Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 1991, Seite 7

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 7 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 7); ?16/91 Politik 7 Polittourismus Argentiniens Praesident reist mit leeren Haenden Der Praesident Argentiniens, Carlos Menem, verweilte ganze vier Tage in Deutschland. Er tauschte mit einer Reihe fuehrender Politiker zahlreiche Worte aus und ueberhaeufte alle Seiten mit seinem Laecheln, indem er seine warmherzigste Unterstuetzung fuer die Einheit Deutschlands deklarierte. Das einzige allerdings, was er auf die Rueckreise nach Buenos Aires mitnehmen konnte, war: ein grosses Sortiment von leerem schoenen Gerede und wagen Versprechungen. Lateinamerika im allgemeinen und Argentinien ganz speziell sind meilenweit entfernt von den Dringlichkeiten der deutschen Politik, die seit 1989 sowieso nur von ihrem eigenen Bauchnabel hingerissen ist. Bedraengt von den Folgen der Auslandsverschuldung (70 Mrd. $), Arbeitslosigkeit und der Skepsis des eigenen Volkes, erwartete Menem irgendeine oekonomische Hilfe Deutschlands. Hingegen sagt man ihm in Bonn ohne grosse Umschweife, dass Argentinien bei den internationalen Banken den Ruf als schlechter Rueckzahler geniesst und, um deutsche Investoren anzuziehen, politisch wie oekonomisch weitaus stabiler werden muesse. Die wenigen konkreten Resultate des Besuchs beguenstigen Deutschland mehr als Argentinien. Ein Abkommen ueber Investitionssicherungen garantiert dem deutschen Kapital eine totale Freiheit, die Gewinne nach Europa zu bringen. Dasselbe Recht wird dem argentinischen Kapital zugestanden, das in Deutschland investieren will. ?Aehnelt das nicht einem Vertrag, der dem Fuchs und den Huehnern dieselben Rechte zugesteht?? kommentierte treffend ein argentinischer Journalist, der die Delegation begleitete. Die zweite erreichte Uebereinkunft ist das Versprechen Deutschlands, die Modernisierung des Atomkraftwerkes ?Atucha 1? und die Konstruktion von ?Atucha 2? zu unterstuetzen. ?Atucha 1? wurde vor mehr als 30 Jahren mit entscheidender Hilfe deutscher Wissenschaftler aufgebaut und musste stillgelegt werden, um sich nicht in ein suedamerikanisches Tschernobyl zu verwandeln. Argentinien besitzt Erdoel, erhaelt billiges Gas aus Bolivien und hat Hunderte von geeigneten Fluessen, um mittels Wasserkraftwerken Energie zu produzieren. Deshalb riecht die Angelegenheit eher nach einem guten Geschaeft fuer deutsche Unternehmen und einem schlechten fuer die argentinische Umwelt. Die lateinamerikanischen Staatsmaenner, die Europa besuchen, interessieren sich im allgemeinen dafuer, den Menem ist lieber Libero als Praesident bestmoeglichen Kontakt zur Presse zu finden. Aber Menem nicht, im Gegenteil, er mied den Kontakt mit den Medien, die ihm ja einige sehr persoenliche und unbequeme Fragen haetten stellen, aber sich auch ueber wichtige Angelegenheiten informieren koennen. Z. B. ueber den Vertrag, den Menem vor einigen Tagen mit seinen Kollegen Collor de Melo (Brasilien), Lacalle (Uruguay) und Rodriguez (Paraguay) unterschrieben hat, um ?Mercosur? - einen suedamerikanischen Binnenmarkt - zu gruenden. Damit soll bis 1995 eine gemeinsame Wirtschaftsform dieser Laender erreicht werden. Es waere interessant gewesen, wenn der argentinische Praesident erklaert haette, wie man in so kurzer Zeit so verschiedene oekonomische Systeme mit einer dreistelligen Inflationsrate (Argentinien, Brasilien) oder einer relativ stabilen wie in Para- guay oder mit einer sehr hohen, aber programmierten Inflation (Uruguay) zusammenbringen wolle. Ausserdem gibt es grosse Unterschiede im Wirtschaftspotential. Europa brauchte mehr als 30 Jahre, um das aktuelle Niveau der Integration zu erreichen. Menem und seine Kollegen haben entweder ein magisches Rezept, oder alles bleibt nur schoenes Gerede. Unter den persoenlich unbequemen Fragen, die Menem sich mit seiner Abgeschiedenheit ersparte, gaebe es einige, die viel weiter gingen als seine Streitereien mit Ehefrau Zulema Yoma, von der er getrennt ist. Der Botschafter der Vereinigten Staaten in Buenos Aires, Terece Todman, brachte vor einigen Wochen an die Oeffentlichkeit, dass hohe Funktionaere des argentinischen Wirtschaftsministeriums Geld verlangten, um Geschaefte mit Unterneh- men seines Lande zu beguenstigen. Argentinischen Zeitungen zufolge ist ein Schwager des Praesidenten darin verwickelt, und eine Schwaegerin steht unter Verdacht, am ?Waschen? von Drogengeldern beteiligt zu sein, dessen Widerhall selbst den Vizepraesidenten Duhalde treffen koennte. Seit Menem an die Macht gelangt ist, macht er solche Skandale zur Gewohnheit. ?Innerhalb von zwei Jahren haben wir es geschafft, Argentinien zu veraendern?, war einer der wenigen Kommentare, die Menem in Berlin abgab. Selbst seine verbissensten Gegner wuerden sagen, dass das die reine Wahrheit ist. Als Menem an die Regierung kam, kostete ein Doller weniger als 4000 Austral. Heute steht der Dollar 1 zu 10 000. Die Miete einer sehr kleinen Wohnung kostet 4 Millionen Austral. Das staatliche Luft-fahrtuntemehmen ?Aerolineas Argen-tinas?, die Telefongesellschaft, die Eisenbahn werden nach und nach privatisiert, d.h. billig an auslaendisches Kapital verkauft, weil Argentinien selbst nicht ueber die notwendigen Mittel fuer Investitionen verfuegt. ?Finanzheimat?, so nennen die Argentinier mit Bitterkeit die auslaendischen Wirtschaftsgruppen, die die einzigen sind, die in den letzten Jahren reicher geworden sind - auf Kosten der Arbeiter und der einheimischen Industrie. Die Integrationsversuche, die die Laender im Sueden Lateinamerikas nun starten, gehen ueber die Leiche der bankrotten Industrie. Nutzniesser werden nicht die lateinamerikanischen Unternehmen, sondern grosse nordamerikanische und europaeische Firmen sein, die frei ihre Fonds, Gewinne und Materialien bewegen koennen. Menem sprach in Deutschland auch nicht ueber die grosse Differenz, die zwischen seinen Drohungen und der Realitaet besteht, ein Kriegsgericht sollte ueber die Anfuehrer der letzten militaerischen Rebellion die Todesstrafe verhaengen. Stattdessen erhalten sie nur leichte Strafen. Und nicht ein einziger General, der Fuer die Ermordung von Tausenden Argentiniern waehrend der Diktatur (1976-1983) und fuer gewaltige Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, bleibt im Gefaengnis. Emilio Coll S.U.S.I. - Projekt fuer eine kulturvolle, solidarische Welt e. V. laedt ein: zum Werkstattgespraech mit lateinamerikanischen, im Exil lebenden Frauen und Dichterinnen. Am 20. 4. um 10.00 Uhr im Jugendklub Checkpoint, Leipziger Strasse (Ostberlin), Am 21. 4. um 10.00 im Quilombo de Berlin, Hohenfriedbergstrasse 22 (Westberlin) (Fortsetzung von Seite 6) Ja, moeglicherweise wird es den Konflikt mit der Regierung geben. Die Prioritaet der Regierung sind auslaendische Investitionen in die Wirtschaft des Landes, weil sie als Regierung eben Geld fuer Sozialprogramme und Bildung braucht. Aber wir denken, diese Prioritaet reicht nicht, sie hilft nicht fuer morgen. Es sollte der Rat der Wissenschaftler eingeholt werden, die Jugendlichen muessen gehoert werden, weil sie spaeter die Folgen tragen. Wir sind gegen den stueckweisen Verkauf unseres Landes. Sonst haben wir morgen kein Land und nichts mehr, und alles gehoert den Reichen der Welt. Zum Schluss noch etwas anderes. In Europa wird fuer 1992 die Jubelfeier fuer das 500-jaehrige Jubilaeum der Ankunft von Kolumbus in Amerika vorbereitet. Wie seht ihr in Nicaragua die Sache? Naja, dabei geht es natuerlich um Geschehnisse, die lange her sind. Aber die 500-Jahr-Feier bedeutet sehr viel fuer unsere indigene und autochthone Bevoelkerung. Es gibt dabei verschiedene Aspekte. Zum einen war es der Beginn der Auspluenderung unserer Ressourcen. Wenn du in Rom oder sonstwo in die Kirchen gehst, da sind Waende und Decken mit unserem Gold und Silber bedeckt. Ueberall auf der Welt ist das Gold, das sie aus den amerikanischen Minen weggeschleppt haben. Ausserdem war die Entdeckung Amerikas der Beginn der Ausbeutung, der Unterdrueckung unserer Einheimischen. Denen waren die Europaeer ueberlegen wie Kindern, und sie haben es voll ausgenutzt. All die Dinge, die sie bei uns eingefuehrt haben, zeugen von einem Verhaeltnis der Ungleichheit. Es sind nicht mehr viele Ureinwohner uebrig, viel Blut ist geflossen. Wieviele leben denn heute in den USA, in Mexico, Guatemala, Nicaragua, Costa Rica, Peru, Ecuador? Kaum noch welche. Also das Jubilaeum muss auch in den entwickelten Laendern ein Moment der historischen Besinnung sein, auch wenn es lange vergangen scheint. Es gibt da die Geschichte von dem Indio in Chile, der wuetend aus der Missionsschule kommt und einen Spanier beschimpft: ?Ihr habt unsere Rohstoffe ausgepluendert, unsere Voelker unterdrueckt, unsere Frauen vergewaltigt, aber bis heute erzaehlt ihr uns auch noch eure Luegen darueber.? Wir wollen ja nicht antieuropaeisch sein, aber wir waeren uns heute gern mehr bewusst darueber. Europa soll sich nicht auf die Schultern klopfen, sondern lieber sich der Verantwortung bewusst werden, die es fuer die Beendigung der Unterentwicklung aufgeladen hat. Vielen Dank fuer dieses Gespraech. Labour antipazifistisch London. Eine Reihe von Parteiausschlussverfahren u.a. gegen Gegner des Golfkrieges in den eigenen Reihen hat die Fuehrung der Labour Party eingeleitet. Darunter befinden sich auch mindestens 40 gewaehlte Stadtraete. Der Labour-Vorsitzende Neil Kinnock hatte die Mehrheit der Partei auf die Linie der konservativen Regierung gebracht, die sich mit einer Truppenentsendung aktiv am Krieg beteiligt hatte. Dagegen hatte sich neben Teilen der Basis auch eine Minderheit der Labour-Unterhaus-fraktion ausgesprochen. Die zunehmende Rechtsorientierung der Labour Party wurde inzwischen bei Meinungsumfragen honoriert: Ende Maerz lag sie erstmalig seit der Amtsuebernahme von Premier Major wieder vor den Tories. Burgerforumsfrust Prag. Sechs zum linken Fluegel des Buergerforums (OF) zaehlende Parlamentsabgeordnete und ehemalige Anhaenger des ?Prager Fruehlings? sind zur Sozialdemokratischen Partei uebergetreten. Zu ihnen gehoert der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige stellvertretende Ministerpraesident Valtr Komarek. Sie ziehen damit die Konsequenz aus der Wandlung der OF-Mehrheit unter Finanzminister Vaclav Klaus in eine wirtschaftsliberale Partei. Den Sozialdemokraten war es bei den Wahlen nicht gelungen, die 5-Prozent-SperrkIause! zu ueberwinden. Demokratie- bewegung Melbourne. In Indonesien haben Intellektuelle und Gewerkschafter Anfang April zwei Gruppen gebildet, die nach dem Vorbild der Buergerbewegungen in den osteuropaeischen Laendern zur Durchsetzung von mehr Demokratie beitragen wollen. Ferner ist es ihr Ziel, die weitere Spaltung der Bevoelkerung nach sozialer, religioeser oder ethnischer Zugehoerigkeit zu verhindern, gegen die staatstragende Sekber Golkar, einen Zusammenschluss von Berufsorganisationen, vorzugehen und Praesident Suharto ?wegen Abweichen von der Verfassung? zur Verantwortung zu ziehen. Suharto ist seit einem Militaerputsch 1965 an der Macht. Zurueck zum Koran Islamabad. Die Regierung Pakistans hat dem Parlament einen Entwurf zur Verfassungsaenderung unterbreitet, nach der der Koran zum obersten Gesetz des Landes erhoben wuerde. Damit ist die Einfuehrung der Rechtsprechung nach islamischem Recht, der Sharia, verbunden. Obwohl Premier Nawaz Sharif erklaerte, das Land werde seine Tueren nicht vor dem Fortschritt verschliessen, befuerchten liberale Moslems, dass sich Pakistan in eine Theokratie vom Stile Irans verwandeln werde. Die Gesetzesaenderungen wuerden religioeses Sektierertum foerdern, Rechte der Frauen beschneiden, Presse und Bildungssystem unter Kontrolle der Geistlichkeit stellen. Interview: Karsten Weitzenegger;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 7 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 7) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 7 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 7)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Peind gewonnen wurden und daß die Standpunkte und Schlußfolgerungen zu den behandelten Prägen übereinstimmten. Vorgangsbezogen wurde mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane erneut bei der Bekämpfung des Feindes. Die Funktionen und die Spezifik der verschiedenen Arten der inoffiziellen Mitarbeiter Geheime Verschlußsache Staatssicherheit. Die Rolle moralischer Faktoren im Verhalten der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Vorbereitung, Durchfüh- rung und Dokumentierung der Durchsuchungshandlungen, die Einhaltung der Gesetzlichkeit und fachliche Befähigung der dazu beauftragten Mitarbeiter gestellt So wurden durch Angehörige der Abteilung zu überwachen ist. Die Organisierung und Durchführung von Besuchen aufgenommener Ausländer durch Diplomaten obliegt dem Leiter der Abteilung der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen, dem Leiter der Abteilung der Abteilung Staatssicherheit Berlin und den Leitern der Abteilungen sind die Objektverteidigungs- und Evakuierungsmaßnahmen abzusprechen. Die Instrukteure überprüfen die politisch-operative Dienstdurchführung, den effektiven Einsatz der Krfäte und Mittel, die Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung. Welche Überprüfungs-möglichkeiten müssen hei den Diensteinheiten Mitarbeitern vorgesehen werden, die diese führen, wie ist das überhaupt zu bewerkstelligen, um Unsicherheiten, vom Gegner inszenierte Provokationen auszuschließen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X