Staatssicherheit mit seinen humanistischen, flexiblen und die Persönlichkeit des Verhafteten achtenden Festlegungen über die Grundsätze der Unterbringung und Verwahrung Verhafteter ist somit stets von der konkreten Situation in der Untersuchungshaftanstalt, dem Stand der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens, den vom Verhafteten ausgehenden Gefahren für die Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft sowie für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt und von den politisch-operativen Interessen und Maßnahmen abhängig. Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat besteht oder nicht und ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege ermöglichen. In der Untersuchungspraxis Staatssicherheit hat diese Entscheidungsbefugnis der Untersuchungsorgane allerdings bisher keine nennenswerte Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten der Dienst-einheiten der Linie Untersuchung im Staatssicherheit . Ihre Spezifik wird dadurch bestimmt, daß sie offizielle staatliche Tätigkeit zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist. Die Diensteinheiten der Linie Untersuchung im Staatssicherheit . Ihre Spezifik wird dadurch bestimmt, daß sie offizielle staatliche Tätigkeit zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X