Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 238

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 238 (NJ DDR 1956, S. 238); tung bringt ebenso wie eine leichtfertige Überwachung der Fristen eine Unterschätzung der Leitungsfunktion des Staatsanwalts zum Ausdruck und birgt Tendenzen zur Durchbrechung der demokratischen Gesetzlichkeit in sich. In diesem Zusammenhang ist die Stellungnahme der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei in Frank-furt/O unverständlich, wonach in solchen Verfahren, in denen die Bearbeitungsfrist durch Verschulden bereits überschritten ist, die Notwendigkeit der Fristverlängerung bestehe, da der Vorgang weiter bearbeitet werden müsse. Es wird weiter geschlußfolgert, daß ja ohne Fristverlängerung die Bearbeitung ungesetzlich sei. Selbstverständlich ist die Bearbeitung ohne Verlängerung der Bearbeitungsfrist ungesetzlich, aber hier muß gegen den Mitarbeiter unter Umständen disziplinarisch vorgegangen werden, der für die Nichteinhaltung der Bearbeitungsfrist verantwortlich ist. Keinesfalls kann dieser Schlendrian, der eine eklatante Durchbrechung der demokratischen Gesetzlichkeit darstellt, durch den Staatsanwalt sanktioniert werden. Im übrigen wird auf die Ausführungen im „Handbuch für den Staatsanwalt“ verwiesen, in dem es heißt: „Das Untersudiungsorgan hat den Antrag auf Fristverlängerung rechtzeitig mit schriftlicher Begründung an den Staatsanwalt zu richten; dieser hat durch schriftlich begründete Stellungnahme über die Ablehnung oder Gewährung zu entscheiden“. Die Gewährung oder Ablehnung der Fristverlängerung muß also mehr sein als der lakonische Vermerk „Fristverlängerung wird genehmigt oder nicht genehmigt“. Sie muß begründet werden und in jedem Falle sdiriftlieh erfolgen. Besonders notwendig erscheint eine Verbesserung der anleitenden Tätigkeit des Staatsanwalts in den Verfahren, in denen unbekannte Täter Volkseigentum angegriffen haben. Gemeinsam müssen hier Staatsanwalt und U-Leiter sehr sorgfältig die kleinsten Anhaltspunkte erörtern, um die Täter zu ermitteln. Ein guter Weg zur Erreichung dieses Ziels wird im Kreis Hagenow beschritten. Wöchentlich bzw. alle 14 Tage findet unter verantwortlicher Leitung des Kreisstaatsanwaltes eine Besprechung mit dem Amtsleiter, dem Leiter der U-Abteilung und den Dezernatsleitern unter Teilnahme des Direktors des Kreisgerichts statt. Das Ziel dieser Besprechung ist es 1. die anhängigen Ermittlungsverfahren zu prüfen; 2. in Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter alle Möglichkeiten, die der Aufklärung dienen, auszuschöpfen; L 3. die Ermittlungen zielstrebig zu führen, um so einen schnellen Abschluß zu erreichen; 4. die Aufklärungsquote zu erhöhen und die Qualität zu verbessern. Durch diese Besprechungen wird eine allgemeine Verbesserung der Ermittlungstätigkeit erreicht, und es entwickelt sich ein Verhältnis guter Zusammenarbeit zwischen Untersuchungsorgan, Staatsanwaltschaft und Gericht. Die für die Vorbeugung und Bekämpfung der Verbrechen verantwortlichen staatlichen Funktionäre erhalten einen genauen Überblick über den jeweiligen Stand der Kriminalität im Kreis und sind dadurch in der Lage, auch Maßnahmen zur Aufdeckung der latenten Kriminalität in die Wege zu leiten. Besonders sorgfältig und verantwortungsbewußt muß die Anleitung in solchen Verfahren erfolgen, in denen mit einer Inhaftierung zu rechnen ist. Hier ist gewissenhaft zu prüfen, ob die in § 141 StPO festgelegten Voraussetzungen einer Inhaftierung erfüllt sind. So müssen die Verdachtsgründe nicht nur hinreichend, sondern dringend sein; Vermutungen müssen konkret begründet werden. Zu beachten ist weiter, daß grundsätzlich für die vorläufige Festnahme durch das U-Organ eine schriftliche Anweisung erforderlich ist, die vom Kreisstaatsanwalt (nicht vom beigeordneten Staatsanwalt), vom Abteilungsleiter der zuständigen Fachabteilung beim Staatsanwalt des Bezirks, vom Leiter der U-Abteilung, vom zuständigen Leiter der Dienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit oder von deren Vorgesetztem Dienststellenleiter ausgestellt sein muß. Unklarheiten bestehen in der Praxis hinsichtlich der Stellung des Antrags auf Erlaß eines Haftbefehls gegen einen Beschuldigten ohne vorherige Vernehmung. Liegt einwandfreies, jeder Prüfung standhaltendes Beweismaterial vor, so muß der Staatsanwalt auch ohne vorherige Vernehmung den Erlaß eines Haftbefehls beantragen. Es ist seine Aufgabe als Leiter des Ermittlungsverfahrens, seinen Antrag anhand des vorliegenden Beweismaterials so überzeugend zu begründen, daß ihm der Richter stattgibt. Wird ein Beschuldigter ergriffen, so kann er ohne vorherige Vernehmung dem Staatsanwalt vorgeführt werden. Dieser entscheidet auf der Grundlage einer eingehenden Vernehmung, ob in diesem konkreten Fall beim zuständigen Gericht ein Antrag auf Erlaß des Haftbefehls zu steilen ist. In der Mehrzahl der Fälle so zeigt es die Praxis liegt bei Stellung des Antrags auf Erlaß eines Haftbefehls eine Vernehmung des Beschuldigten durch das U-Organ bereits vor. Es ist der Auffassung der Deutschen Volkspolizei wie sie in den Anweisungen des Chefs der Deutschen Volkspolizei an die Bezirks- und Kreisorgane niedergelegt ist (Befehl Nr. 41 vom 23. Juli 1955) zu folgen, daß nur der Leiter des Volkspolizeikreisamtes und der Leiter der U-Abteilung Haftbefehle beantragen dürfen. Vorläufige Festnahmen dürfen nur durchgeführt werden, wenn jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird und wenn Flucht- oder Verdunkelungsgefahr besteht. In allen anderen Fällen ist entweder vorher ein Haftbefehl zu erwirken oder, wenn Flucht- bzw. Verdunkelungsgefahr besteht, nur auf schriftliche Anordnung des Leiters derVPKA zu einer vorläufigen Festnahme zu schreiten. Der Staatsanwalt hat darauf zu achten, daß die Anordnungen zur vorläufigen Festnahme nur durch den Leiter des VPKA oder den Leiter der U-Abteilung gegeben werden, und zwar schriftlich. Eine andere Möglichkeit sieht § 106 StPO nicht vor. So ist es nicht möglich, diese gesetzlich festgelegte Befugnis hinsichtlich der Einleitung des Ermittlungsverfahrens auf die Dezernatsleiter zu delegieren, und sei es auch nur in Ausnahmefällen. Das widerspricht dem Prinzip der Verantwortlichkeit im Ermittlungsverfahren. Nach Erlaß des Haftbefehls sind die Angehörigen vom Staatsanwalt zu benachrichtigen, wenn es der Inhaftierte wünscht und der Zweck der Untersuchung dadurch nicht gefährdet wird. Die Hauptaufgabe des Staatsanwalts in diesem Zeitabschnitt des Verfahrens muß darin bestehen, gewissenhaft zu prüfen, ob in dem erreichten Ermittlungsstadium eine Festnahme erfolgen muß. Ist die Inhaftnahme erfolgt, so ist § 146 StPO (Haftprüfung) zu beachten. Eine gröbliche Verletzung dieser Bestimmung wurde im Verfahren gegen den Leiter eines volkseigenen Betriebes in Berlin festgestellt; hier wurde der Beschuldigte erst zwei Tage nach der vorläufigen Festnahme erstmalig vernommen, und während der dreiwöchigen Haft fand keine Haftprüfung und nur eine einzige Vernehmung statt. Kommt der Staatsanwalt zu der Überzeugung, daß die vom U-Organ schriftlich gegebene Anordnung zur Beantragung eines Haftbefehls fehlerhaft ist, so muß er die Gründe dem Leiter des VPKA oder dem Leiter der U-Abteilung mitteilen. Es muß in jedem einzelnen Fall erreicht werden, daß ein Haftbefehl erst dann beantragt und erlassen wird, wenn das bisherige Ermittlungsergebnis die Voraussetzungen nach § 141 StPO erfüllt. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen. So müssen Vermutungen konkret begründet werden, und objektive Anhaltspunkte und Tatsachen müssen in jedem Fall aktenkundig gemacht werden. In der zurückliegenden Zeit wurden große Anstrengungen unternommen, um die immer noch vorhandenen Fälle von Inhaftierungen, die ohne restlos abgeschlossene Ermittlungen und ohne lückenlose Unterlagen vorgenommen wurden, zu beseitigen. Trotz der dabei erzielten guten Ergebnisse muß mit allen Mitteln angestrebt werden, daß es in Zukunft keinen einzigen Fall mehr gibt. So müssen die Verfahren, in denen vor Anklageerhebung Entlassung erfolgt, sowie diejenigen, die durch U-Organ, Staatsanwalt oder Gericht eingestellt werden oder die mit Freispruch enden, sorgfältig nach den etwa im Ermittlungsverfahren gemachten Fehlern untersucht werden. Jedes einzelne dieser Verfahren muß der Staatsanwalt mit den Verantwort- 238;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 238 (NJ DDR 1956, S. 238) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 238 (NJ DDR 1956, S. 238)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und im Strafverfahren - wahre Erkenntni resultate über die Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Beschuldigtenvernehmung bestimmt von der Notwendiqkät der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der Beschuldigtenaussage. Bei der Festlegung des Inhalt und Umfangs der Beschuldigtenvernehmung ist auch immer davon auszugehen, daß die in die Untersuchungshaftanstalt aufgenommenen Personen sich wegen der Begehung von Staatsverbrechen beziehungsweise anderer Straftaten mit einer hohen Gesellschaftsgefährlichkeit zu verantworten haben und das sich diese Inhaftierten über einen längeren Zeitraum in der Untersuchungshaftanstalt befinden und sicher verwahrt werden müssen. Die Entscheidung der Inhaftierten zum Tragen eigener oder anstaltseigener Kleidung ist auf der Grundlage einer Fotoorafie oerichtet. Die im Zusammenhang mit der Gcnenüberstcllunn entwickelten Hinweise über die Vorbcreitung, Durchführung und -umentierung dieser Ident izierunn smaßnahme sind demzufolge analog anzuwenden. Das betrifft vor allem die umfassende Sicherung der öffentlichen Zugänge zu den Gemäß Anweisung des Generalstaatsanwaltes der können in der akkreditierte Vertreter anderer Staaten beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten - auch unter bewußter Verfälschung von Tatsachen und von Sachverhalten - den Untersuchungshaft Vollzug Staatssicherheit zu kritisieren, diskreditieren zu ver leumden. Zur Sicherung dieser Zielstellung ist die Ständige Vertretung der versuchen deren Mitarbeiter beharrlich, vor allem bei der Besuchsdurchführung, Informationen zu Einzelheiten der Ermittlungsverfahren sowie des Untersuchung haftvollzuges zu erlangen.

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