Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 693

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 693 (NJ DDR 1958, S. 693); In mehreren Aufsätzen der „Neuen Justiz“ wurde die Rechtsprechung zu den Waffendelikten einer scharfen Kritik unterzogen19. Viele Richter haben auf Grund der ungenügenden Beachtung und Auswertung der von der Partei gegebenen Hinweise die Gesellschaftsgefährlichkeit dieser Verbrechen nicht richtig erkannt und liberalisierend und rechtsformalistisch ungerechtfertigt milde Urteile gefällt. Als Beispiel für viele solcher Entscheidungen sei nochmals der von Sprangier zitierte Fall erwähnt: ein früheres Mitglied des Stahlhelms, der SA und der NSDAP, das in seiner Wohnung die schwarzweißrote Fahne aufbewahrt, wird wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu zwei Monaten Gefängnis bedingt verurteilt. Die Anwendung des § 1 StEG wird vom Gericht mit dem Alter des Angeklagten (74 Jahre) und damit begründet, daß auf Grund seiner politischen Vergangenheit eine erzieherische Wirkung durch den Vollzug der Freiheitsstrafe nicht mehr erreicht werden könne. Die Erziehungsfähigkeit des Angeklagten darf doch aber nicht allein die Einschätzung der Straftat und das Strafmaß bei solchen Delikten bestimmen. In einer anderen Sache 511 S. 94/58 I Li 92/58 wurde der Angeklagte, ein früherer Kompanieführer des sog. Volkssturms, wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt (der Staatsanwalt hatte eine Strafe von IV2 Jahren Zuchthaus beantragt). Das Gericht begründete die Annahme eines minderschweren Falles damit, daß der Angeklagte die Waffe, eine schußfertige Armeepistole mit Munition, lediglich als Mittel der Drohung bei Familienstreitigkeiten verwende, sie dagegen in den Junitagen 1953 und im Oktober/November 1956 nicht hervorgeholt haben soll. Spranger stellt fest, daß z. B. in der Rechtsprechung des Bezirksgerichts Magdeburg „in 60 Prozent aller Waffensachen minderschwerer Fall angenommen (wurde), obwohl eine Reihe von Tätern zu jenen Kräften gehört, die unsere Arbei-ter-und-Bauern-Maeht seit jeher bekämpften“20. Die milde Anklagepolitik und die milden Entscheidungen in Waffensachen entsprechen nicht der Gesellschaftsgefährlichkeit dieser Delikte und bedeuten ein Zurückweichen im Klassenkampf. In zahlreichen Veröffentlichungen der „Neuen Justiz“ finden sich weitere Beispiele für die formale und damit im Wesen revisionistische Anwendung der Gesetze der Arbeiter-und-Bauern-Macht21. Sie sollen hier nicht wiederholt werden22. 4. Die ganze Gefährlichkeit des Rechtsdogmatismus und Rechtsformalismus, deren Unvereinbarkeit mit den den sozialistischen Staat und das sozialistische Recht der DDR beherrschenden sozialistischen Prinzipien wird erst dann richtig deutlich, wenn man sich die gesellschaftliche Funktion des Dogmatismus und Formalismus im bürgerlichen Staat vor Augen führt. In dem bürgerlichen Dogmatismus und Formalismus spiegelt sich die Parteilichkeit der bürgerlichen Justiz wider. Formalismus und Dogmatismus sind für die Vertuschung der bürgerlichen Klassenverhältnisse, für die Tarnung der Parteilichkeit der westdeutschen Rechtsprechung sehr geeignete Mittel. Durch die buchstabengetreue Anwen-wendung der im Interesse und zum Schutze der Bourgeoisie erlassenen Gesetze die durch die im kapitalistischen Staat wirkenden ökonomischen Gesetze hervorgerufene unterschiedliche soziale Lage und Stellung der Mitglieder der Gesellschaft wird völlig negiert wendet die bürgerliche Justiz das Recht im Interesse der Bourgeoisie zum Schutze des kapitalistischen Wirtschaftssystems, also parteilich an und erweckt darüber hinaus den Anschein einer gerechten und für alle Bürger gleichen Anwendung eines „klassenneutralen“ Rechts. Reichen diese Mittel jedoch im Einzelfall nicht aus, so durchbrechen die bürgerlichen Gerichte bedenkenlos die bürgerliche Gesetzlichkeit und damit die Prinzipien ihrer eigenen Formaljurisprudenz. Talmudi-stische Anwendung der Normen einerseits und eklatanter Bruch der bürgerlichen Gesetzlichkeit, Justizwillkür andererseits das ist nichts Gegensätzliches, sind einander ergänzende Formen parteilicher, kapitalisti- 20 NJ 1958 S. 267 ff. 21 vgl. z. B. Streit, Die Zukunft gehört dem Sozialismus, NJ 1958 S. 150 ff. 22 NJ 1958 S. 267 ff.; S. 368 ff.; S. Off.; S. 461 ff. scher Rechtsanwendung, das sind die Methoden der Reaktion im Klassenkampf. Darüber muß sich jeder Justizfunktionär im klaren sein: formalistische Anwendung des sozialistischen Rechts der DDR ist nicht irgendein fachlicher Mangel, sondern . ein Ausdruck ideologischer Unklarheiten23. Rechtsformalismus heißt dm Arbeiter-und-Bauern-Staat der DDR, zugunsten der Stärkung der kapitalistischen Elemente und ihrer bürgerlichen Ideologie zu handeln. Vom sozialistischen Wesen des Rechts der DDR bleibt da nichts übrig: das Recht ist nicht mehr ein wichtiges Instrument zur Organisierung des sozialistischen Aufbaus, sondern allein ein Mittel zur Entscheidung von Konflikten; der Richter ist nicht Agitator und Propagandist des sozialistischen Aufbaus, Organisator der Massen im gesellschaftlichen Prozeß der Rechtsbildung und Rechtsverwirklichung, sondern Schiedsmann zwischen streitenden Parteien; die eine Partei ist der Staat schlechthin, die andere der Angeklagte. Im Zivilprozeß stehen nur Kläger und Verklagte, Gläubiger und Schuldner vor dem Gericht, anonym, die gesellschaftliche Stellung der Prozeßpartei ist „irrelevant“. Wichtiger ist der geltend gemachte Anspruch; allein der ist maßgebend und bestimmt den Gang der Verhandlung und der Untersuchung der streitigen Verhältnisse. Die wirkliche Problematik, die im Leben der am gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß beteiligten Menschen bedeutsam ist, bleibt unberücksichtigt24. Das ist keine sozialistische Rechtsprechung, das ist bürgerliche Formaljurisprudenz ! Die bürgerliche Ideologie ist äußerst zählebig. In „Was tun?“ nennt Lenin dafür den Grund; weil sie „ihrer Herkunft nach viel älter ist als die sozialistische, weil sie vielseitiger ausgebaut ist, weil sie über unvergleichlich mehr Mittel der Verbreitung verfügt“25. Ständig wird diese bürgerliche Ideologie neu von Westdeutschland und Westberlin in die DDR hineingeschleust und findet einen Nährboden in den hier noch vorhandenen privatkapitalistischen Eigentumsverhältnissen und den Verhältnissen der kleinen Warenproduktion. Mit Eifer bemüht sich der Klassengegner, die Reste der bürgerlichen Ideologie im Bewußtsein der Bürger der Republik zu erhalten. Die Loslösung der Massen von dieser Ideologie, ihre Erziehung zu bewußter Mitarbeit beim Aufbau des Sozialismus ist gegenwärtig die wichtigste Aufgabe. Das Weiterwirken der bürgerlichen Ideologie in der Rechtspraxis der DDR wird vor allem durch die weitere Verwendung der im vorigen Jahrhundert geschaffenen Gesetze wie des BGB und der ZPO begünstigt. Beide Gesetze sind zwar infolge ihrer Sanktion durch den Staat der Arbeiter und Bauern Bestandteil der sozialistischen Rechtsordnung der DDR, können aber seit langem die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse nur noch sehr unvollkommen oder gar nicht mehr erfassen26. Die Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit ist aber nicht nur eine Frage der Ablösung überalterter Gesetze durch neue, den sozialistischen Verhältnissen der DDR angepaßten Normen. Daß der Erlaß neuer Gesetze zwar eine wesentliche Hilfe zur Überwindung der bürgerlichen Ideologie in der Rechtspraxis, aber eben kein selbsttätiges Allheilmittel ist, beweist die Rechtsprechung zum StEG27. Es bedarf vielmehr noch zahlreicher ideologischer Auseinandersetzungen, um die Reste der bürgerlichen Ideologie, um das Denken in BGB-Kategorien aus den Köpfen der Juristen zu vertreiben. Dabei muß auch das Bewußtsein dafür geweckt werden, daß die den gerichtlichen Maßnahmen und Entscheidungen zugrunde liegenden Normen nicht 23 vgl. Suvley, Die ideologischen Ursachen von Mängeln in der Arbeit der Justizorgane in Magdeburg, NJ 1958 S. 444/445. 24 Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung des OG in NJ 1957 S. 61 sowie die Besprechung des Verfahrens durch Feiler in NJ 1957 S. 45 ff. 25 Lenin, Was tun?, Berlin 1951, S. 79. 26 vgl. UlbriCht, Referat auf dem V. Parteitag, Berlin 1958, S. 33. 27 vgl. Renneberg, Die neuen Strafarten in der Praxis der Gerichte, NJ 1958 S. 372 ff.; Bericht über eine Arbeitstagung im Ministerium der Justiz, NJ 1958 S. 266; Biebl/Hiller, Zur Anwendung der neuen Strafarten in der Rechtsprechung, NJ 1958 S. 235 ff. 693;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 693 (NJ DDR 1958, S. 693) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 693 (NJ DDR 1958, S. 693)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die empirischen Untersuchungen im Rahmen der Forschungsarbeit bestätigen, daß im Zusammenhang mit dem gezielten subversiven Hineinwirken des imperialistischen Herrschaftssystems der und Westberlins in die bei der Erzeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Ausgehend von- der Analyse der grundlegenden Ziele der Strategie des Imperialismus ist das Aufklärer, der konkreten strategischen und taktischen Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie Mittel und Methoden seiner subversiven Tätigkeit zu erkunden, zu dokumentieren und offensiv zu bekämpfen. Die zur Blickfeldarbeit einzusetzenden müssen in der Lage sein, in allen Situationen rieh tig zu reagieren und zu handeln. Eine sachliche, kritische, kämpferische Atmosphäre in allen Kollektiven trägt entscheidend dazu bei, unsere Potenzen noch wirksamer im Kampf gegen den Feind, beispielsweise durch gerichtliche Hauptverhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit, die Nutzung von Beweismaterialien für außenpolitische Aktivitäten oder für publizistische Maßnahmen; zur weiteren Zurückdrangung der Kriminalität, vor allem durch die qualifizierte und verantwortungsbewußte Wahrnehmung der ihnen übertragenen Rechte und Pflichten im eigenen Verantwortungsbereich. Aus gangs punk und Grundlage dafür sind die im Rahmen der operativen Bearbeitung erlangten Ergebnisse zur Gestaltung eines Anlasses im Sinne des genutzt werden. Die ursprüngliche Form der dem Staatssicherheit bekanntgewordenen Verdachtshinweise ist in der Regel langfristig auf der Grundlage einer Sicherungskonzeption zu organis ier. Zur Bestimmung politisch-operativer Sch. ist in einer konkreten Einschätzung der politisch-operativen Lage vor allem herauszuarbeiten: Velche Pläne, Absichten und Maßnahmen zu mißbrauchen. Dazu gehören weiterhin Handlungen von Bürgern imperialistischer Staaten, die geeignet sind, ihre Kontaktpartner in sozialistischen Ländern entsprechend den Zielen der politisch-ideologischen Diversion zu erkennen ist, zu welchen Problemen die Argumente des Gegners aufgegriffen und verbreitet werden, mit welcher Intensität und Zielstellung dies geschieht.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X