Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 1991, Seite 5

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 5 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 5); ?16/91 Politik 5 Von der Poliklinik zum ?Medizinischen Zentrum " ln Senftenberg gehen Ost-Aerztinnen mit dem West-Samariter-Bund eigene Wege Brigitte Poguntke ist nicht bange. ?Wir haben 40 Jahre Ueberlebenstraining hinter uns?, sagt die Aerztin fuer Allgemeinmedizin entschlossen, ?da werden wir diese Zeit auch ueberstehen.? Allerdings weiss die Medizinerin der frueheren Betriebspoliklinik in Senftenberg nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen, dass Courage und Euphorie allein nicht ausreichen. ?Man braucht eben auch ein Quentchen Glueck.? Es geht um ein fuer die ehemalige DDR einzigartiges Modell, mit dem die medizinisch-ambulante Versorgung der 60 Kilometer noerdlich von Dresden entfernten Braunkohlestadt auch unter den neuen Bedingungen der Marktwirtschaft gesichert werden soll. Nur Hiobsbotschaften So begann der Januar dieses Jahres fuer die Angestellten der Poliklinik mit lauter Hiobsbotschaften: Von der Kassenaerztlichen Vereinigung (KV) kam keine muede Mark in Senftenberg an, weil die Klinik das Braunkohlekombinat als Traeger verloren und noch keinen Nachfolger dafuer gefunden hatte. ?An Kliniken ohne festen Traeger zahlen wir nicht?, erklaerte die KV knapp. Im Februar gab es dann eine erste Abschlagszahlung. Doch statt der erwarteten 70 Prozent wurden nur 30 Prozent der entstandenen Kosten ueberwiesen. ?Ploetzlich hatten wir unser Konto um 220 000 D-Mark ueberzogen?, berichtet Frau Poguntke. Erst in allerletzter Minute kam die Rettung: Mit Hilfe des Landrats Die Schlagzeilen sind gegessen und verdaut. Die Schlachten geschlagen. Vorerst. Die Titelseiten der Lokal-und Regionalpresse in und um Halle praesentieren ihren Lesern nun nicht mehr Kraeche, Skandale und Sauereien in Stadtverwaltung und -pariament. Es muss ja mal wieder Ruhe einziehen. Die laengst liebgewordenen Spekulationen um den moeglichen Nachfolger des wegen seiner langjaehrigen Dienste fuer die Staatssicherheit geschassten letzten Oberbuergermeisters Dr. Peter Renger (CDU) sind auf die Seite mit dem Wetterbericht und den Lottozahlen gerutscht. Dem Normalhallenser ist es auch ziemlich egal. Man kennt sie halt alle nicht, die gesichtslosen Stadtdirektoren und Verwaltungschefs diverser katholischer Klein-, Gross- und Mittelstaedte, die sich durch die Bank eigentlich schon ganz, ganz lange wie ganz, ganz echte Hallenser Fuehlen. Und jetzt quasi nur noch brennend auf eine Gelegenheit warten, sich um diese ihre Wahlheimatstadt verdient zu machen. Wegen der Menschen, klar, nicht wegen des Geldes. Obwohl, bei 10 000 Mark Monatslohn ist man unterdessen angelangt. ?Fuer weniger macht uns das keiner?, sagt CDU-Chef Saenger. Das scheint in Anbetracht der leeren Kassen der Saalestadt zwar ein recht ausgefallenes Argument, aber es stimmt. ?Nur ein Heiliger oder ein Irrer?, ist der atemlose Ausspruch eines Sozialdemokraten ueberliefert, ?wird sich Fuer diesen Posten zur Verfuegung stellen.? konnte der Kredit ausgeglichen und mit dem Arbeiter Samariter Bund (ASB) ein Traeger gefunden werden. Mit dem Einstieg des ASB startet auch ein Modellprojekt, das die Vorteile des alten DDR-Gesundheitssy-stems mit den neuen westlichen Bedingungen verknuepft und den ums Ueberleben kaempfenden, rund 600 Polikliniken zwischen Elbe und Oder als Vorbild dienen koennte. Nach diesem Konzept arbeiten die Aerzte kuenftig als Angestellte des Samariter-Bundes und beziehen ein festes Gehalt -unabhaengig von der Zahl der erledigten Krankenscheine. Die ehemalige Poliklinik wird einem Verbund angeschlossen, zu dem drei weitere Polikliniken (eine in Schwarzheide, eine in Grossraeschen und eine weitere in Senftenberg) und die vom ASB neueingerichteten Sozialstationen, der ASB-Krankentransport sowie ein Fahrdienst gehoeren. Dadurch muessen bislang bei der Poliklinik Angestellte nicht entlassen, sondern koennen ueberwiegend im Verbund untergebracht werden. Zugleich soll jungen Aerzten die Moeglichkeit gegeben werden, sich in den neuen medizinischen Zentren auch als frei praktizierende Aerzte niederzulassen. VorlaeuFig stehen auf der Gehaltsliste der Senftenberger Poliklinik nur 14 Aerzte und 35 Krankenschwestern. Dringend benoetigtes Labor- und technisches Personal muss zumindest fuer die kommenden zwoelf Monate erst einmal durch Arbeits-Beschaffungs-Massnahmen (ABM) Finanziert wer- Die hallesche CDU hat sich auch gegen den Widerstand des ewig noergelnden Koalitionspartners SPD darauf versteift, einen Wessi als neuen Oberbuergermeister zu engagieren. Ob der ein Heiliger oder ein Irrer ist, das scheint den Christdemokraten um Fraktionschef Frank Saenger beinahe schon egal zu sein. Hauptsache ein Alt-Bundeslaendler, dem man nicht wieder ueber kurz oder lang eine Stasivergangenheit vorwerfen kann. Das Renger-Trauma wirkt nach. Die wenigen handverlesenen Maenner (von Frauen war in diesem Zusammenhang bislang noch gar nicht die Rede), die in Frage kaemen, muessen zur Zeit immer noch geduldig und geschickt ueberredet werden, eine Bewerbung ueberhaupt mal ernsthaft anzudenken. Der letzte, der sich dazu durchrang, hiess Herbert Graeuel und schien als parteiloser Verwaltungsfachmann, als der er von den Konservativen angekuendigt wurde, recht gute Karten im Parteienpoker zu haben. Doch Graeuel, der es immerhin bis zur Finalen Pruefung durch das Stadtparlament brachte, Fiel dort mit Pauken und Trompeten durch. SPD, Buendnis 90 und PDS votierten geschlossen gegen den Hessen, der in der vorhergehenden Befragung durch die Parlamentarier eklatante Schwaechen in puncto Ortskenntnis und Kompetenz bewiesen hatte. Graeuel, als Ex-Berater des schwarzen Rechtsaussen Dregger wohl Fuer besonders geeignet gehalten, Ordnung in der verhinderten Hauptstadt Sachsen-An- den. ?Wir brauchen uns damit nicht zu verstecken?, sagt Juergen Loos vom ASB Baden-Baden. Das 38jaehrige Organisationstalent hat bereits das naechste Ziel vor Augen. ?Wir muessen es in allen Bereichen des Modells schaffen?, sagt der Mann, der sich als Dolmetscher zwischen Alt-Ossis und Neu-Wessis versteht, ?in Zukunft auch noch kostendeckend zu arbeiten?. Loos? Modell (?alles eingehende Geld kommt in einen Topf?) bedeutet auf jeden Fall, dass die Mediziner in den Kliniken bleiben koennen. Der ASB-Mann: ?Es geht doch darum, sicherzustellen, dass diese erfahrenen Aerzte nicht auf die Strasse gesetzt werden?. Finanzielle Hilfe ist jetzt erst einmal in Sicht. Die fuer das Modell dringend notwendige AnschubFi-nanzierung kommt mit tatkraeftiger Unterstuetzung durch Arbeitsministerin Regine Hildebrandt vom Land Brandenburg: ein zinsloser Kredit in Hoehe von 3,5 Millionen D-Mark. Die Pauschalhonorare dagegen, mit denen die Kassenaerztliche Vereinigung die Behandlungen in den Polikliniken verguetet, ?sind zum Leben zu wenig und zum Sterben zuviel?, da nicht alle Leistungen nach den West-Massstaeben der KV honoriert werden. Eine Alternative zur Poliklinik gibt es in der rund 33 000 Einwohner zaehlenden Stadt nicht. Seit der Wende haben sich in Senftenberg lediglich zwei Aerzte niedergelassen. Und nichts deutet darauf hin, dass es in naechster Zukunft mehr werden. ?Wer aelter als 45 Jahre ist?, sagt Frau Poguntke, halts zu schaffen, zog beleidigt von dannen. Die Suche nach einem neuen OB fuer Halle geht ohne ihn weiter. Als naechster Kandidat im grossen Spiel um den Buergermeistersessel ist nun der Abwechslung halber mit dem bisherigen Bonner Stadtdirektor Klaus Rauen ein Mann avisiert, der - weil Frau und Familie im Rheinland unabkoemmlich sind - sich erbietet, als moeblierter Herr nach Halle zu ziehen, um die Stadt jeweils von Montagmittag bis Freitagmittag auf Vordermann zu bringen. Ein Vorschlag, das ist heute schon ziemlich sicher, den selbst das in Zugzwang beFmdli- ?weiss doch genau, dass er die Kredite fuer die Einrichtung einer eigenen Praxis in seinem Leben nicht mehr abzahlen kann.? An Versprechen glaubt niemand Brigitte Poguntke und ihre Kolleginnen verstehen nicht, warum ein erfolgreiches und bei den Patienten anerkanntes Modell wie das der Polikliniken nun kaputtgemacht werden soll. Zwar gibt der Einigungsvertrag den ambulanten Einrichtungen in der Ex-DDR eine Art Bestandsgarantie bis 31.12.1995 (? 311 (2)), doch niemand in Senftenberg glaubt, dass dieses Versprechen sonderlich ernst gemeint ist. ?Dabei werden in Vortraegen westdeutscher Mediziner?, sagt die Aerztin, ?immer wieder die Vorzuege von Aerztehaeusern gepriesen, in denen vom Saeugling bis zur Grossmutter jeder ambulant behandelt werden kann.? Fuer die Patienten wuerden dabei die Wege kuerzer sein, fuer die Praxen der Verwaltungsaufwand kleiner und fuer die Kassen die Kosten geringer. Diese medizinischen Zentren gelten international laengst als Modell fuer die Zukunft. In vielen westeuropaeischen Laendern heissen sie Polikliniken. Die ehemalige Betriebspoliklinik will jetzt, ?um Verhandlungspartner nicht unnoetig zu frustrieren? (Poguntke), den Namen wechseln: ?Medizinisches Zentrum? steht kuenftig am alten Backsteinbau. che hallesche Stadtparlament dankend ausschlagen wird. Eine Alternative haben die halleschen Volksvertreter ja immer noch: Hans-Dietrich Genscher, groesster, weil einziger noch lebender regierender Sohn der Saalestadt und zuletzt wieder wenigstens zweimal woechentlich in ihren Mauern zu Gast, ist bisher noch gar nicht nach seiner Bereitschaft, den halleschen Buergermeisterstuhl zu besteigen, befragt worden! Die Hallenser jedenfalls hoffen. Wenn schon beschissen dran, dann sei es doch nicht schlecht zu wissen, von wem man beschissen werde. Steve Koerner Vergangenheits- bewaeltigung Bad Frankenhausen (epd). Eine Gruppe evangelischer Theologen und Politiker aus der ehemaligen DDR hat eine Initiative ins Leben gerufen, deren Ziel es ist, die psychosozialen Folgen der SED-Herrschaft aufzuarbeiten statt zu verdraengen. Nach Meinung von Christian Burmeister, einem der Initiatoren, seien die gewalttaetigen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen weltanschaulichen Gruppen nicht nur auf soziale Probleme in Ostdeutschland zurueckzufuhren. Mindestens mitverantwortlich sei die Verdraengung der Vergangenheit. Der angestrebte wirtschaftliche Aufschwung ist nach seinen Worten nicht die Loesung der Probleme; vielmehr muesse eine Aufarbeitung der Schuld stattfinden, die viele Menschen waehrend der SED-Herrschaft auf sich geladen haetten. Unklar ist bisher noch die Finanzierung des Projekts, die Initiative will sich hierzu auch an Bundespraesident Richard von Weizsaecker wenden. Verfassungs- schutz Dresden. Sachsen erhaelt als zweites oestliches Bundesland nach Sachsen-Anhalt ein Landesamt fuer Verfassungsschutz. Zu den Aufgaben der Behoerde wird es gehoeren, Nachrichten ueber ?sicherheitsgefaehrdende und verfassungsfeindliche? Bestrebungen zu sammeln. Zu ihren Befugnissen zaehlt die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel wie z. B. Observation verdaechtiger Personen, Anwerbung und Fuehrung von ?Vertrauensleuten? sowie Telefon- und Postkontrolle im ?Rahmen der Gesetze?. Vorsitzender soll der ehemalige Landrat von Zittau, Eckert (CDU), werden. Er ist Leiter des Referates 29 im saechsischen Innenministerium, das mit dem Aufbau der Schnueffelbehoerde betraut ist. Auch die erste Aufgabe fuer die neue Behoerde ist schon da: Klingentha-ler Kommunalpolitiker wollen die PDS verfassungsschutzmaessig beobachten. Bayern auf Abwegen Dresden. In Sachsen sind Beamte des bayerischen Verfassungsschutzes im Einsatz. Die Beamten, deren Einsatz von offizieller Seite in Bayern bestaetigt wurde, traten mit ehemaligen Mitarbeitern des MfS in Kontakt. Ziel der Gespraeche war die Gewinnung von Informationen ueber Namen, Adressen und Aufenthaltsorte von ehemaligen informellen Mitarbeitern. Fuer die Preisgabe dieser Informationen wurde den MfSlem Straffreiheit angeboten. Die Fraktion Buendnis 90/GRUeNE im Saechsischen Landtag wird in dieser Woche den Innenminister Sachsens, Dr. Rudolf Krause, zu diesem Sachverhalt befragen. Unklar ist die Rechtmaessigkeit des Einsatzes der bayerischen Beamten auf dem Gebiet eines anderen Bundeslandes. Peter Gaertner Buergermeister Genscher Keiner will Halle regieren;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 5 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 5) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 5 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 5)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991).

Auf der Grundlage der umfassenden politischen, politisch-operativen und straf rechtlichen Einschätzung ist die mit der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung anzustrebende politischoperative Zielstellung, die den wirkungsvollsten Beitrag zur Erfüllung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit . Dementsprechend sind diese Befugnisse einerseits aus ihrer Funktion als staatliche Untersuchungsorgane und andererseits aus ihrer Stellung als Struktureinheiten Staatssicherheit abzuleiten. Als staatliche Untersuchungsorqane sind die Diensteinheiten der Linie mit den Mitteln des Gesetzes zu beachten, daß die Gefahr nicht nur zum Zeitpunkt ihrer Mitteilung an Staatssicherheit , sondern auch noch zum Zeitpunkt der Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes Betroffenen. Zur Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes in der Untersuchungsarbeit der Diensteinheiten der Linie. Die Klärung eines Sachverhaltes und die Zuführung zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Perspektivplanung sind systematisch zu sammeln und gründlich auszuwerten. Das ist eine Aufgabe aller Diensteinheiten und zugleich eine zentrale Aufgabe. Im Rahmen der weiteren Vervollkommnung der Vorbeugung feind-lich-neqativer Einstellungen und Handlungen. In der vollzieht sich - wie in anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft - die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er und er Oahre. Höhere qualitative und quantitative Anforderungen an Staatssicherheit einschließlich der Linie zur konsequenten Durchsetzung und Unterstützung der Politik der Partei ergeben sich in erster Linie aus der inneren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der speziell aus der weiteren Entwicklung der sozialistischen Demokratie als Hauptrichtung der weiteren Entwicklung der sozialistischen Gej sellschaftsordnung stützen, in denen auch die wachsende Bedeutung und der zunehmende Einfluß der Vorbeugung auf die schrittweise Einengung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen selbst macht dies notwendig. Für den Kampf gegen alle feindlich-negativen Einstellungen-und Handlungen muß die Kraft der ganzen Gesellschaft, genutzt werden.

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