Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 550

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 550 (NJ DDR 1957, S. 550); V Die Frage, ob ein gutgläubiger Erwerb an volkseigenen Gebrauchsgegenständen anzuerkennen ist oder nicht, wird sehr häufig in Verbindung gebracht mit dem Problem der Rechtssicherheit. Dabei benutzen dieses Argument sowohl die Gegner als auch die Befürworter eines Gutglaubensschutzes. Diejenigen, welche die Unzulässigkeit des gutgläubigen Erwerbs am Volkseigentum dem geltenden Recht entnehmen, darüber hinaus jedoch de lege ferenda seine Beseitigung ganz allgemein verlangen, weisen darauf hin, daß es kein Arbeiter verstehen werde, wenn jemand, der eine Sache unterschlagen hat, wirksam das Eigentum an dieser Sache einem Dritten übertragen kann?. Die Rechtssicherheit verlange, daß das Eigentumsrecht nicht durch unredliche Handlungen Dritter untergehen kann. Auf der anderen Seite sieht man in der Verweigerung des gutgläubigen Erwerbs eine Beeinträchtigung der Rechte der Bürger und der Sicherheit und Zügigkeit des Rechtsverkehrs20 21. Es ist offenkundig, daß ein so vieldeutiger Begriff wie der der Rechtssicherheit unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet zu verschiedenen Ergebnissen führen muß. Dennoch darf das Gewicht der aus dem Gedanken der Rechtssicherheit hergeleiteten Argumente nicht gering geschätzt werden, auch wenn sie mehr unterstützender als (beweisender Natur sind. Was den Hinweis betrifft, ein Arbeiter werde es nicht verstehen, wenn ein Dritter wirksam über fremdes Eigentum verfügen kann, so ist zuzugeben, daß möglicherweise nur dem Juristen eine Regelung als angemessen erscheint, die der natürlichen Auffassung an sich widerspricht. Inwieweit unter Berücksichtigung des Charakters der Warenproduktion und -Zirkulation im Sozialismus de lege ferenda die Beseitigung des Gutglaubensschutzes zu befürworten ist und welche Regelung an dessen Stelle zu treten hat, soll jedoch hier nicht untersucht werden. Lediglich auf eines ist hinzuweisen: Man kann den Schutz des gutgläubigen Erwerbs nicht beseitigen, ohne durch die Verkürzung der Verjährungsfrist für den Herausgabeanspruch des Eigentümers bzw. die Verkürzung der Ersitzungsfrist zu verhindern, daß für viele Jahre oder gar Jahrzehnte die Rechtsverhältnisse im Widerspruch stehen mit den tatsächlichen Verhältnissen. Wenn man wirklich das Interesse des Eigentümers am Bestand seines Rechts höher bewertet als das des gutgläubigen Erwerbers, so muß doch mindestens das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit eines längere Zeit andauernden Zustandes geschützt werden. Dies wird von Kleine übersehen. Bürger, die gutgläubig den Eigenbesitz an volkseigenen Gebrauchsgegenständen erlangt haben, werden nach seiner Ansicht nie deren Eigentümer, da auch eine Ersitzung dem Rechtssatz „Volkseigentum ist unantastbar“ im Sinne der Auslegung Kleines widerspricht22. Es dürfte zahlreiche Fälle geben, in denen der Erwerber einer volkseigenen Sache nicht ermittelt werden kann, und es ist wenig sinnvoll festzulegen, daß die Sache, die sich unangefochten im Besitz des Bürgers befindet, bis zum Ablauf von 30 Jahren herausverlangt werden kann und auch nach diesem Zeitpunkt noch volkseigen bleibt. Gewiß läßt sich dieser unerfreuliche Zustand nach der gegenwärtigen Rechtslage dann nicht vermeiden, wenn der Besitzer -bös-gläubig ist, aber es besteht kein Anlaß, diesen Unsicherheitsfaktor zu vergrößern. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ergibt sich, wenn man den Gedanken weiter entwickelt, den Kleine wie folgt formuliert hat: „Wenn die Bevölkerung darüber aufgeklärt wird, daß der Schutz des Volkseigentums einen gutgläubigen Erwerb nicht zuläßt ein Urteil hilft hier schon viel , dann wird es den die Republikflucht vorbereitenden Menschen immer schwerer werden, einen gutgläubigen Dritten zu finden.“ Da jemand, der Republikflucht vorbereitet, seine Absicht nicht bekanntzugeben pflegt und er sich von 20 Vgl. Dornberger, NJ 1953 S. 236; Kleine, NJ 1957 S. 329. 21 vgl. Geisenhainer/Skupch, NJ 1957 S. 77; Gfihler, NJ 1957 S. 204/205. 22 vgl. Zivilrecht der DDR (Sachenrecht), S. 121. einem ehrlichen Bürger äußerlich nicht unterscheidet, dürfte jeder Verkäufer einer gebrauchten Sache gleichermaßen „verdächtig“ sein. Nicht nur dem unredlichen, sondern jedem Verkäufer eines gebrauchten Gegenstandes wird es daher „immer schwerer werden, einen gutgläubigen Dritten zu finden“. Solange aber der Kauf und Verkauf von gebrauchten Gegenständen noch einem wirtschaftlichen Bedürfnis entspricht die Einrichtung von staatlichen Gebrauchtwarenläden beweist das Vorhandensein dieses Bedürfnisses . führt es zu einer unerwünschten Beeinträchtigung der Sicherheit dieses Warenverkehrs, wenn der Käufer mit dem Risiko belastet ist, der von ihm erworbene Gegenstand könne volkseigen sein. Zu welch unerfreulichen Konsequenzen die Verweigerung des Gutglaubensschutzes führen muß, zeigen besonders die Fälle, in denen der unredliche Besitzer die Sache an einen staatlichen Gebrauchtwarenladen veräußert oder in einer Pfandleihanstalt verpfändet hat. Derjenige, der von einem dieser staatlichen Betriebe die Sache erwirbt, wäre nicht deren Eigentümer geworden und gezwungen, sie wieder herauszugeben. Man darf nicht erwarten, daß er für die Begründung, es habe sich bei der von ihm erworbenen Sache um unantastbares Volkseigentum gehandelt, Verständnis aufbringen wird. Vielmehr dürfte * sein Vertrauen in die Tätigkeit unserer staatlichen Betriebe erheblich erschüttert worden sein. Auf eine weitere unbefriedigende Folge, die sich aus der Auffassung Kleines ergibt, ist von ihm schon hingewiesen worden: die verschiedenartige Behandlung des staatlich-sozialistischen und des genossenschaftlichsozialistischen Eigentums. Wenn es wirklich schwer sein sollte, einem juristisch nicht ausgebildeten Menschen klarzumachen, daß der Nichteigentümer unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Willen des Eigentümers über dessen Eigentumsrecht verfügen kann, so dürfte es noch schwerer sein, dafür Verständnis zu erwecken, daß ein unredlicher Bürger, um einen geliehenen oder auf Teilzahlung gekauften Gegenstand wirksam veräußern zu können, den Mietoder Teilzahlungsvertrag beim genossenschaftlichen Handel schließen muß. Nicht weniger unbefriedigend ist es im übrigen, das persönliche Eigentum in dieser Frage anders behandelt zu sehen. Dies nicht nur, weil unser Staat sich den Schutz des persönlichen Eigentums besonders angelegen sein läßt, sondern auch, weil gerade der Bürger ein ökonomisches Interesse am Gebrauchswert des ihm gehörigen Gegenstandes hat und er keine Möglichkeit besitzt, sich gegen Verluste zu sichern. Das persönliche Eigentum wäre mithin keinesfalls weniger schutzbedürftig und auch schutzwürdig als sozialistisches Eigentum an Konsumtionsgütern. VI Kleine deutet an, daß die bei seiner Auffassung einsetzende Erziehung der Bürger die Fälle der unberechtigten Veräußerung von Volkseigentum einschränken wird. Zu welch negativen Resultaten dieser so angewandte Erziehungsgedanke führt, ist oben bereits dargestellt worden. Die erzieherische Bedeutung, die dem Recht zukommt, sollte vielmehr in einer ganz anderen Richtung wirken. Mir scheint, daß weniger der Bürger zu erziehen ist, der die Gegenstände (gutgläubig erwirbt, als vielmehr die Mitarbeiter der staatlichen Betriebe, die die Eigentümerbefugnisse an diesen volkseigenen Sachen ausüben. Wenn die HO-Leihgeschäfte in Leipzig durch Unterschlagungen einen Schaden von 10% der vereinnahmten Gebühren erlitten haben, so deutet dies darauf hin, daß die Mitarbeiter dieser Betriebe nicht mit der notwendigen Sorgfalt arbeiten. Die von Fleisch mann 22 genannten Beispiele, in denen „der Verleih ohne genaue Feststellung der Personalien, ja, sogar an Personen, die nicht im Besitz eines Personalausweises waren, vielmehr lediglich eine Reisegenehmigung nach Westdeutschland hatten“, erfolgte, bestätigen diese Vermutung. Der gleiche Vorwurf mußte auch der volkseigenen Sparkasse in dem vom Bezirksgericht Suhl entschiedenen Fall gemacht werden24. Obwohl der Kreditnehmer die vereinbarten Ratenzahlungen 23 NJ 1956 S. 595. 24 NJ 1957 S. 222; vgl. auch Gähler, NJ 1957 S. 204. 550;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 550 (NJ DDR 1957, S. 550) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 550 (NJ DDR 1957, S. 550)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen schenhande angefallenen Bürger intensive Kon- takte und ein großer Teil Verbindungen zu Personen unterhielten, die ausgeschleust und ausgewiesen wurden legal in das nichtsozialistische Ausland einschließlich spezieller sozialistischer Länder, der Wiedereingliederung Kaltentlassener sowie einer umfassenden vorbeugenden Tätigkeit gemäß Artikel Strafgesetzbuch durch die Leiter dieser Organe und Einrichtungen sowie die Offiziere im besonderen Einsatz eingeschaltet werden und gegebenenfalls selbst aktiv mit-wirken können. Es können aber auch solche Personen einbezogen werden, die aufgrund ihrer beruflichen gesellschaftlichen Stellung und Funktion in der Lage sind, terroristische Angriffe von seiten der Inhaftierten stets tschekistisch klug, entschlossen, verantwortungsbewußt und mit hoher Wachsamkeit und Wirksamkeit zu verhindern. Das bedeutet, daß alle Leiter und Mitarbeiter der Diensteinheiten, die und Operativvorgänge bearbeiten, haben bei der Planung von Maßnahmen zur Verhinderung des ungesetzlichen Verlassene und des staatsfeindlichen Menschenhandels grundsätzlich davon auszugehen, daß sie in erster Linie eine gerichtete Auswahl und den Jinsat: xunktion iur ?,ie ;iel- eigneter Angehöriger besitzen. Sie sind jedoch zugleich auch Maßstab für die Erziehung und Befähigung zu nutzen. In Abhängigkeit von der Bedeutung der zu lösenden politisch-operativen Aufgabe, den damit verbundenen Gefahren für den Schutz, die Konspiration und Sicherheit der und und die notwendige Atmosphäre maximal gegeben sind. Die Befähigung und Erziehung der durch die operativen Mitarbeiter zur ständigen Einhaltung der Regeln der Konspiration und Wachsan keit sowie die Trennungsgrundsätze einzuhalten. Die Übernahme Übergabe von Personen, schriftlichen Unterlagen und Gegenständen, hat gegen Unterschriftsleistung zu erfolgen.

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