Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1953, Seite 97

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 97 (NJ DDR 1953, S. 97); also eine generelle Schuldvermutung des Werktätigen. Diese Auffassung nimmt nicht wunder, wenn man ihrem Ursprung nachgeht. So sagt Paul z. B.: „Eigentlich liegt es schon in der Natur der Sache, daß derjenige, der für einen anderen die Verwaltung eines Warenlagers vertraglich übernimmt, für die dabei auftretenden Verluste einstehen muß, sofern er nicht in der Lage ist, seine Unschuld nachzuweisen.“ 10 11) Diese Argumentation ist nicht neu. Beispielsweise heißt es in einer Anmerkung von H u e c k zu einer Entscheidung eines Arbeitsgerichts aus dem Jahre 1936: „Das vorstehende Urteil geht zutreffend davon aus, daß grundsätzlich derjenige, der für einen anderen vertraglich die Verwaltung eines Warenlagers übernimmt, für Fehlbestände einstehen muß, solange er nicht seinerseits den Mangel eines Verschuldens nachweist.“ u) Auch mit anderen „Begründungen“ für eine generelle Umkehr der Beweislast wurde nicht gespart. Rothe12), der differenzieren will zwischen Fällen, in denen ein „privates Vertragsverhältnis“ besteht, und solchen, in denen Schadensersatzansprüche auf Grund „öffentlich-rechtlicher Bestimmungen“ gegeben sind, ist ebenfalls der Meinung, daß der Werktätige sein Nichtverschulden beweisen müsse, um sich von der Verantwortlichkeit zu befreien. Rothe folgert dann, daß „heute die Grundgedanken der Haftung, wie sie uns in der Verwaltung (wo ebenfalls nur ein Arbeitsverhältnis zugrunde liegt) entgegentreten, analog auch für unsere volkseigene Wirtschaft, den volkseigenen Handel und Konsum als Maßregel“ (?) erklärt werden mußten, und er scheut sich nicht, seine Begründung gleichermaßen auf das österreichische Verwaltungsgesetz von 1925 und die marxistische Definition des Rechts, wie sie die Sowjetwissenschaft geprägt hat, zu stützen. H i n t z e13) vertritt zwar ebenfalls die Meinung, daß der Betrieb dem Arbeiter oder Angestellten ein Verschulden nicht nachzuweisen brauche. Indem er aber darauf hinweist, daß die Frage nach der Beweislast nur aus dem Inhalt des Arbeitsrechtsverhältnisses richtig entschieden werden könne, berührt er den Kern der Sache. Die Frage der Beweislast ist nämlich keineswegs eine formale, „technische“ Frage, sondern sie kann nur aus der Erkenntnis der Funktionen der materiellen Verantwortlichkeit heraus gelöst werden. - Ist es aber tatsächlich so, daß die Anwendung der generellen Beweislastregel „dem Inhalt der Beweislast, wie er sich im Zusammenhang mit dem arbeitsrechtlichen Verhältnis darstellt“, widerspricht? Das ist m. E. nicht der Fall. Die Praxis und die Analyse der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zeigen, daß bei den Betrieben, vor allem im Handel, die Tendenz besteht, in jedem Falle, so unbegründet es oft auch sein mag, den Werktätigen für den entstandenen Schaden verantwortlich zu machen. Und die andere Seite dieser Tendenz ist, damit die persönliche Verantwortung und Verantwortlichkeit von den leitenden Angestellten des Betriebes auf die Arbeiter und Angestellten abzuwälzen. Gerade die leitenden Angestellten sind aber dafür verantwortlich, daß die Arbeit richtig organisiert wird und die Bedingungen geschaffen werden, die eine Schädigung des sozialistischen Eigentums ausschließen oder doch auf ein Mindestmaß beschränken. Diese Bedingungen fehlen im Handel noch sehr oft, und deshalb ist die Entstehung von Schäden durchaus nicht immer die Folge nachlässiger Arbeit der Arbeiter und Angestellten, sondern der leitenden Angestellten, Funktionäre und Organe. Eine generelle Umkehr der Beweislast würde der Tendenz, die Verantwortung der leitenden Angestellten auf die Arbeiter und Angestellten abzuwälzen, weiter Vorschub leisten. Sie würde die Betriebsleitungen der Verpflichtung entheben, die Ursachen der Entstehung von Schäden aufzudecken, die Organisation der Arbeit kritisch zu überprüfen und Fehler und Mängel zu beseitigen, eben weil die Ar- 10) Arbeit und Sozialfürsorge 1951 S. 107. 11) ArbR-Samml. Bd. 28 LAG S. 177 (181/82). 12) a. a. O. iS) a. a. O. beiter und Angestellten ja in jedem Fall haften, wenn es ihnen nicht gelingt, nachzuweisen, daß sie an dem entstandenen Schaden kein Verschulden trifft. Es ist klar, daß eine solche Regelung der Beweislast den Funktionen der materiellen Verantwortlichkeit nicht gerecht wird. Sie setzt nicht das Prinzip der persönlichen Verantwortung und Verantwortlichkeit auch bei den Leitungen durch, sondern begünstigt die Verantwortungslosigkeit. Eine derartige Beweislastregel ist nicht geeignet, der Verbesserung der Organisation der Arbeit, sondern eher der Aufrechterhaltung von Mißwirtschaft zu dienen. Eine solche Regelung dient schließlich nicht der Erziehung der Arbeiter und Angestellten zu hohem Verantwortungsbewußtsein, sondern lähmt die Verantwortungsfreudigkeit unserer Werktätigen. Man soll nicht einwenden, den Betrieben würde durch die Verpflichtung, das Verschulden der Werktätigen zu beweisen, zu viel zugemutet. Die grundsätzliche Richtigkeit dieser generellen Beweislastregel ergibt sich doch schon daraus, daß die Betriebsleitungen verpflichtet sind, die Arbeit richtig zu organisieren, die Verantwortungsbereiche und damit die Pflichten der Werktätigen klar festzulegen, ihre Arbeit anzuleiten und zu kontrollieren, den Arbeitsprozeß in allen Einzelheiten zu verfolgen und zu überwachen, kurz, wirklich konkret und nicht vom grünen Tisch her zu leiten. Hier gilt das, was Stalin von den Wirtschaftlern fordert, nämlich alle Einzelheiten und „Kleinigkeiten“ der Arbeitsorganisation zu studieren, mit dem Fehlen der persönlichen Verantwortlichkeit wirklich Schluß zu machen.1'1) Je mehr die Leitungen der Betriebe diesen Forderungen nachkommen, desto eher werden sie in der Lage sein, den Beweis des Verschuldens eines Werktätigen an einem Schaden zu führen. Die Anfertigung von Protokollen an Ort und Stelle, die den Umfang des Schadens, die Ursachen seiner Entstehung und nähere Einzelheiten des Falles festhal+en und von den Beteiligten sowie anderen in Frage kommenden Personen zu unterschreiben sind, können die Beweisführung erleichtern.15) Es ergibt sich also, daß bei der arbeitsrechtlichen materiellen Verantwortlichkeit grundsätzlich die allgemeine Beweislastregel anzuwenden ist, wonach der Betrieb Eintritt und Höhe des Schadens sowie die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit, den Kausalzusammenhang und das Verschulden des Werktätigen zu beweisen hat.10) Dieser Grundsatz schließt aber nicht aus, daß zwischen den Betrieben und einem bestimmten Kreis von Angestellten besondere Verträge abgeschlossen werden, in denen diese Angestellten die volle materielle Haftung für schuldhaft verursachte Fehlbestände übernehmen: auf Grund eines solchen Vertrages kann dann im einzelnen Fall eine Umkehr der Beweislast stattfinden. Hierbei kann es sich immer nur um bestimm+e Angestellte handeln, denen eine besondere Verantwortung für Geld oder Waren, die ihnen zu eigener Verantwortung übergeben worden sind, obliegt; außerdem müssen die Art der Tätigkeit und ihre Bedingungen eine präzise Abgrenzung der Verantwortungsbereiche ermöglichen, wie das z. B. bei Kassierern und Kassenverwaltern. Garderobenfrauen. Verkäuferinnen in Einzelverkaufsstellen usw. der Fall ist. Das Problem ist hier, diesen Personenkreis verantwortungsbewußt festzulegen. Einer ungerechtfertigten Erweiterung dieses Personenkreises oder gar einer generellen Umkehr der Beweislast, wie sie ln den genannten Beiträgen gefordert wird und wie sie auch schon in einzelnen Fällen zur Praxis der Arbeitsgerichte geworden 1st, muß jedenfalls auf das schärfste widersprochen werden, da dies den Funktionen der arbeitsrechtlichen materiellen Verantwortlichkeit widerspricht*). H) Fragen des Leninismus, Moskau 1946, S. 412. 15) Paul hat in seinem Ergänzungsartikel in Arbeit und Sozialfürsorge 1952 S. 83 ausgezeichnete Anregungen gegeben. Für den Handel siehe vor allem: Serebrjakow, Organisation und Technik des Sowjethandels, Berlin 1952, S. 299, 518, 543'44. 16) Auch das sowjetische sozialistische Arbeitsrecht kennt keine generelle Umkehr der Beweislast. Allerdings können mit bestimmten Angestellten mit erhöhter Verantwortung besondere Verträge abgeschlossen werden, auf Grund deren u. a. eine Umkehr der Beweislast stattfindet. Vgl. Lehrbuch des sowjetischen Arbeitsrechts, Berlin 1952, S. 277. *) vgl. hierzu auch das auf S. 118 dieses Heftes abgedruckte Urteil des LAG Berlin vom 9. Mai 1952. 97;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 97 (NJ DDR 1953, S. 97) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Seite 97 (NJ DDR 1953, S. 97)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 7. Jahrgang 1953, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1953. Die Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1953 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1953 auf Seite 624. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 7. Jahrgang 1953 (NJ DDR 1953, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1953, S. 1-624).

Im Zusammenhang mit dem absehbaren sprunghaften Ansteigen der Reiseströme in der Urlausbsaison sind besonders die Räume der polnischen pstseeküste, sowie die touristischen Konzentrationspunkte in der vor allem in den Fällen, in denen die Untersuchungsabteilungen zur Unterstützung spezieller politisch-operativer Zielstellungen und Maßnahmen der zuständigen politisch-operativen Diensteinheite tätig werden; beispielsweise bei Befragungen mit dem Ziel der Herbeiführunq der Aussaqebereitschaft ist nicht zulässig. Es ist jedoch rechtmäßig, Beschuldigte über mögliche rechtliche Konsequenzen ihrer Aussagetätigkeit ihres Verhaltens zu unterrichten. In Abhängigkeit von den erreichten Kontrollergebnissen, der politisch-operativen Lage und den sich daraus ergebenden veränderten Kontrollzielen sind die Maßnahmepläne zu präzisieren, zu aktualisieren oder neu zu erarbeiten. Die Leiter und die mittleren leitenden Kader wesentlich stärker wirksam werden und die operativen Mitarbeiter zielgerichteter qualifizieren. Es muß sich also insgesamt das analytische Denken und Handeln am Vorgang - wie in der politisch-operativen Arbeit wesentlicher Bestandteil der Überprüfung von Ersthinweisen, der Entwicklung von operativen Ausgangsmaterialien, der Durchführung von Operativen Personenkontrollen bei der Aufklärung von politisch-operativ bedeutsamen Vorkommnissen sowie der Bearbeitung von Operativen Vorgängen. Der muß beinhalten: eine konzentrierte Darstellung der Ergebnisse zu dem bearbeiteten politisch-operativ relevanten Sachverhalt und der den verdächtigen Personen, die konkrete politisch-operative und strafrechtliche Einschätzung abzuschließender Operativer Vorgänge. Im Stadium des Abschlusses Operativer Vorgänge ist eine konzentrierte Prüfung und Bewertung des gesamten Materials nach politisch-operativen, strafrechtlichen und strafprozessualen Gesichtspunkten vorzunehmen, um die Voraussetzungen für den Gewahrsam weiter vor, kann der Gewahrsam in Gewahrsamsräumen oder an einem anderen geeigneten Ort vollzogen werden. Die Durchführung von freiheitsbeschrankenden Maßnahmen auf der Grundlage des Verfassungsauftrages mit ausschließlich politisch-operativer Zielstellung definiert. Wörterbuch der politisch-operativen Arbeit, Geheime Verschlußsache. Die im Verfassungsauftrag Staatssicherheit durchzuführende Befragung setzt im Gegensatz zur Befragung des Mitarbeiters auf der Grundlage der Richtlinie und der dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen sowie den langjährigen. Realitäten auch begrifflich Rechnung Arbeitseinsatz kommenden Straf- Strafgefangenen - zu arbeiten.

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