Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1955, Seite 28

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 28 (NJ DDR 1955, S. 28); Rechtsprechung Entscheidungen des Obersten Gerichts Strafrecht § 395 AbgO. Zur Frage des unverschuldeten Irrtums und der Verantwortlichkeit des Steuerpflichtigen im Sinne des § 395 AbgO. OG, Urt. vom 4. Oktober 1954 2 Zst II 191/54. Dem Steuerstrafverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Bei dem Inhaber der Firma F. wurde am 19. und 21. Mai 1953 von dem Rat des Stadtkreises Unterabteilung Abgaben eine Betriebsüberprüfung durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, daß F. am 31. Dezember 1952 einen „schwebenden Warenposten“ in der Warenbestandsaufnahme nicht erfaßte, obwohl er den betreffenden Rechnungsbetrag über 1577,30 DM als Schuld verbuchte Durch diese Handlungsweise hat er für das Jahr 1952 die Einkommensteuer um 960 DM und die Gewerbesteuer um 300 DM verkürzt. Auf Grund dieses Sachverhaltes ist durch Strafbescheid des Rates des Stadtkreises Unterabteilung Abgaben am 15. Oktober 1953 gegen F. wegen Verstoßes gegen § 402 AbgO eine Geldstrafe von 600 DM festgesetzt worden. Mit Schreiben vom 10. November hat der Beschuldigte fristgemäß die gerichtliche Entscheidung gemäß i 450 AbgO beantragt. Daraufhin hat das Kreisgericht durch Urteil vom 15. Januar 1954 den Angeklagten wegen fahrlässiger Steuergefährdung (Einkommen- und Gewerbesteuer) gemäß § 402 AbgO zu einer Geldstrafe von 200 DM verurteilt. Auf Grund der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hat das Bezirksgericht durch Urteil vom 2. Februar 1954 das Urteil des Kreisgerichts aufgehoben und den Angeklagten gemäß § 395 Abs. 1 AbgO für straffrei erklärt. Das Bezirksgericht übernimmt die Feststellungen des Urteils des Kreisgenchts, ist aber der Auffassung, daß der Angeklagte sich in einem unverschuldeten Irrtum gemäß 5 395 Abs. 1 AbgO befunden habe. Der Angeklagte habe bei einem erheblichen Umsatz (300 000 DM im Jahr) seine steuerlichen Verpflichtungen immer gewissenhaft erfüllt. Außerdem habe er sofort und bereitwillig an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt. Da er ein Steuerbüro und einen Buchhalter, der einer Fachkraft in Steuersachen gleichzusetzen sei, mit der Erledigung der Steuerangelegenheiten beauftragt hatte, habe er sich auf diese auch verlassen können. Aus diesen Gründen ist das Bezirksgericht zu der Feststellung gelangt, daß der Angeklagte sich in einem unverschuldeten Irrtum im Sinne des § 395 Abs. 1 AbgO befunden habe. Deshalb hat es ihn für straffrei erklärt. Gegen das Urteil des Kreisgerichts und das Urteil des Bezirksgerichts richtet sich der Kassationsantrag des Generalstaatsanwalts der Deutschen Demokratischen Republik. Der Kassationsantrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Das Kreisgericht und auch das Bezirksgericht stellen in ihren Urteilen fest, daß die Steuerbescheide berichtigt, dem Angeklagten zugestellt und rechtskräftig geworden sind, ohne diese Steuerbescheide beigezogen zu haben. Dies ist gemäß § 468 AbgO unzulässig. Das Oberste Gericht hat wiederholt in seinen Entscheidungen darauf hingewiesen, daß es in Verfahren wegen Steuerverkürzungen unerläßlich ist, die rechtskräftigen Steuerbescheide zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen*). Die Notwendigkeit, diesem Erfordernis nachzukommen, ergibt sich besonders aus dem vorliegenden Verfahren. Dadurch, daß das Kreis- und das Bezirksgericht den rechtskräftigen Steuerbescheid nicht beigezogen und lediglich das strafbare Verhalten des Angeklagten im Strafbescheid als Sachverhalt übernommen und festgestellt haben, haben beide Gerichte gegen § 200 StPO verstoßen. Das Bezirksgericht hat den Angeklagten für straffrei erklärt, weil er in unverschuldetem Irrtum über die Anwendbarkeit steuerlicher Vorschriften die Tat für erlaubt gehalten habe. Diese Feststellung ist rechtsirrig. Obwohl das Bezirksgericht feststellt, daß ein sogenannter „schwimmender Posten“ nicht nur als Verbindlichkeit verbucht, sondern auch in die Materialkartei bei der Aufstellung der Bilanz aufgenommen werden muß, kommt es ohne weitere Erörterungen zu der Feststellung, der Angeklagte habe sich in einem *) Vgl. NJ 1954 S. 423. Irrtum befunden. Anschließend prüft es lediglich, ob der Irrtum vom Angeklagten verschuldet worden ist. Dieser oberflächlichen und nicht sorgfältigen rechtlichen Beurteilung kann nicht zugestimmt werden. Ehe das Bezirksgericht die Frage, ob ein unverschuldeter Irrtum im Sinne des § 395 Abs. 1 AbgO vorliegt, prüfte, hätte es seine Auffassung darlegen müssen, weshalb überhaupt ein Irrtum vorliegt. Hätte das Bezirksgericht diese Prüfung vorgenommen, dann hätte es auch erkannt, daß der Angeklagte sich nicht in einem Irrtum und mithin auch nicht in einem unverschuldeten Irrtum befunden hat. Nach § 395 Abs. 1 AbgO bleibt nur der Täter straffrei, der in unverschuldetem Irrtum über das Bestehen oder die Anwendbarkeit steuerrechtlicher Vorschriften die Tat für erlaubt gehalten hat. Ein Irrtum kann daher nur dann vorliegen, wenn der Täter glaubt, daß seine Handlung, die den steuerrechtlichen Vorschriften entgegensteht, diesen Vorschriften entspricht, bzw. er der Ansicht ist, daß insoweit keine steuerrechtlichen Vorschriften bestehen. Der Täter muß sich also insoweit Gedanken gemacht haben und dadurch erst zu dieser irrigen Auffassung gelangt sein. Es genügt daher auf keinen Fall die bloße Behauptung von ihm, daß er zum Beispiel eine steuerrechtliche Vorschrift nicht gekannt habe. Es ist vielmehr erforderlich, daß er sich mit dem Bestehen oder der Anwendbarkeit steuerrechtlicher Vorschriften auseinandergesetzt hat, trotzdem aber zu einer irrigen, den steuerrechtlichen Vorschriften entgegenstehenden Auffassung gelangt ist und seine Handlung darauf beruht. Aber selbst wenn sich der Täter in einem Irrtum befunden hat, muß dieser Irrtum, um gemäß § 395 Abs. 1 AbgO anerkannt werden zu können, unverschuldet herbeigeführt worden sein. Unverschuldet ist aber ein Irrtum im Sinne dieser Bestimmung nur, wenn der Täter seinen ihm aus seiner gesellschaftlichen Stellung und Funktion erwachsenen Pflichten, sich über das Bestehen und die Anwendbarkeit steuerrechtlicher Vorschriften zu unterrichten, nachgekommen ist und die ihm hierfür gegebenen Möglichkeiten ausgenutzt hat. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein entschuldbarer Irrtum im Sinne von § 395 Abs. 1 AbgO vorliegt, ist von den allgemeinen Pflichten, die einem Steuerpflichtigen obliegen, auszugehen. Bereits aus der Verordnung über die Selbstberechnung und über die Fälligkeit von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen vom 18. März 1952 (GBl. S. 221) ergibt sich, daß der Steuerpflichtige für die richtige Berechnung der Steuern selbst verantwortlich ist. Er muß also, um eine richtige Berechnung vornehmen zu können, mindestens sämtliche Bestands- und Erfolgskonten saldenmäßig kennen. Ebenso muß er die „schwimmenden Waren“ kennen und bei Aufstellung der Bilanz seine Angestellten und Steuerhelfer auf diese Warenposten hinweisen. Weiter muß er wissen, ob sämtliche Einnahmen, auch Nebeneinnahmen, buchmäßig erfaßt sind; er muß Vergleiche zwischen Materialbestand und Umsatz ziehen. Ferner hat der Steuerschuldner die Pflicht, bei auftretenden Zweifelsfragen sich mit dem Rat des Kreises Unterabteilung Abgaben in Verbindung zu setzen, um diese Fragen zu klären. Diese Mindestforderungen, die an einen Steuerpflichtigen zu stellen sind, gelten insbesondere für Betriebe, denen nur ein Leiter vorsteht. Handelt es sich um Betriebe, in denen eine Arbeitsteilung in der Leitung besteht, also ein kaufmännischer und ein technischer Leiter vorhanden sind, so muß beachtet werden, daß der technische Leiter im allgemeinen über spezielle Vorschriften steuerrechtlicher Art nicht orientiert sein kann. Der kaufmännische Leiter hat dagegen die Pflicht, sich in vollem Umfang über die steuerrechtlichen Vorschriften, auch spezielle Vorschriften, zu unterrichten. Aber auch dem technischen Leiter obliegt, soweit er für die Abgabe steuerrechtlicher Erklärungen verantwortlich ist z. B. bei Vertretung des kaufmännischen Leiters , ein Mindestmaß an Pflichten insoweit, als er über die Vorschriften für Umsatz-, Gewerbe-, Einkommen- und Vermögenssteuer 28;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 28 (NJ DDR 1955, S. 28) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Seite 28 (NJ DDR 1955, S. 28)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 9. Jahrgang 1955, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1955. Die Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1955 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1955 auf Seite 770. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 9. Jahrgang 1955 (NJ DDR 1955, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1955, S. 1-770).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Offizialisierung von inoffiziellen Beweismitteln bei der Bearbeitung und beim Abschluß operativer Materialien Vertrauliche Verschlußsache - Meinhold Ausgewählte Probleme der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten im Prozeß der Untersuchung politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse mit bekannten tatverdächtigen Personen bei Versuchen von Bürgern der zur Erreichung ihrer Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen, Vertrauliche Verschlußsache - Die aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit resultierendan höheren Anforderungen an die Durchsetzung des Untersuchungshaftvollzugec und deren Verwirklichung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Dis imperialistischen Geheimdienste der Gegenwart. Vertrauliche Verschlußsache . Die Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung und Aufdeckung von feindlich-negativen Handlungen einzusetzen sind; welche Maßnahmen zur weiteren Qualifizierung und Profilierung der und eingeleitet werden müssen; wie bestehende Lücken bei der Sicherung der Transporte und der gerichtlichen Haupt Verhandlungen darzustellen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen verallgemeinert und richtungsweisende Schlußfolgerungen für die Erhöhung der Qualität und Effektivität der Arbeit mit unter den neuen politisch-operativen Lagebedingungen einzuschätzen sowie die dabei gewonnenen Erfahrungen zu vermitteln. Es bestand weiter darin, grundsätzliche Orientierungen zur weiteren Erhöhung der Effektivität der Tätigkeit der Linie Untersuchung bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte Grundlegende Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung des BeweiserhebungsVerfahrens in Leipzig. Dort wurden als Zuhörer Vertreter der der Nebenkläger sowie der Verteidiger des ,an der Beweisaufnahme zugelassen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X