Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 147

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 147 (NJ DDR 1957, S. 147); gleichfalls eine besondere Bedeutung zuzusprechen, wenn diese Auslegung dem Wesen unseres Rechtsmittelverfahrens entspricht und weder gegen die Gesetze der Logik noch die Regeln der deutschen Sprache verstößt. Daß gerade im § 538 das Wort „Hauptsache“ einen anderen Sinn hat, als dies gewöhnlich der Fall ist, geht auch aus dem ganzen Zusammenhang dieser Gesetzesstelle hervor. Das Gesetz läßt, wie mehrfach erwähnt, die Zurückverweisung zu, wenn sich das Verfahren erster Instanz auf die Frage der Sachurteilsvoraussetzungen oder auf die Frage des Grundes beschränkt hat oder wenn aus „sonstigen Gründen eine Verhandlung zur Hauptsache nicht stattgefunden hat“. § 538 setzt also den Fall, daß nur über eine Sachurteilsvoraussetzung verhandelt wurde, dem Fall, daß nur über den Grund des Anspruchs verhandelt wurde, völlig gleich. In beiden Fällen wurde nicht „zur Hauptsache“ verhandelt, sonst wären die Worte „aus sonstigen Gründen“ überflüssig. Wenn aber eine auf den Grund des Anspruchs beschränkte Verhandlung keine Verhandlung zur Hauptsache im Sinne des § 538 war, dann muß dies erst recht der Fall sein, wenn die Dinge, auf die es entscheidend angekommen ist und die für ein sachlich richtiges Urteil hauptsächlich herangezogen werden müssen, in der ersten Instanz überhaupt nicht zur Sprache gekommen sind, wenn die Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens ohne Aufhebung und Zurückverweisung unrichtigerweise in die Berufungsinstanz verlegt würde. Ähnlich argumentiert auch Cohn in der oben erwähnten Anmerkung zum Urteil des OG vom 10. Dezember 1952, wenn er ein anderes den Anspruch nicht erschöpfendes Verfahren erster Instanz, einem Verfahren, in dem nicht zur Hauptsache verhandelt wurde, gleichsetzen will. Allerdings gehe ich nicht ganz so weit. Solche Fälle liegen z. B. vor, wenn das Gericht erster Instanz, ohne sich mit der Sache selbst befaßt zu haben, irrtümlich Verzicht, Anerkenntnis, Vergleich oder Stundung annimmt, wenn es, ohne die Sache näher zu behandeln, irrtümlich ein ausdrückliches Geständnis (§ 288) oder ein stillschweigendes Geständnis (§. 138 Abs. 3) annimmt, ohne daß der zweite Fall des § 538 vorliegt. Ähnlich wird der Fall liegen, wenn das Gericht erster Instanz unrichtigerweise zu einer Entscheidung kommt, ohne irgendwelche Beweise zu erheben, obwohl eine Beweiserhebung notwendig gewesen wäre. In allen diesen Fällen ist genauso wenig oder sogar noch weniger zur Hauptsache verhandelt worden als bei der Beschränkung auf den Grund, Wenn auch die Grenzziehung oft nicht leicht sein mag, so wird doch in der Regel der Vergleich mit dem zweiten Fall des § 538 eine gute Richtlinie dafür geben, ob die Sache so unvollständig erledigt wurde, daß von einer Verhandlung zur „Hauptsache“ nicht die Rede sein kann. Wenn Prozeßstoff völlig unerörtert geblieben ist, der in seiner Bedeutung den Umständen gleichkommt, deren Feststellung für die ziffernmäßige Höhe des Anspruchs nötig ist, so ist der dritte Fall des § 538 gegeben. Eine sachliche Überprüfung der Entscheidung ist nicht möglich, weil „die Hauptsache“ unerörtert geblieben ist. Weiterzugehen wäre de lege lata bedenklich, nicht nur weil § 538 Satz 2, wie oben gesagt, Selbstentscheidung verlangt, wenn diese sachdienlich, also ohne weitläufige Verfahrensergänzung möglich ist, sondern auch deswegen, weil nicht jeder erhebliche Verfahrensmangel, nicht jede ungerechtfertigte Nichtbeachtung eines Beweisantrags die Hauptsache im Sinne von § 538 betrifft, eine sachliche Überprüfung der Entscheidung unmöglich macht und so zu einer völligen Neuaufrollung der Sache im Berufungsverfahren zwingt. Leider gibt der § 538 auch bei der von mir vorgeschlagenen zugegebenermaßen neuen Auslegung keine Möglichkeit, andere schwere Verstöße gegen grundlegende Prozeßprinzipien mit der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache zu beantworten, weil in solchem Falle trotz des geschehenen groben Verstoßes die Hauptsache i. S. des § 538 vom Gericht erster Instanz behandelt wurde. Dazu gehören u. a. die mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensmängel des § 579, grobe Verstöße gegen das Unmittelbarkeitsprinzip oder auch Verstöße gegen Abschnitt II der AnglVO über die Öffentlichkeit des Verfahrens. All diese Verstöße werden durch die Neuverhandlung der Sache in der zweiten Instanz geheilt. Insofern stimme ich mit Nathan völlig überein. III Die bisherigen Ausführungen beruhen auf der Ansicht, daß der § 539 ZPO im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichts7) nicht sanktioniert ist. Diese Entscheidung ist bisher unwidersprochen geblieben, und es mußte daher von ihr ausgegangen werden. Allerdings wirkt die Begründung dieser Entscheidung nicht voll überzeugend. Die Beseitigung des § 539 erfolgte durch die 4. VereinfVO im Jahre 1943. Sie war eine ausgesprochene Kriegsmaßnahme und sollte zu einer Beschleunigung des Verfahrens um jeden Preis, ohne Rücksicht auf die Qualität der Entscheidung und ohne Rücksicht auf das Wesen der Berufung und ihren Platz im System der ZPO führen. Die Vorschrift des § 539 ZPO, die dem Berufungsgericht die Möglichkeit gibt, bei wesentlichen Verfahrensmängeln aller Art, ohne die Einschränkung des § 538, nach pflichtgemäßem Ermessen Entscheidungen der ersten Instanz aufzuheben und zurückzuverweisen, entsprach völlig dem Wesen der Berufung, die wie bereits mehrfach gesagt immer Überprüfungscharakter trägt, auch wenn das Rechtsmittelsystem, so wie es bei uns der Fall ist, mehr reformatorischen als kassatorischen Charakter trägt. Die Beseitigung des § 539 brachte die Gefahr mit sich, daß das Berufungsverfahren sich gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren völlig verselbständigt, daß es an die Stelle des erstinstanzlichen Verfahrens tritt. Wenn auch die hier vor-geschlagene weitere Auslegung des § 538 ZPO einer solchen Gefahr einigermaßen steuert, so erscheint es dennoch nicht ganz unangebracht, die Frage, ob die Beseitigung des § 539 ZPO zu sanktionieren ist, einer nochmaligen Überprüfung zu unterziehen. Ebenso wie das Oberste Gericht mit seinem Urteil vom 24. November 19558) seine frühere, nämlich im Urteil vom 25. Juni 19539) vertretene Ansicht über die Weitergeltung des § 1709 Abs. 2 BGB aufgehoben hat, wäre es immerhin denkbar, daß es unter Berücksichtigung der schädlichen Wirkungen, die m. E. durch die Einschränkung der Zurückverweisungsmöglichkeiten eingetreten sind, auch seine Ansicht über die Anwendbarkeit des § 539 ZPO ändern könnte. Wie dem aber auch sei, erscheint es auf jeden Fall empfehlenswert, de lege ferenda zu einer zweckmäßigen Kombination des reformatorischen und kassatorischen Prinzips im Rechtsmittelverfahren der ZPO zu kommen. Als Vorbild dafür könnte vielleicht die Regelung des tschechoslowakischen Zivilprozeßgesetzes10) dienen, die sich wie die Berichte auf der bereits erwähnten Tagung der tschechoslowakischen Zivilprozessualisten zeigten in der Praxis durchaus bewährt hat und keiner Änderung bedürftig ist. Sie geht davon aus, daß das Berufungsgericht grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden soll. Gleichzeitig hat das Berufungsgericht jedoch die Möglichkeit, die angefoch-tene Entscheidung aufzuheben und die Sache in die erste Instanz zurückzuverweisen, wenn sich das Gericht erster Instanz in wesentlichen Punkten nicht mit dem wirklichen Sachverhalt befaßt hat oder wenn Verfahrensmängel vorliegen, die eine unrichtige Entscheidung zur Folge haben können, und die Beseitigung dieser Mängel eine umfangreiche Ergänzung des Verfahrens erfordern würde. In allen anderen Fällen, insbesondere wenn nur die rechtliche Beurteilung des Falles in der zweiten Instanz von der ersten Instanz abweicht, ist eine Zurüdeverweisung ausgeschlossen. Bemerkenswert ist noch, daß die tschechoslowakische ZPO im Falle der Zurückverweisung ausdrücklich vorschreibt, daß das Gericht erster Instanz an die Rechtsansicht des Berufungsgerichts gebunden ist. Diese Vorschriften haben dazu geführt, daß die Aufhebung und Zurückverweisung relativ selten geblieben sind, aber gerade deswegen, weil sie nicht allzu häufig Vorkommen, von den Gerichten erster Instanz als schwere nachhaltige Kritik ihrer Arbeit empfunden werden und daher außerordentlich erzieherisch wirken. 7) Urt. vom 28. März 1951, NJ 1951 S. 227. 8) NJ 1956 S. 281. 9) NJ 1953 S. 748. 10) §§ 185 und 186 der tschechoslowakischen ZPO ln der Fassung des Jahres 1954. 147;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 147 (NJ DDR 1957, S. 147) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 147 (NJ DDR 1957, S. 147)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Organisierung und Durchführung einer planmäßigen, zielgerichteten und perspektivisch orientierten Suche und Auswahl qualifizierter Kandidaten Studienmaterial Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Grundfragen der weiteren Erhöhung der Effektivität der und Arbeit bei der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, an denen jugendliche Bürger der beteiligt ind Anforderungen an die Gestaltung einer wirk- samen Öffentlichkeitsarbeit der Linio Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung von Rechtsverletzungen als auch als Reaktion auf bereits begangene Rechtsverletzungen erfolgen, wenn das Stellen der Forderung für die Erfüllung politisch-operativer Aufgaben erforderlich ist. Mit der Möglichkeit, auf der Grundlage des Gesetzes in Gewahrsam genommen werden kann, nennt Abs Satz Personen, die aus Einrichtungen entwichen sind, in die sie zwangsweise eingewiesen wurden. Soweit derartig flüchtig gewordene Personen durch die Diensteinheiten der Linie realisiert werden, alle möglichen Einzelmaßnahmen zur Identitätsfeststellung zu nutzen und in hoher Qualität durchzuführen, um mit den Ergebnissen die politisch-operative Arbeit aller Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlicher Pläne, Absichten und Maßnahmen zum Mißbrauch des Transitverkehrs zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung auf und an den Transitwegen; Abwicklung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens für Aus- und Einreisen und der Kontrolle der Einreisen von Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin und ihres Aufenthaltes in der und der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten mißbraucht. Das geschieht insbesondere durch Entstellungen, falsche Berichterstattungen, Lügen und Verleumdungen in westlichen Massenmedien und vor internationalen Organisationen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung in diesem Stadium der Untersuchungen läßt sich nicht begründen, wenn sich der befragte Mitarbeiter dadurch strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde.

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