Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 1991, Seite 3

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 3 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 3); 16/91 Titel 3 Die Kurden: Nation ohne Staat Nach 3000Jahren zwischen Vernichtung und Freiheit Nach dem Abstieg der einstigen Supermacht Sowjetunion blickt die Welt auf den Nahen Osten, wo die offene Rechnung des British Empire beglichen wird. Die Konturen einer panarabischen Weltmacht zeichnen sich ab. Noch setzen die Krieg führenden Großmächte voraus, die könne in ihre willkürlich gefügten Teile zerlegt bleiben. Die „Alliierten“ führten den Krieg mit den höchstentwickelten Waffen, über die sie verfügen. Sie prüften ihr Arsenal auf Tauglichkeit für die Entscheidungsschlacht des nächsten Jahrhunderts, den Kampf zwischen NorcLund Süd. Als das irakische Regime im Iran einmarschieren ließ und einen Ausrottungsfeldzug gegen die Kurden führte, war von militärischen Gegenmaßnahmen der Nordstaaten nicht die Rede, nicht einmal von Sanktionen. Jetzt war der Zugriff auf billiges Öl gefährdet. Die Völker am Golf, ohne Zivilschutz unter Feuer liegend, sind der Krieg führenden Nötigungsallianz gleichgültig. Wie erst die Kurden. Sie sind kein Volk, sondern Bergstämme, die man nicht bekämpft, sondern jagt. Der Irak braucht das kurdische Gebiet als Glacis, als Schild. Über die Annexion Kuwaits empörte sich die Handelswelt. Über die lange vollzogene Annexion Kurdistans, bei Verletzung der Menschenrechte länger als es die Menschenrechtskonvention gibt, regen sich nur ein paar Ganz-tagsdemonstrateure auf, die zu viel Karl May gelesen haben. Wie gegen Füchse, die Tollwut verbreiten sollen, setzt man Gas auch gegen die tollwütigen „Bergtürken“, die Kurden, ein. Wieder sind die Kurden, wie immer in ihrer Geschichte, verraten, verkauft und allein gelassen mit Care-Paketen als Trostpflaster für die mitleidige Seele des Nordmenschen. Worin besteht die Tollwut der „Bergtürken“? Sie wollen ihre Sprache sprechen, ihre Kultur pflegen, sich selbst verwalten. Und Nationen, die das seit langem tun, weil kein Empire sie von dieser Tollwut geheilt hat, sehen den vier' Kurdeninhaberstaaten zu, wie jeder mit seinen Kurden fertig wird, so oder so. Volk ohne Haus Das kurdische Volk ist älter als das türkische, vielleicht so alt wie das sumerische oder das jüdische. Eine kurdische Legende führt den Ursprung der Kurden auf den 21. März 612 v. Ch. zurück. Damals eroberten die Meder Ninive am Fuß der kurdischen Berge. Kawa, der Schmied, der 16 Söhne im Kampf verloren hatte, stürmte den Königspalast, erschlug mit dem Schmiedehammer Schah So-hak und zerstörte Ninive. An diesem Tag feiern die Kurden bis heute Newroz, Neujahr. Im Altertum wurden sie Meder, auch Chaldäer, Pisider genannt. Ihre Sprache ist der iranischen verwandt. Sicher ist, daß in dem Gebiet, das die Kurden als ihre Heimat ansehen, seit 3000 Jahren ein Volk bestimmbarer Kultur lebt. Das kann in Europa kein Volk, die Basken vielleicht ausgenommen, von sich sagen. Kurden, wie auch Berber oder Basken, erscheinen die Geschichte hindurch, auf Stelen, Münzen, Inschriften, in den Sprachen ihrer Beherrscher, werden von Chronisten erwähnt, tauchen maskiert, unter anderen Namen, mit anderen Völkern vermischt, in den Schriften auf. Aber ihr Namensskelett k-r-d gleicht einem Zeitrelief: Karduchen nennt sie Xenophon, Kardumash hieß eines ihrer Reiche, von dem wir aus ägyptischen Archiven wissen. Den ausführlichsten Bericht aus dem Altertum haben wir in Xenophons Anabasis: der Zug der Zehntausend zieht durch kurdisches und armenisches Gebiet; Xenophon schildert Partisanengeist und unbeugsame Klugheit der „Kardouchoi“, hervorragender Bogenschützen, die ihre Bergschluchten in Fallen verwandeln. Er beschreibt auch die mit Geschirr und Lebensmitteln wohlversehenen Häuser. Die . Kurden verdingten sich, wie alle zu kurz gekommenen Völker, Kelten, Waräger, Balearen, als persische, grie- chische, römische, arabische Söldner, kämpften in feindlichen Heeren oft gegeneinander, auch gegen das eigene Volk. Sultan Salah ad-Din, in Europa als „Saladin“ bekannt, Kurde aus dem Stamm der Rawadi, eröffnete vor 800 Jahren durch die Bildung der zweiten Front gegen das christliche Kreuzfahrer-Palästina ein geschichtliches Spiel, das bis heute nicht entschieden ist. Sein Lebenswerk war der Versuch, die im Islam zerstrittenen Stämme zu einigen. Als er das Heer der Kreuzfahrer am Hattin schlug, ließ er die Christen aus Jerusalem samt ihrer Habe ziehen. Er erscheint als größte Gestalt der kurdischen Geschichte, seiner Großmut wegen auch von fränkischen Chronisten gerühmt. Doch empfand er nicht als Kurde, sondern als Moslem. Andere Völker waren für Augenblicke in ihrer Geschichte unterworfen; die Kurden waren nur Augenblicke in ihrer Geschichte frei. So gleicht das kurdische Volk einem von Kindheit an eingesperrten Menschen, der immer wieder ausbrach, kämpfte, eingefangen wurde, und im Alter, verbittert und engstirnig, aber ungebrochen seinen Weg ins Freie sucht. Von der Geschichte vergessen Nach dem Zusammenbruch des Os-manischen Reiches wurde Kurdistan im Sykes-Picot-Geheimabkommen (1916) zwischen Großbritannien und Frankreich geviertelt, die Teile der Türkei, Iran, Irak und Syrien zugeschlagen. Seitdem steht das kurdische Volk unter Militärverwaltung, lebt unter permanentem Pogrom. Als wären es Banditen im Ghetto ihrer Berge. Mustafa Kemal, der als Regierungschef auch das Massaker an den Armeniern 1920/21 verantwortete, brach den Vertrag von Lausanne (1923), der den Kurden wenigstens einigen Schutz zusicherte, und subsumierte diese als „Bergtürken“ in einem „ein- heitlichen türkischen Nationalstaat“. Seit 1925 vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht ein kurdischer Aufstand von türkischen Soldaten niederschla-gen wird. Hunderttausende getötete Kurden, eine halbe Million Deportierte. Tausende zerstörte Dörfer, verbrannte Erde, unsagbares Leid. Search and destroy. Und nur wenige Flüchtlinge erhalten die laufende Nummer weitabgesandter Erbarmensorganisationen, die ihnen ungewisses Überleben verheißt. 1946, in für die Kurden günstiger Nachkriegslage, wurde im iranischen Teil Kurdistans die Volksrepublik Mahabad ausgerufen; sie bestand vom 23.1. bis 17.12. 46. Dann zog sich Stalin, ein einziges Mal westlichem Druck nachgebend, vom Schutz der Republik zurück. Ende 46 schlossen Türkei und Irak einen Freundschaftspakt, in dem sie sich gegenseitig Hilfe im Niederhalten ihrer Kurden zusicherten. Die Amtshilfe funktioniert bis heute. Kriegsminister Barzani, die große Gestalt eines kleinen Volkes, Verteidigungsminister der Republik Mahabad, wie Saladin seiner Großmut wegen berühmt, ging nach elf Jahren sowjetischer Internierung wieder in den Untergrund. Der Aufstand 1974 - 75 war die vorläufig letzte Station des kurdischen Passionsweges. Kissinger spielte die Rolle des Verräters, und der Bruderkuß von Saddam Hussein und Schah Reza Pahlewi zwecks ungestörter Ölausbeute besiegelte die Niederlage der Kurden: verraten, verkauft und vergessen. Auch die Georgier, Armenier und andere kämpfen heute um öie Wiederherstellung ihrer staatlichen Freiheit. Aber die Kurden sind kaum je frei gewesen. Kein Volk, auch das polnische nicht, war in seiner Geschichte so lückenlos an die Kette von Demütigung, Fremdbestimmung, Völkermord gelegt. Jedes Volk hat Niederlagen erlebt, die seine Verfassung bestimmen, - das deutsche im Dreißigjährigen Krieg, das französische im Hundertjährigen. Aber kein Volk mußte 3000 Jahre Krieg überstehen, steckte fast nur Niederlagen ein, und die Beute der wenigen Siege fiel anderen zu. 25 Millionen Menschen ohne Autonomie, immer wieder standen sie auf wie ein Ghul aus arabischen Sagen, und werden aufstehen, bis die Welt sie frei gibt. Die um ihre Existenz kämpfen, haben keine Zeit für soziale Reformen. Rückständig sind sie geblieben, die „Bergtürken“, rückständig wie die Schotten oder die Tibeter: eine feu-(Fortsetzung auf Seite 4);
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 3 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 3) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 3 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 3)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedin- ergebende der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlicher Pläne, Absichten und Maßnahmen zum Mißbrauch des Transitverkehrs zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung auf und an den Transitwegen; Abwicklung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens für Aus- und Einreisen und der Kontrolle der Einreisen von Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin und ihres Aufenthaltes in der und der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten mißbraucht. Das geschieht insbesondere durch Entstellungen, falsche Berichterstattungen, Lügen und Verleumdungen in westlichen Massenmedien und vor internationalen Organisationen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem aus den operativen Möglichkeiten, aus dem unterschiedlichen Entwicklungsstand und Grad der Zuverlässigkeit sowie aus der Verschiedenarfigkeit der Motive für die bewußte operative Arbeit der im Operationsgebiet.

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