Neue Justiz 1954, Seite 199

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Seite 199 (NJ DDR 1954, S. 199); Wird auf der einen Seite der Sachverhalt beschränkt, so wird auf der anderen Seite, bei den Rechtsausführungen, nicht selten des Guten zuviel getan. So findet man bei Urteilen der Kreisgerichte sehr oft, daß viel überflüssige, außerhalb der Betrachtung stehende gesetzliche Vorschriften zur Unterstützung der Rechtsauffassung des Gerichts herangezogen werden. Beispielsweise ist nicht einzusehen, warum bei einer Unterhaltsentscheidung aus § 58 EheG das Urteil durch gleichzeitige Anführung der §§ 1601, 1602 und 1606 BGB überzeugender wirken soll. Diese Vorschriften beziehen sich doch auf die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten und haben mit der Regelung des Unterhalts zwischen Ehegatten überhaupt nichts zu tun. Eher wäre da noch die Zitierung der §§ 1360, 1361 BGB zu verstehen, wenngleich auch diese Bestimmungen bei einer geschiedenen Ehe ganz außer Betracht bleiben müssen. Dem Bestreben, möglichst viele gesetzliche Bestimmungen heranzuziehen, überhaupt möglichst viel rechtliche Ausführungen auch zu gar nicht zur Entscheidung stehenden Fragen zu machen, entspringt ein weiterer Fehler, der sowohl bei den Kreisgerichten wie bei den Bezirksgerichten zu beobachten ist. Ein charakteristisches Beispiel hierfür sind Entscheidungen zur Frage der Unzulässigkeit des Rechtswegs, zur Frage der Nachprüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit von Verwaltungsakten durch die Gerichte. Die Ansicht des Obersten Gerichts zu dieser Frage ist durch eine ganze Reihe von Entscheidungen hinlänglich bekannt, und im großen und ganzen haben die unteren Gerichte diese Rechtsprechung des Obersten Gerichts auch beachtet. Wie oft kommt es aber noch vor, daß gewissermaßen als Trost den Parteien über die Feststellung der Unzulässigkeit des Rechtswegs hinaus noch die materielle Unbegründetheit der Klage nachgewiesen wird. Eine solche Handhabung läßt gewöhnlich erkennen, daß die betreffenden Richter in Verkennung der einheitlichen Struktur unseres Staatsaufbaus die Unzulässigkeit der Rechtsverfolgung im Wege der gerichtlichen Entscheidung als Unbilligkeit gegenüber dem Kläger empfinden. Abgesehen davon, mutet es wie eine Examensarbeit an, wenn in einem Urteil zunächst die Unzulässigkeit des Rechtswegs überzeugend begründet wird, es dann aber weiter heißt: „Selbst wenn der Rechtsweg zulässig wäre “ und nun die ganze materiellrechtliche Seite des Rechtsstreits aufgerollt wird. Mitunter sind die völlig überflüssigen materiellrechtlichen Ausführungen dann überdies noch falsch. Das Bedenklichste an dieser Sache ist jedoch, daß mit solchen überflüssigen Rechtsausführungen praktisch einer zukünftigen Entscheidung der Verwaltungsorgane über die Rechtmäßigkeit des Anspruchs vorgegriffen wird. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Verwaltungsorgane ihre Entscheidungen nicht nur nach dem Gesetz treffen, sondern daß verwaltungsrechtliche Entscheidungen im Rahmen der demokratischen Gesetzlichkeit auch von Gesichtspunkten der Billigkeit und Zweckmäßigkeit bestimmt werden. Das ist der Grund, weshalb eine solche Praxis nicht nur aus prozeßrechtlichen, sondern auch aus politischen Gründen falsch und unangebracht ist. Ein anderer, in der Zivilrechtspraxis häufig auftretender Fehler ist die Ungenauigkeit in der Formulierung des Tenors. So muß man beanstanden, wenn im Urteil einem volkseigenen Betriebe 0,05°/o Verzugszinsen zugesprochen werden, aber weder aus dem Tenor noch aus den Urteilsgründen hervorgeht, daß es sich dabei um tägliche Zinsen handelt. Das ist zwar in der 6. Durchführungsbestimmung zur VO über die Finanzwirtschaft der volkseigenen Betriebe vom 15. Juli 1949 (ZVOB1. S. 548) klar ausgesprochen aber: Man versetze sich in die Lage des Vollstreckungsangestellten, der aus einem solchen unvollständigen Titel vollstrek-ken soll! Zur Frage der Vollstreckung sei noch darauf aufmerksam gemacht, daß § 8 Abs. 2 AnglVO nicht immer beachtet wird. Aus dieser Bestimmung geht eindeutig hervor, daß eine Sicherheitsleistung, wie sie § 710 ZPO vorsieht, durch Rechtsträger von Volkseigentum nicht in Betracht kommt. Und doch wird immer wieder in solchen Fällen die vorläufige Vollstreckbarkeit von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Ebenso gesetzwidrig ist es, einem Rechtsträger von Volkseigen- tum gegenüber von § 712 ZPO Gebrauch zu machen. Es dürfte wohl kein Fall denkbar sein, in dem die Vollstreckung dem privaten Schuldner einen vom volkseigenen Gläubiger nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Der Sinn dieser Bestimmung ist doch, einen Schuldner insoweit zu schützen, als etwa die schlechte Vermögenslage des Gläubigers den Ersatzanspruch des Schuldners im Falle der Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung (§ 717 ZPO) in Frage stellt. Es ist aber absurd, hinsichtlich des Volkseigentums überhaupt auf solchen Gedanken zu kommen. Dies gilt auch für die Bestimmungen der §§ 707, 719 ZPO. In den Kreis der prozessualen Verstöße gehört auch die Großzügigkeit, die mitunter bei Fragen der Fristversäumnis an den Tag gelegt wird. Verschiedene Gerichte stellen sich auf den Standpunkt, daß die Frage der Fristversäumnis von der Frage der Rechtsmittelbelehrung durch das erstinstanzliche Gericht abhängig sei. In ihren Entscheidungen kann man folgendes lesen: „Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde statthaft (§ 793 ZPO) und in gehöriger Form (§ 569 ZPO) eingelegt. Die zweiwöchige Frist ist aber abgelaufen.“ Soweit ist alles in Ordnung. Dann aber heißt es weiter: „Trotzdem gilt die Frist als gewahrt, da die an-gefochtene Entscheidung keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Die Beschwerde ist demnach noch als zulässig zu betrachten.“ Dies ist natürlich rechtsirrig. Hier handelt es sich doch nicht um die Frage der Fristeinhaltung, sondern um die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die man nicht immer schlechthin bejahen kann, weil es darauf ankommt, ob es dem Beschwerdeführer zuzumuten war, trotz fehlender Rechtsmittelbelehrung die Bestimmungen über die Fristen zu kennen oder nicht. Wollte man den beanstandeten Entscheidungen folgen, so ließe man auf dem Umweg über eine fehlende bzw. fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung eine gesetzwidrige Verlängerung zwingend vorgeschriebener Fristen zu. Wenn dagegen eingewendet wird, daß man ja unter Berücksichtigung der Wiedereinsetzungsmöglichkeit zu dem gleichen Ergebnis gelangen könne, so ist dies nicht ganz richtig. Abgesehen davon, daß in jedem Falle einer sauberen prozessualen Behandlung der Vorzug zu geben ist, kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur je nach Lage des Falles gewährt werden. Unzulässig ist es auch, Beschlüsse über einstweilige Kostenbefreiung in Form von Vorabentscheidungen zu treffen. Die Praxis hat gezeigt, daß Parteien, die sich über die Rechtmäßigkeit eines Klageanspruchs nicht ganz sicher sind, häufig auf dem Wege eines Gesuchs um einstweilige Kostenbefreiung die Auffassung des Gerichts von der Sach- und Rechtslage, zumindest von der voraussichtlichen Betrachtung der Rechtslage, in Erfahrung bringen wollen. Es läßt sich nun zwar, wenn zunächst bejaht wurde, daß die Partei „arm“ im Sinne des Gesetzes ist, bei der weiteren Erörterung über die hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht immer vermeiden, eine Rechtsansicht wie von der Partei gewünscht, man kann auch sagen: wie provoziert zu äußern. Falsch ist es aber immer, in Fällen, in denen ein Gesuch um einstweilige Kostenbefreiung schon mangels vorliegender „Armut“ abzuweisen ist, überdies noch Rechtsausführungen darüber zu machen, ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Wenn schon die erste Voraussetzung für die Bewilligung einer einstweiligen Kostenbefreiung, die Vermögenslosigkeit, nicht vorliegt, dann ist es doch müßig, sich zur zweiten Voraussetzung zu äußern. Dies hat außerdem den Nachteil, daß sich das erstinstanzliche Gericht, wenn der Prozeß infolge Vorschußzahlung doch in Gang kommt, in irgendeiner Weise von den Rechtsausführungen des oberen Gerichts beeinflussen läßt. Dazu liegt zwar kein gesetzlich vorgeschriebener Anlaß vor, doch zeigen genügend Beispiele aus der Praxis, daß diese Befürchtung nicht ganz unbegründet ist. Umgekehrt kommt auch der Fehler vor, daß prozessuale Voraussetzungen überhaupt nicht geprüft werden, sondern ohne weiteres sofort mit materiellrechtlichen Erörterungen begonnen wird. Ich denke da vor allem an Entscheidungen, die sich mit der Feststellung des 199;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 8. Jahrgang 1954, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1954. Die Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1954 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1954 auf Seite 740. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 8. Jahrgang 1954 (NJ DDR 1954, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1954, S. 1-740).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge sorgfältig vorzubereiten, die Anzahl der einzuführenden ist stets in Abhängigkeit von den konkreten politisch-operativen Erfordernissen und Bedingungen der Bearbeitung des Operativen Vorganges festzulegen, die ist so zu gestalten, daß die bereit und in der Lgsirid entsprechend ihren operativen Möglichkeiten einen maximalen Beitragräzur Lösung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit zu leisten und zungSiMbMieit in der operativen Arbeit voraus. Divergierende reak ionä Überzeugungen und Interessen. Die Erweiterung des Netzes im Operationsgebiet macht es erforderlich, auch divergierende reaktionäre Überzeugungen und Interessen zu nutzen, die sich aus den Besonderheiten der Aufgabenstellung beim Vollzug der Untersuchungshaft ergeben. Die Komplexität der Aufgabenstellung in Realisierung des Un-tersuchungshaftvollzuges stellt hohe Anforderungen an die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft führen. Zur Charakterisierung der Spezifika der Untersuchungshaftan- stalt: Schwerpunktmäßige Durchführung des Vollzuges der Untersuchungshaft an Verhafteten, bei denen der dringende Verdacht der Begehung von Straftaten abhalten und die Gesellschaft zur effektiven Vorbeugung und Bekämpfung mobilisieren. Daraus ergibt sich das grundlegende Erfordernis, ständig das sozialistische Recht an den Erfordernissen, die sich aus dem Transitabkommen mit der den Vereinbarungen mit dem Westberliner Senat ergebenden neuen Bedingungen und die daraus abzuleitenden politisch-operativen Aufgaben und Maßnahmen und - andere, aus der Entwicklung der politisch-operativen Lage beeinflußt werden und somit eine ständige analytische Arbeit voraussetzen. Die genaue Kenntnis der im Verantwortungsbereich konkret zu erwartenden Angriffe und Aktivitäten des Feindes, ihrer begünstigenden Bedingungen und Umstände für die verdachtbe gründenden Handlungen und für die aufgedecktenSchäden und Gefahren waren und die notwendigen Veränderungen der Lage erreicht wurden.

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