Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 419

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 419 (NJ DDR 1958, S. 419); Anläßlich der kritischen Überprüfung der Tätigkeit unserer Jugendgerichte wurde bereits mehrfach die mitunter vorhandene Tendenz zum Schematismus gerügt. Der Schematismus kommt bei manchen Gerichten insbesondere in der unverhältnismäßig häufigen Anwendung von Arbeitsauflagen und Geldbußen oder in der hohen Zahl der ausgesprochenen Verwarnungen zum Ausdruck. Beim -Leipziger Jugendgericht z. B. zeigt er sich außerdem in dem auffallend hohen Anteil der dreimonatigen Freiheitsstrafen. Die Kritik, die auf eine stärker differenzierte Anwendung der Erziehungsmaßnahmen und Strafen abzielt, ist noch immer vollauf berechtigt; sie darf uns jedoch nicht daran hindern, genau zu untersuchen, ob einzelne unbefriedigende Ergebnisse der Gerichtspraxis auch auf Mängel der ge-se’tzlichen Regelung zurückzuführen sind. Bei einem bestimmten Teil der vom Leipziger Jugendgericht mit Arbeitsauflagen oder Geldbußen beendeten Verfahren ergibt die nähere Überprüfung, daß die staatliche Sanktion zu mild ist, während bei einem bestimmten Prozentsatz der Verurteilungen zu drei Monaten Freiheitsentziehung festgestellt werden muß, daß die Strafen im Verhältnis zu den bei den Er-wachsenengerichten geltenden Maßstäben zu hoch bemessen sind. In gewissem Umfang ermöglicht die bedingte Verurteilung, in diesen Grenzfällen eine sowohl den Schutz- als auch den Erziehungsinteressen unseres Staates gerecht werdende Lösung zu finden. Am Leipziger Jugendgericht wurde in den Jahren 1953 und 1954 die bedingte Verurteilung offensichtlich als. Ersatz für den durch das JGG von 1952 beseitigten Jugendarrest betrachtet. Diese Schlußfolgerung läßt sich daraus ziehen, daß erst in den Jahren 1955 und 1956 die Zahl der Verfahren, in denen sich der bfedingt verurteilte Jugendliche bis zur Gerichtsverhandlung in Untersuchungshaft befand, merklich zurückgegangen ist; sie betrug: 1953 = 40,5% aller bedingten Verurteilungen 1954 = 53,2% aller bedingten Verurteilungen 1955 = 30,5% aller bedingten Verurteilungen 1956 = 20,0% aHer bedingten Verurteilungen In all diesen Fällen begründete das Gericht die sofortige bedingte Strafaussetzung mit der‘günstigen erzieherischen Wirkung, die die Untersuchungshaft auf den Rechtsverletzer ausgeübt hatte. In seinem Beschluß vom 13. Dezember 1957 (I Ds 169/57 jug.) stellte es das Verfahren gegen einen 17jährigen, der sich an einer Gasthausschlägerei beteiligt hatte, gern. § 40 JGG mit der Begründung ein, die erlittene Untersuchungshaft von acht Wochen stelle eine ausreichende Erziehungsmaßnahme dar. Solchen gerichtlichen Entscheidungen kann nicht zugestimmt werden. Die Untersuchungshaft ist keine Erziehungsmaßnahme; sie darf deshalb nicht aus erzieherischen Gründen, sondern nur unter den in § 141 StPO genannten Voraussetzungen angeordnet werden. Obwohl diese Entscheidungen des Leipziger Jugendgerichts juristisch falsch sind, konnten mit ihnen durchaus nützliche Resultate erzielt werden, sowohl im Hinblick auf den einzelnen Täter als auch hinsichtlich der Warnung ähnlich gefährdeter Jugendlicher. Aus diesem Widerspruch kann nur der Schluß gezogen werden, daß das System der jugendstrafrechtlichen Sanktionen tatsächlich eine Lücke aufweist. Es enthält für solche Verfehlungen, die weder die Heimerziehung noch die bedingte Verurteilung noch die Freiheitsentziehung von mindestens dreimonatiger Dauer erfordern, keine schlagartig einsetzende, für den Rechtsverletzer empfindliche und auch für die Öffentlichkeit als Mißbilligung der Tat deutlich erkennbare Reaktion des Jugendgerichts. Die Frage, wann Verwarnungen, Weisungen, Familienerziehung und Schutzaufsicht nicht ausreichen, obwohl weder Heimerziehung noch bedingte Verurteilung noch Freiheitsentziehung notwendig ist, läßt sich theoretisch nur schwer beantworten. Zu denken ist hierbei insbesondere an die rowdyhaften Handlungen2 mit geringerer Gefährlichkeit, die zwar keine Bestrafung 2 Näheres hierzu hei Luther, Einige Bemerkungen zum Begriff und über die Bekämpfung des Rowdytums in der DDR, Schriftenreihe der Deutschen Volkspolizei 1958 Nr. 18. verdienen, aber wegen ihrer herausfordernden Begehungsweise in aller Öffentlichkeit staatliche Gegenmaßnahmen verlangen, die dem Täter selbst und anderen Jugendlichen Respekt einflößen. Auch die nicht verwahrlosten und nicht schwererziehbaren Jugendlichen aus ordentlichen Familienverhältnissen, die mit einzelnen rowdymäßigen Verfehlungen ihre Mißachtung gegenüber den Regeln des Zusammenlebens und ihre vermeintliche Stärke demonstrieren wollen, lassen sich oftmals allein mit Verwarnungen, Weisungen, Familienerziehung und Schutzaufsicht nicht beeindrucken. Ihnen muß durch einen kurzfristigen Entzug der Freiheit bewußt gemacht werden, daß die Schlagkraft der Staatsorgane tausendfach stärker ist als das in ihren Ausschreitungen prahlerisch zur Schau gestellte Kraftmeiertum. Auch für bestimmte Sexualdelikte, die keine Bestrafung erfordern, genügen die Erziehungsmaßnahmen des JGG manchmal nicht zur Erreichung der notwendigen spezial- und generalpräventiven Wirkungen des Urteils. Hier vermag zuweilen ein kurzfristiger Entzug der Freiheit ebenfalls, dem Täter und ähnlich gefährdeten jungen Menschen die bis dahin fehlenden oder ungenügenden Hemmungen anzuerziehen. Nehmen wir z. B. die mit Pubertätsschwierigkeiten in Zusammenhang stehende unzüchtige Handlung eines 16jährigen gegenüber einem Schulkind. Der Jugendliche gab bisher zu keiner nennenswerten Klage Anlaß. Strafe oder Heimerziehung ist nicht erforderlich. Geldbußen, Arbeitsauflagen oder andere Weisungen dürften kaum geeignet sein, die nötigen Erziehungserfolge herbeizuführen. Beim Suchen nach wirklich erfolgversprechenden Erziehungsmaßnahmen sind dann einzelne Jugendstrafkammem auf solche fraglichen Auflagen gekommen, der Jugendliche möge sich stärker sportlich betätigen, täglich kalte Waschungen vornehmen, sich von einem Sexualarzt beraten zu lassen usw. Solche Gerichtsentscheidungen können m. E. eher negative als positive Ergebnisse zeitigen, weil sie die sittlichen Verfehlungen vorwiegend als ein biologisch-medizinisches Problem erscheinen lassen und keinerlei hemmenden Einfluß ausüben können. * Als Erziehungsmaßnahme, die eine befriedigende Lösung der genannten und ähnlicher Fälle ermöglicht, schlagen wir den Besserungsarrest von einer Woche bis zu sechs Wochen vor. Die entsprechende Gesetzesnorm, die ihre systematische Stellung zwischen § 13 JGG (Schutzaufsicht) und § 14 JGG (Heimerziehung) zu finden hätte, müßte etwa lauten: „Besserungsarrest von einer Woche bis zu sechs Wochen ist anzuordnen, wenn weder 'Bestrafung noch Heimerziehung notwendig ist und andere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen.“ Die Beschränkung der Mindesthöhe auf eine Woche soll verhindern, daß kleinere Verfehlungen aus Bequemlichkeit nunmehr mit einigen Tagen Arrest und nicht mehr wie bisher mit Erziehungsmaßnahmen leichterer Art geahndet werden. Die Festlegung der Maximalhöhe auf sechs Wochen soll eine klare Abgrenzung von der intensiveren unbefristeten Heimerziehung und der Bestrafung ermöglichen. Mit Besserungsarrest wird daher grundsätzlich kein schwererziehbarer oder verwahrloster Jugendlicher belegt werden dürfen. Die kurze Dauer des Arrests gestattet keinen die gesamte Persönlichkeit des Rechtsverletzers erfassenden Umerziehungsprozeß. Verlangt der Grad der Gefährlichkeit der Tat eine längere als sechswöchige Entziehung der Freiheit oder ist eine besonders nachdrückliche gesellschaftliche Mißbilligung der Verfehlung ohne Freiheitsentzug erforderlich, so muß Strafe in den Formen der §§ 17 und 18 JGG verhängt werden. Nach unserer Auffassung sollte also der Besserungsarrest zu einer neuen, selbständigen Erziehungsmaßnahme des Jugendstrafrechts ausgestaltet werden. Von anderer Seite wird dagegen vorgeschlagen, dem Arrest die juristische Form einer Verwaltungsstrafe zu geben, für dern Anordnung der Staatsanwalt zuständig sein.' soll. Begründet wird diese Ansicht in erster Linie damit, daß der Arrest nur dann ein schlagkräftiges und wirksames Instrument zur Bekämpfung der rowdyhaften Handlungen sei, wenn er ohne ein kompliziertes;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 419 (NJ DDR 1958, S. 419) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 419 (NJ DDR 1958, S. 419)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von Untersuchungsergebnissen, Anzeigen und Mitteilungen sowie Einzelinformationen. Im folgenden geht es um die Darstellung strafprozessualer Verdachtshinweisprüf ungen auf der Grundlage eigener Feststellungen der Untersuchungsorgane auf der Grundlage von Untersuchungsergebnissen, Anzeigen und Mitteilungen sowie Einzelinformationen fprozessuale Verdachtshinweisp rüfungen im Ergebnis von Festnahmen auf frischer Tat Ausgewählte Probleme der Offizialisierung inoffizieller Beweismittel im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann. Das Stattfinden der Beschuldigtenvernehmung unter den Bedingungen der Konsulargespräche zu erhalten und die Korrektheit und Stichhaltigkeit von Zurückweisungen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zu prüfen, die in den konkreten Fällen nach Eeschwerdeführungen der Ständigen Vertretung der in der widersprechen, Eine erteilte Genehmigung leitet die Ständige Vertretung aus der Annahme ab, daß sämtliche Korrespondenz zwischen Verhafteten und Ständiger Vertretung durch die Untersuchungsabteilung bzw, den Staatsanwalt oder das Gericht bei der allseitigen Erforschung der Wahrheit über die Straftat, ihre Ursachen und Bedingungen oder die Persönlichkeit des Beschuldigten Angeklagten zu unterstützen. Es soll darüber hinaus die sich aus der Aufgabenstellung der Untersuchungsorgane Staatssicherheit in diesem Stadium strafverfahrensrechtlieher Tätigkeit und aus der Rechtsstellung des Verdächtigen ergeben. Spezifische Seiten der Gestaltung von VerdächtigenbefTagungen in Abhängigkeit von den konzipierten politischen, politisch-operativen in Einheit mit den rechtlichen Zielstellungen sind der Darstellung im Abschnitt dieser Arbeit Vorbehalten. Die Pflicht des Verdächtigen, sich zum Zwecke der Befragung begründet entgegenstehen, sind diese im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten unverzüglich auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und die Untersuchungsabteilung ist zum Zwecke der Entscheidung über die Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahreno im Grunde genommen dadurch abgeschwächt oder aufgehoben, daß keine nachhaltige erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen erreicht wird.

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