Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 594

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 594 (NJ DDR 1953, S. 594); einmal wiederholt, wobei er allerdings eine Namensliste übergeben hat. Im übrigen hat aber auch er aus eigenem Entschluß die Verbindung abgebrochen und das mitgenommene Heizmaterial verbrannt. Die vom Obersten Gericht bezüglich dieser drei Angeklagten gegebenen Weisungen für das Strafmaß sind zu weitgehend, weil die Angeklagten ernsthaft von einer Fortsetzung des Verbrechens Abstand genommen und ihre Verbrechen deshalb nur ein verhältnismäßig geringes Ausmaß erreicht haben. Gegenüber diesen Angeklagten wiegt das Verbrechen des Angeklagten B. erheblich schwerer. Seine Verbindung zu der Westberliner Agentenstelle war bedeutend enger. Die von ihm betriebene Spionage hatte einen wesentlich größeren Umfang. Auch bei dem Verbreiten von Hetzliteratur hat sich der Angeklagte B. besonders hervorgetan, so daß seine gegen die Grundlagen unseres Staates gerichteten Handlungen eine sehr starke Intensität erkennen lassen. Gegenüber solchen Verbrechern, die sich insbesondere mit der Ausübung von Spionage befaßt haben, darf die Durchführung des in den Ministerratsbeschlüssen vom 11. Juni 1953 zum Ausdruck gekommenen neuen Kurses der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik bei den Gerichten nicht zur Nachgiebigkeit und zur Verhängung zu niedriger Strafen führen. Wenn nach dem neuen Kurs der Regierung unserer Republik jede Maßnahme unseres Staates und damit auch jede Entscheidung unserer Gerichte unter dem großen nationalen Ziel stehen muß, der Erringung des Friedens für ein wiedervereintes Deutschland zu dienen, dann kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Spione und Agenten, da ihr Treiben keinem anderen Zweck als der Kriegsvorbereitung dient, nach wie vor die volle Härte des Gesetzes treffen muß. Jede Milde in der Beurteilung derartiger Verbrechen bedeutet eine Ermunterung der Feinde des friedliebenden Volkes und einen Verzicht auf die konsequente Verfolgung des großen nationalen Zieles. Die Rechtsprechung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik hat die besondere, auch in § 2 GVG zum Ausdruck kommende Aufgabe, den Staat vor allen Angriffen, besonders aber vor denjenigen, die sich gegen seine Grundlagen richten, wirksam zu schützen. Aber auch unter Berücksichtigung dieser Notwendigkeit ist die gegen den Angeklagten B. vom Bezirks- gericht in erster Instanz erkannte Zuchthausstrafe von sieben Jahren in vollem Umfange gerechtfertigt. Die vom la Strafsenat des Obersten Gerichts gegebenen Weisungen lassen erkennen, daß auch das Oberste Gericht als Organ der Staatsgewalt verschiedentlich die zum notwendigen Schutz unseres Staates getroffenen Maßnahmen überspannt hat, ohne die konkreten einzelnen Umstände des Verbrechens genügend zu berücksichtigen. Das hat einerseits zu einer Ausweitung in der Anwendung des Art. 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik geführt, wobei nicht immer beachtet worden ist, daß eine Verurteilung nach diesem Gesetz einen Angriff gegen die Grundlagen unseres Staates voraussetzt. Andererseits ist ebenfalls aus der Überbetonung des Schutzinteresses des Staates das Strafmaß teilweise überhöht festgesetzt worden. Es war daher nötig, entsprechend den Beschlüssen des Ministerrats vom 11. Juni 1953 alle Verhaftungen, Strafverfahren und Urteile auf etwa vor-" liegende Härten zu überprüfen. In dem vorliegenden Verfahren waren die durch das Urteil des la Strafsenats des Obersten Gerichts gegebenen Weisungen bezüglich der Strafhöhe gröblich unrichtig. Das Urteil war daher gemäß § 311 StPO aufzuheben. II OG, Urt. vom 26. August 1953 I Zst-Pl I 9.53. Das Bezirkgericht hat ln der Hauptverhandlung vom 5. Januar 1953 folgenden, die Angeklagten B. und St. betreffenden Sachverhalt festgestellt: Am 9. August 1952 fand Im „WaldsChlößehen“ ln B. ein vom FDGB veranstalteter Sommernachtsball statt. Gegen 24.00 Uhr ging der VP-Waehtmeister Br. in Zivilkleidung nach der Gaststätte, um dort eine Bekannte abzuholen. Unterwegs überholte ihn der Angeklagte St., der auf seinem Fahrrad zwei jugendliche beförderte und auf dem Bürgersteig fuhr. Als der Angeklagte den VP-Waehtmeister Br. aufforderte, auszuweichen, gab sich dieser als Volkspolizist zu erkennen und machte ihn auf dessen verkehrswidriges Verhalten aufmerksam. Darauf erwiderten die Jugendlichen, daß ein Volkspolizist in Zivilkleidung nichts zu sagen habe. Sie gingen dann gemeinsam mit Br. zum Waldschlößchen. Während sich der Angeklagte St. mit den Jugendlichen in den Saal begab, hielt sich Br. außerhalb des Saales am Ausschank auf. Einige Zeit später kam der Angeklagte St. und begann sich mit Br. wegen des Fahrens auf dem Bürgersteig zu streiten. Nachdem sich die später geflüchteten Brüder Bo. in den Streit eingemischt hatten, entwickelte sich vor dem Lokal zwischen ihnen und Br. eine Schlägerei. Inzwischen hatte der Angeklagte St. den Vorfall dem Angeklagten B. berichtet, der am Saaleingang als Kassierer tätig war. Als Br. den Schankraum wieder betrat, wurde er vom Angeklagten B. aufgefordert, die Eintrittskarte und seinen Dienstausweis vorzuzeigen. Da sich Br. weigerte, dem nachzukommen, wurde er vom Angeklagten B. gewaltsam aus dem Vorraum ins Freie geschleppt. Dort kam es wiederum zum Streit, in den sich der Angeklagte St. einmischte, der im Verlauf des Handgemenges den Volkspolizisten die Treppenstufen hinunterzog. Als' Br. später mit den Angeklagten B. und St. zur Wache der Volkspolizei gehen wollte, wurde er von beiden Angeklagten an die Wand des Lokals gedrückt und tätlich angegriffen. Im Verlauf der Schlägerei sammelten sich mehrere Personen an. Dabei wurde u. a. gerufen: „Schlagt ihn tot! SChlagt ihn tot!“ Br. konnte flüchten, kehrte aber kurze Zeit darauf wieder in das Lokal zurück. Dort erfolgte ein neuer Zusammenstoß zwischen ihm und dem Angeklagten B., wobei dieser ihn zu Boden warf. Auf Grund dieses Sachverhalts sind die Angeklagten mit Urteil des Bezirksgerichts wegen eines Verbrechens gegen Art. 6 der Verfassung, und zwar der Angeklagte B. zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und der Angeklagte St. zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Dem Kassationsantrag des Generalstaatsanwalts der Deutschen Demokratischen Republik entsprechend hat der la Strafsenat des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik mit Urteil vom 15. Mai 1953 das Urteil des Bezirksgerichts aufgehoben, soweit es die Angeklagten B., St. und einen weiteren Angeklagten betrifft, und die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen. Die Aufhebung ist damit begründet worden, daß das Bezirksgericht die Angeklagten lediglich wegen Verbrechens gegen Art. 6 der Verfassung, nicht aber gleichzeitig wegen eines Vergehens gegen KRD Nr. 38 Abschn. II Art. HI A III verurteilt habe und daß die ausgesprochenen Strafen gröblich unrichtig seien und der Schwere der begangenen Verbrechen nicht entsprächen. Zur Strafhöhe hat der la Strafsenat in seinem Urteil ausgeführt: „Das Bezirksgericht hat zwar zutreffend festgestellt, daß Angriffe gegen die Volkspolizei schwere Verbrechen sind und daher auch empfindlich bestraft werden müssen, um unsere Volkspolizei wirksam zu schützen; es hat aber die erkannten Strafen mit dieser Auffassung nicht in Einklang gebracht.“ Deshalb wird in diesem Urteil dem Bezirksgericht die Weisung erteilt, unter Berücksichtigung aller persönlichen und sachlichen Umstände gegen den Angeklagten B. auf eine Zuchthausstrafe von mindestens 4 Jahren und gegen den Angeklagten St. auf eine Zuchthausstrafe von etwa drei Jahren zu erkennen. Der Präsident des Obersten Gerichts hat beantragt, das Urteil des la Strafsenats hinsichtlich der für das Strafmaß gegebenen Weisungen zu kassieren. Gerügt wird, daß die in den Weisungen genannten Strafen zu hoch seien. Aus den Gründen: Der Begründung des Kassationsantrags ist zuzustimmen. Die Tatsache, daß die Streitigkeiten zwischen den Angeklagten und dem Volkspolizisten Br. von nicht politischen Differenzen ausgegangen sind, ist nicht genügend berücksichtigt worden. Der la Strafsenat hat lediglich auf die objektive Gefährlichkeit von Angriffen gegen Angehörige der Volkspolizei hingewiesen, ohne den Anlaß und die Ursachen der Streitigkeiten in genügendem Maße zu beachten, wenn er auch in seinem Urteil ausführt, daß die für notwendig erachteten Strafen „unter Berücksichtigung aller persönlichen und sachlichen Umstände“ gerechtfertigt seien. Es hätte größeres Gewicht darauf gelegt werden müssen, daß das vorschriftswidrige Radfahren des Angeklagten St. und die daraufhin erteilte Rüge der Ausgangspunkt des Streites und der späteren Tätlichkeiten gegen Br. gewesen sind. Diese Betrachtungen dürfen aber nicht dazu führen, Zweifel in die richtige Schuldfeststellung des la Strafe Senats des Obersten Gerichts zu setzen, daß die Angeklagten ein Verbrechen gegen Art. 6 der Verfassung durch Boykotthetze begangen haben. Die Situation, in der die tätlichen Angriffe von den Angeklagten gegen den Volkspolizisten geführt worden sind, wird durch die Tatsache charakterisiert, daß aus der Menge der Ruf laut wurde: „Schlagt ihn tot!“ In der Praxis der Gerichte ist in einer Anzahl von Fällen der Fehler festzustellen, daß jedes tätliche Vorgehen gegen einen Angehörigen der Volkspolizei als Verbrechen gegen Art. 6 594;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 594 (NJ DDR 1953, S. 594) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 594 (NJ DDR 1953, S. 594)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Der Leiter der Hauptabteilung wird von mir persönlich dafür verantwortlich gemacht, daß die gründliche Einarbeitung der neu eingesetzten leitenden und mittleren leitenden Kader in kürzester Frist und in der erforderlichen Qualität erfolgt, sowie dafür, daß die gewissenhafte Auswahl und kontinuierliche Förderung weiterer geeigneter Kader für die Besetzung von Funktionen auf der Ebene der mittleren leitenden Kader weiter zu qualifizieren und sie in ihrer Persönlichkeit sent wie klung noch schneller vqran-zubringen., In Auswertung der durchgeführten Anleitungsund Kontrolleinsätze kann eingeschätzt werden, daß sich alle Diensteinbeitbn der Linie den hohen Anforderungen und Aufgaben gestellt haben und die Wirksamkeit der mittleren leitenden Kader weiter planmäSig gestiegen ist So kann eingeschätzt werden, daß die vom Wachregiment übernommenen Kader relativ gut militärisch ausgebildet und zur militärischen Objektsicherung einsetzbar sind. Da jedoch die vorhandenen Kenntnisse nicht für die Erfüllung der ihr als poiitG-operat ive Dienst einheit im Staatssicherheit zukomnenden Aufgaben. nvirkiehuna der gewechsenen Verantwortung der Linie ifür die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Beschuldigtenvernehmung ist. Dementsprechend sind auch die bereits in anderem Zusammenhang dargestellten detaillierten gesetzlichen Bestimmungen über das Vorgehen des Untersuchungsführers Bestandteil der Wechselwirkung der Tätigkeit des Untersuchungsführers und der Aussagetätigkeit des Beschuldigten ist. Das Vorgehen des Untersuchungsführers in der Beschuldigtenvernehmung muß offensiv auf die Feststellung der Wahrheit auszurichten und schließt die Gewährleistung und Wahrung der Rechte Beschuldigter ein. Diese Faktoren dürfen nicht voneinander isoliert und vom Prinzip der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit darüber hinaus bei der sowie bei der Bewertung der Ergebnisse durchgeführter Einzslmaßnahmen sowie der operativen Bearbeitungsergebnisse als Ganzes. Insbesondere die Art und Weise ihrer Begehung, ihre Ursachen und Bedingungen, den entstandenen Schaden, die Beweggründe des Beschuldigten, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Asylgewährung Prüfungs-handlungen durchzuführen, diesen Mißbrauch weitgehend auszuschließen oder rechtzeitig zu erkennen. Liegt ein Mißbrauch vor, kann das Asyl aufgehoben werden.

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