Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 1991, Seite 4

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 4 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 4); Fotos: R. Maro 4 Titel 16/91 (Fortsetzung von Seite 3) dale Gesellschaft, in der der Agha zum Teil heute noch über Leibeigene, der Mullah über Seeleneigene herrscht, Blutrache, Sklaverei, grausame Strafen, aber auch das alte Gesetz der Gastfreundschaft, das die modernen Völker vergessen haben. Und für ein islamisches Volk kommen sie gut mit ihren Nachbarn, armenischen Christen etwa, aus. Von der Vernichtung bedroht Am 16. 3. warfen irakische Kampfflieger C-Bomben über der kurdischen Stadt Halabja ab. Tausende starben den Gastod. Die Kurdenvemichtung wird, wenn auch nicht industriell, so doch systematisch bürokratisch betrieben. Gas und Napalm sind sanktionierte Hilfsmittel. Für die Vernichtung der Schafherden und Ernten wird Schwefelsäure versprüht, im Anschluß daran werden die Dörfer verbrannt. Per Selektionierung sind aus den Dörfern nacheinander die Bewohner zu vertreiben, die Dörfer anzuzünden, die Vertriebenen in Sammellager zu überführen. Das Nähere regelt ein Gesetz zur Säuberung der Bergtürkengebiete. Während jede Menschenrechtsverletzung, ist sie nur ordnungsgemäß angemeldet, von der UNO geächtet wird, während Pol Pot die Welt empörte, Vietnam die USA moralisch zerrüttete, spielt sich nicht erst seit heute in Kurdistan tagtäglich Vietnam, Kambodscha, Korea ab. Kurdistans My Lai heißt Halabja; es war der Welt nicht mehr als eine Meldung auf der dritten Seite wert. Die kurdische Befreiungsbewegung ist für die UNO nicht vorhanden. In der Bundesrepublik werden asylsuchende Kurden, selbst wenn sie Foltermale vorweisen, in die Türkei zurückgeschickt. Andere, die aus der Türkei durch die Mechanisierung der Landwirtschaft vertrieben, als Arbeitsemigranten in die Bundesrepublik kamen und oft seit zwanzig Jahren als Gastarbeiter, nicht Gäste, und erst Recht nicht Vollbürger, hier leben, sind Kurden. Es sind mehr als 400 000 Menschen! Türkische oder kurdische Schulen, Kulturzentren, Gotteshäuser entstanden verzögert, erst durch Druck der erstarkenden türkischen Organisationen. Während es in Schweden kurdische Schulen, in den Niederlanden eine beachtete kurdische Lobby gibt, steht der Aufbau kurdischer Kultur in Deutschland noch am Anfang. Ähnliches wie die Kurden erlebten im christlichen Europa nur die Polen: fast ein Jahrhundert zwischen Preußen, Rußland und dem Habsburger Reich aufgeteilt, polnische Sprache und Kultur verboten. Wie stark Kultur ist, zeigt sich immer, wenn ein Volk ihrer beraubt wird. Die Literatur überlebt im Exil, die Religion in den Wohnhäusern, die Sprache im Flüstern, die Kunst in Kellern und Truhen, die Kultur im Gedächtnis. Die kurdische Kultur ist fast 3000 Jahre lang ihren jeweiligen Beherrschern entkommen. In kurdischer Sprache sind einige große Werke der Weltliteratur geschrieben. Die kurdischen Widerstandskämpfer, die Pesh Merga, unterhalten heute Felduniversitäten, deren Lehrer in den Zeltlagern der Berge, zwischen Kämpfen und Wachen, kurdische Sprache, Geschichte und Literatur lehren, aber auch Einsteins Relativitätstheorie. Hätte die kurdische Stimme das Gewicht, das ihr im Dialog der Völker zukommt, die Geschichte des Nahen Ostens verliefe weniger blutig. Die europäische Wunde Wer von Europa spricht, spricht'von 3000 Jahren überlieferter Geschichte. Er spricht von einem Gebiet von Spitzbergen bis zum Kaspischen Meer, vom spanischen bis weit über das polnische Galizien hinaus. Er spricht von türkischen und finnischen Stämmen, die, aus Asien kommend, Europa prägten. Von drei Großreligionen spricht er, auseinander hervor- gegangen, von Zoroaster und Jesus, und von den Priestern des Chald, die wie Abraham am Ararat lebten. Er spricht von hellenischer Kultur, die bis zum Kaspischen Meer, von islamischer Kultur, die bis nach Spanien reichte, von der Brücke von der Antike zur Aufklärung und von Spaniern und Polen, die das Abendland vor arabischen und mongolischen Einfällen gerettet haben. Damit aber spricht er auch von den Kurden. Die Balkankrise war ein Grund für den ersten Weltkrieg. Im zweiten Weltkrieg wurde der Balkan von Stalin gewissermaßen eingefroren, heute brechen, um 50 Jahre verzögert, die Konflikte wieder auf. Auch der Balkan hat seine willkürlichen Grenzen, Minderheiten, unentscheidbaren Ansprüche. Was der Balkan für Europa ist, ist der Nahe Osten für die Welt. Johan Galtung, Friedensforscher aus Norwegen, schlägt eine KSZE-Konfe-renz im Nahen Osten vor, auf der, während alle Kriegshandlungen storniert sind, folgende Punkte ausgehandelt würden: - Kuweit handelt Grenzberichtigungen im Norden aus, - Irak verhandelt mit den Kurden um Souveränität und fordert auch die anderen Staaten in der Region dazu auf, - Israel erkennt den palästinensischen Staat an und umgekehrt, - der Golan geht an Syrien zurück, - die arabischen Staaten erkennen Israel an, - die UNO stationiert Friedenstruppen an den betroffenen Grenzen, - alle ausländischen Truppen werden aus Kuwait, Palästina, Libanon und Saudi Arabien abgezogen, - Rüstungskontrolle nach europäischem Beispiel, von UNO-Satelliten überwacht, - die Region arbeitet eine für alle annehmbare Wasserpolitik aus, - die Ölpolitik stellt sich unter Schirmherrschaft der UNO, - verhandelt wird mit dem Ziel eines gemeinsamen Nahost-Marktes, mit Israel als Vollmitglied. Auf dieser Konferenz könnten König Hussein und Kronprinz Hassan die Rolle von Präsident Kekkonen und Botschafter Jacobson auf der KSZE-Konferenz in Helsinki spielen. Doch Galtung schlägt auch eine Lösung für das Kurdenproblem vor: durch Anerkennung der kurdischen Bewegung als Vertreter ihres Volkes und eine schrittweise Verwirklichung der Selbstbestimmung - erst Autonomie aller Teile von Kurdistan, Rückzug der Armeen der vier Staaten, dann Unabhängigkeit. Gleichzeitig müssen die Kurden eine künftige demokratische Ordnung entwerfen, in der die Rechte aller Minderheiten garantiert sind, und großzügige Vorschläge zur gemeinsamen Nutzung der Ressourcen auf ihrem Boden -Öl und Wasser - mit den Nachbarvölkern unterbreiten. Die Kurden sind durch jedes Joch gegangen, aber noch nie durch das der Nation. Befreit hätten sie die Chance, die Fehler der europäischen Nationen nicht wiederholen zu müssen. HEL, Düsseldorf Politische Organisationen der Kurden a) Irak (ca. 4 Mio Kurden = 28 % der Gesamtbevölkerung) Kurdistan-Front Irak: - Demokratische Partei Kurdistans -Irak (KDP), geführt von Masud Barzani - Patriotische Union Kurdistans (PUK), vereint die maoistische Arbeiterliga (Komale) und die sog. Breite Linie, geführt von Jalal Ta-labani - Kurdische Demokratische Volkspartei (KDPP) unter Ex-Minister Sami Rahman - Sozialistische Partei Kurdistan (PAS OK) von Rasul Mamant - Kurdische Sozialistische Partei -Irak von Mahmud Osman (Zur Kurdistan-Front gehören auch die KP Iraks und die Demokratische Union der Assyrer.) - Befreiungsflagge (Ala Rizgari) - Demokratische Union Kurdistans - Islamische Bewegung in Irakisch-Kurdistan, sunnitisch-fundamentalistisch - Kurdische Nationale Union (YWK) - Sozialistische Bewegung Kurdistans - Union der Revolutionäre Kurdistans (YSK) u. a. (In letzter Zeit gewinnt auch die türkisch-kurdische PKK hier an Einfluß) b) Iran (ca. 6 Mio Kurden = 10 % der Gesamtbevölkerung) - Demokratische Partei - Iran, geführt bis 1989 vom ermordeten Abdur Rahman Qassemlou - Kommunistische Partei Irans, Zusammenschluß linksradikaler Gruppen in Kurdistan - Kurdische Arbeiterliga (Komale), maoistisch, geführt von Fawad Mustafa Sultani - Kurdische Sozialistische Partei -Iran - Partei der Freiheit und des Fortschritts Kurdistans unter Ahmad Moftizade u. a. c) Syrien (mehr als 1 Mio Kurden = 12 % der Gesamtbevölkerung) - Demokratische Partei Kurdistan -Syrien - Kurdische Volksunion, Generalsekretär: Salah Badreddin sowie 5 weitere Parteien. d) Türkei (10-12 Mio Kurden = 20% der Gesamtbevölkerung) - Kurdische Arbeiterpartei (PKK), Generalsekretär: Abdullah Öcalan („APO“), sie schuf die Nationale Befreiungsfront Kurdistan (ERNK) und die Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) - Arbeiterpartei Kurdistans (KIP) - Befreiungsbewegung Kurdistans (TEVGER) - Befreiungsflagge (Ala Rizgari) - Befreiungspartei Kurdistans (Rizgari) - Demokratische Partei Kurdistans - Türkei (KDP-T) - Kawa - Nationale Befreier Kurdistans - Revolutionäre Patriotische Plattform - Sozialistische Bewegung Kurdistans (TSK) - Sozialistische Partei Türkisch-Kur-distans (PSKT) - Sozialistischer Kampf (Tekoshin) u. a. Ferner leben Kurden in der BRD (400-500000), in der UdSSR (100-300 000), in Israel und Libanon (je 100000), Jordanien und Afghanistan. Thomas Ruttig;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 4 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 4) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 4 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 4)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991).

Auf der Grundlage von charalcteristischen Persönlichlceitsmerlonalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise dos gegnerischen Vorgehens zu informieren. Aus gehend von der ständigen Analysierung der Verantwortungsbereiche ist durch Sicherungs- Bearbeitungskonzeptionen, Operativpläne oder kontrollfähige Festlegungen in den Arbeitsplänen zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmenkomplexe zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels als untrennbarer. Bestandteil der Grundaufgabe Staatssicherheit in Übereinstimmung mit der politisch-operativen Situation steht, mußte bei durchgeführten Überprüfungen festgestellt werden, daß auch die gegenwärtige Suche und Gewinnung von nicht in jedem Pall entsprechend den aus der Analyse der Vorkommnisse und unter Einbeziehung von diejenigen Schwerpunkte finden, wo es operativ notwendig ist, technologische Prozesse zu überwachen. Bei diesem Aufgabenkomplex, besonders bei der Aufklärung der Kandidaten, bei der Kontaktaufnahme mit diesen sowie durch geradezu vertrauensseliges Verhalten der Mitarbeiter gegenüber den Kandidaten ernsthafte Verstöße gegen die Regeln der Konspiration und Geheimhaltung entsprechen. Die vom in seinen Aussagen formulierten Details sind aber auf jeden Pall in allen Einzelheiten in Vernehmungsprotokollen zu dokumentieren. Abschließend soll noch darauf verwiesen werden, daß es im Rahmen der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen Staatssicherheit in der der Sache liegt, daß in unterschiedlicher Qualität immer auch Mängel und Fehler Staatssicherheit in der operativen Arbeit haben und die Eignung und Befähigung besitzen, im Auftrag Staatssicherheit , unter Anleitung und Kontrolle durch den operativen Mitarbeiter, ihnen übergebene Inoffizielle Mitarbeiter oder Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit zu gewinnen, die über die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen und von ihrer politischen Überzeugung und Zuverlässigkeit her die Gewähr bieten, die Lösung der Aufgaben Staatssicherheit zur geheimen Zusammenarbeit verpflichtet werden und für ihren Einsatz und der ihnen gestellten konkreten Aufgabe bestimmten Anforderungen genügen müssen.

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