Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 1991, Seite 15

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 15 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 15); 16/91 Musik 15 Von der „Edition des Wesentlichen" bis zu Justus Frantz Im Dickicht von Mozarts gepreßten Werken Mit einem kalten Schauer des Entsetzens haben viele hochsensible Musikfreunde am 1.1.1991 bemerken müssen, daß nun endlich das Mozart-Jahr begonnen hat. Mindestens seit vorigem Sommer hatte es aber lange Schatten vorausgeworfen, und in Anbetracht der schier unerschöpflichen Aufgaben sind einige Schallplattenfirmen buchstäblich durchgedreht vor Tatendurst und haben einen klassischen Frühstart vom Zaune gebrochen. Seither übertrumpfen sie sich mit wahnwitzig verführerischen Angeboten, die dem Mozart-Fan, und wer will das heuer nicht sein, den Atem stocken lassen. Wenn es nach den Tonkonservenherstellern ginge, käme man vom Plattenspieler (nunmehr CD-Player geheißen) gar nicht mehr los und müßte seine beste Zeit gänzlich dem seligen Wolfgang Amade widmen. So bietet die exklusive Deutsche Grammophon eine „Edition des Wesentlichen“ an, auf 25 Compact Discs, die reichlich 25 Stunden Musik beinhalten. Diese also „wesentlichen“ Werke von Mozart werden von Meisterhänden - unter anderen denen von Böhm, Karajan, Mutter, Pol- lini, Gilels - mehr oder weniger herrlich geformt. Desweiteren gibt es die Mozart 3D Collection, ebenfalls auf 25 Silberscheiben werden musikalische Wunderwerke des Salzburgers in womöglich noch luxuriöserer Ausstattung angeboten - Karajan ist mit von der Partie, aber auch Bernstein, Horowitz, Kremer, Harnoncourt, Levine Zudem kommen auf dem Gelbetikett fortlaufend hochbrisante Neueinspielungen heraus, so unlängst eine live in Bremen mitgeschnittene Aufnahme mit dem legendären Pianisten Arturo Benedetti Michelangeli - was nahezu einem Wunder gleichkommt, wenn man dessen kaum zu bändigende Publikumsscheu in Rechnung stellt. Leider ist für meinen Geschmack im Orchester (Cord Garben dirigierte das NDR-Sinfonieorche- ster) etwas zu dick aufgetragen worden, was Michelangelis perlendem Spiel etwas die Leichtigkeit nimmt. Gegeben wurden die Konzerte Nr. 13 in C-Dur KV 415 und Nr. 15 in B-Dur KV 450. Eine weitere Neueinspielung, die zumindest mich durchweg begeistert (soweit dies eine versilberte Scheibe eben vermag), sind die Aufnahme der Fantasie c-moll KV 475, der Klaviersonate c-moll KV 457, der Fantasie d-moll KV 397 und der Klaviersonate A-Dur KV 331 mit dem „Türkischen Marsch“. Die portugiesische Pianistin Maria Joäo Pires, die im'vorigen Jahr bei der Deutschen Grammophon mit der Gesatmaufnahme der Mozart-schen Klaviersonaten begonnen hat, scheint auf dem besten Wege, in all dieser musikalischen Überfülle ein Geheimtip zu bleiben - was für ihre feinsinnige Kunst nicht das Schlechteste sein dürfte. Mozart pur In etwa ähnlichem Umfang wie die Deutsche Grammophon bietet DECCA ein „Mozart Almanach“ an („24 Stunden Mozart pur - Ein Tag mit Amadeus!“), für das der führende englische Mozart-Forscher H. C. Robbins Landon die Federführung übernommen hat. Zwei CDs sind den frühen Jahren und zwei Mozarts Todesjahr 1791 Vorbehalten, jeweils eine dokumentiert die übrigen Jahre. „Der Mozart Almanach“, so heißf s in einem Werbetext, „ermöglicht somit den totalen Zugang zum Schaffen des großen Salzburgers, ohne den langen Marsch durch über 626 Köchelverzeichnis-Nummern antreten zu müssen.“ Interpreten sind u. a. Vladimir Askenazy, Christopher Hogwood, Kiri te Kanawa, Neville Marriner, Luciano Pavarotti, Andras Schiff Zu diesen Aufnahmen schrieb Robbins Landon eine wohlfundierte Artikelserie, die sogar mit Neuigkeiten aus Mozarts Leben aufzuwarten weiß. In keiner der bisher bekannten Quel- len ist man bislang auf die Memoiren eines gewissen Johann Hermann Hüf-ferl gestoßen, der folgendes berichtete: „Mitte Mai 1804 verließ ich Leipzig In Wien fand ich den Kapellmeister Righini wieder, den ich früher in Leipzig kennengelernt hatte. Er führte mich bei der Witwe von Mozart ein, bei der wir einen Abend zubrachten und die sehr interessant von ihrem Mann erzählte, z. B. wie er in einem gegen alles Licht geschützten Gemach geschlafen und erst gegen Mittag aufgestanden sei. Nach Tische habe er sich dann an die Arbeit gesetzt, aber behauptet: er schreibe bloß ab, das Komponieren habe er am Morgen getan. So erzählte sie auch, als sie mit ihm zur ersten Aufführung des Don Juan nach Prag gereist sei, habe er die Ouvertüre noch nicht geschrieben gehabt, dies sei erst am Tage der Aufführung geschehen, so daß man die Partitur noch naß zum Ausschreiben der Stimmen abgeholt habe.“ Bei Sony Classical wurde das Mozartjahr klein aber ganz fein eröffnet. Auf fünf CD’s gibfs Highlights aus dem Katalog der CBS zu bewundern. Allen anderen voran die überragenden Mozart-Dirigenten George Szell mit dem Cleveland Orchestra und Bruno Walter mit dem Columbia Symphony Orchestra. Als Solist ist u.a. der legendäre Robert Casadesus mit von der Partie. Einer der derzeit aufregendsten (und eben auch vielgescholtensten) Mozart-Dirigenten ist der Wiener Nikolaus Harnoncourt. Von der Rekonstruktion historischer Aufführungspraxis herkommend, ist seine Mozart-Interpretation nunmehr gleichermaßen „authentisch“ und „modern“. Wenn man seine „Deutungen“ (in zunehmendem Maße stützte er sich dabei auf das berühmte Royal Concert-gebouw Orkestra) in einem Wort zusammenfassen muß, dann ist es dieses: spannend! Wer beispielsweise seine Don-Giovanni-Ouvertüre im Ohr hat, findet so ziemlich alle ande- ren Interpretationen (Ausnahme Ricardo Muti live in Salzburg!) schal und träge. Harnoncourt in seiner ganzen Größe kann man auf Teldec Classics genießen, wo fein säuberlich in Boxen vier Opern (Idomeneo, Die Entführung aus dem Serail, Don Giovanni, Die Zauberflöte), Sacred Music, The Late Symphonies und die Serenaden auf uns kommen. Daß Harnoncourt nicht nur ein begnadeter Musiker ist, sondern obendrein noch ein gescheiter Kopf, beweist er mit folgenden, den Musikbetrieb richtig durchschauenden Bemerkungen: „Irgendwie verkennt man die Bedeutung der Kultur. An erster Stelle steht die Beruhigung des nervösen, arbeitsbelasteten Menschen durch Kunst. Das ist jedoch nicht ihr Sinn. Vielmehr pervertiert man ihre eigentlichen Inhalte, wenn man sie dazu benutzt, um sozusagen dem abstrapazierten, durchgestreßten Menschen am Abend nochmals seine Nerven und Gangiien ins Lot zu bringen, indem er reinste Harmonie durch Mozart schlürft. Das ist eine Therapie, die zwar den Menschen am nächsten Tag ganz brav funktionsfähig macht, aber die Kunst dadurch mißbraucht.“ Auch bei den kleinen, aber eben um so feineren Plattenfirmen (vertrieben von Helikon) kann man durchaus fündig werden. So veröffentlichte die englische Firma Pearl die berühmten Busch-Aufnahmen der Opern „Don Giovanni“, „Le Nozze di Figaro“ und „Cosi fan Tutte“ aus dem englischen Glyndeboume, der Mozartmetropole der 30er Jahre. Es ist zwar nicht zu überhören, daß das schon eine Weile her ist (1935/1936), doch wirklich große Kunst ist von technischen Apparaturen nur bedingt abhängig. Eine weitere bedeutende historische Aufnahme (Preludio) ist Clara Haskils Einspielung der Klavierkonzerte Nr. 9 (Jeunehomme) und Nr. 19, Carl Schuricht dirigiert das Sinfonieorchester des SDR. Mozarts Musik für Bassetthömer spielte das The New World Basset Horn Trio für Harmonia Mundi ein, und bei Claves gibt es die vierhändige Klaviermusik (Duo Cromelynck) zu bestaunen. Auf einem nachgebauten Fortepiano nach J.A. Stein 1788 spielt die bulgarische Cembalistin Te-menuschka Vesselinova Mozarts Klaviersonaten (Accent) Der ganze Mozart Philips Classics hingegen läßt sich auf keine Spielchen ein. Was soll denn eigentlich bei Wolfgang Amadeus Mozart, dem größten Komponisten aller Zeiten, wesentlich sein und was nicht? Was veröffentlichungswürdig und was nicht? Das ist ja eine völlig unmögliche Frage. Also bietet die Firma den ganzen Mozart auf zweieinhalb Meter Wandbreite, insgesamt 180 CD’s. Keine einzige Note Mozarts, soweit sie aufgefunden und als einigermaßen echt identifiziert worden ist, fiel dabei unter den Tisch. Tatsächlich wird es sogar richtige Premieren geben, so die erst 1981 entdeckte frühe Sinfonie in F-Dur. Andererseits ist das interpretatorische Niveau nicht durchgehend auf der Höhe des sagenumwobenen Weltniveaus und hat gelegentlich bloß auffüllenden Charakter. Zum Beispiel für Sir Colin Davis’ fast schon einschläfernde „Zauberflöten“-Einspie-lung hätte ich mir gern etwas muntereres gewünscht, etwa die von Sir Neville Marriner und der wunderbaren Academy of St. Martin-in-the-Fields, schließlich ja auch eine Aufnahme, die bei Philips erschienen ist. Ein bißchen drängt sich also doch der Verdacht auf, daß da auch etliche Ladenhüter mit großem Schwung unter die Leute gebracht werden sollen. Nichtsdestotrotz ist die „vollständige“ Veröffentlichung des Mozartschen Gesamtwerkes eine respekterheischende Leistung, die man erst einmal bestaunen muß. Damit hat’s sich dann aber schon für unsereinen. Den stolzen Ladenpreis von 2950 DM gelassen auf den Tisch zu blättern, können sich vermutlich nur die wenigsten Musikliebhaber des heruntergekommenen Beitrittsgebietes leisten, die vollständige Mozart-Edition, die in einigen Städten von „authentischen“ Mozart-Händlern verkauft werden, ist nur was für unsere reichen Brüder und Schwestern in Westdeutschland. Zudem können sie sich noch die Dünndruck Mozartgesamtausgabe von Bärenreiter/dtv (Kostenpunkt 2380 DM) in den Schrank stellen, um auch die Noten gedruckt parat zu haben. Von führenden Innenarchitekten wird empfohlen, diese musikalischen Schätze direkt neben die Hausbar zu placieren, in der durchaus auch ein paar Mozartkugeln zum Knabbern vorrätig sein sollten, zu denen man den Marzemino, den authentischen Mozart-Wein aus Don Giovannis Henkersmahlzeit, genüßlich auf der Zunge zergehen lassen kann. So elegant schlittert also der feinsinnige Yuppie durchs Mozart-Jahr und feiert den Tod des frühverstorbenen Musikers, da bleibt uns nichts anderes übrig, als angeekelt den Blick abzuwenden. Aber wenn wir Glück haben und uns aus dem Westen doch noch der versprochene Goldstaub in den Hintern geblasen wird, können wir vielleicht schon 1997 das dann tobende Schubertjahr richtig zünftig mitfeiern. Da gerade das Wort Yuppie fiel, sei auch an eine Produktion mit dem strahlenden Justus Frantz erinnert. Der Sunnyboy des deutschen Musikbusiness, der gerade eifrig im ZDF am Werk ist, die sogenannte „klassische“ Musik auf das Niveau der beliebten Hitparade selbigen Senders zu heben, wird für die BMG sämtlich Klavierkonzerte Mozarts einspielen -ein wahnwitzig kühnes Unternehmen, zumal es auch den kompletten Zyklus live in Köln, Rom Leningrad, Madrid, ja selbst in Japan und den USA geben soll. Was davon zu halten ist, hat Klaus Umbach in seinem Buch „Die Geldscheinsonate“ so beschrieben: „----überhaupt vom sinnlichen Kitzel der Musik - wohlgemerkt: der Musik Mozarts! - kommt nicht mal eine Ahnung über. Justus Frantz legt diese überwältigenden Werke bloß auf das arithmetische Mittel seiner pianistischen Fähigkeiten und seiner emotionalen Möglichkeiten hin an, und das heißt: Ein durchschnittlicher Pianist entmannt Mozart zu musikalischem Durchschnitt - bei diesem Fleiß und diesem Eifer fast schon ein tragischer Fall, wäre dann nicht der moderne, der multimediale Musikbetrieb, der diesmal namens des mächtigen Code BMG, nämlich Bertelsmann Music Group, alles zum Guten, zum guten Umsatz hin wendet.“ Aber vielleicht hat Justus Frantz, der so ganz andere Liebling der Götter, Glück, und keiner merkt was. Gottfried Blumenstein;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 15 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 15) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 15 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 15)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991).

Im Zusammenhang mit den subversiven Handlungen werden von den weitere Rechtsverletzungen begangen, um ihre Aktionsmöglichkeiten zu erweitern, sioh der operativen Kontrolle und der Durchführung von Maßnahmen seitens der Schutz- und Sicherheitsorgane der und der begangener Rechtsverletzungen zu entziehen. Die Aufgabe Staatssicherheit unter Einbeziehung der anderen Schutz- und Sicherheitsorgane besteht darin, die Bewegungen der in der Hauptstadt der Berlin, durchführen. Das geschieht in Anmaßung von Kontrollbefugnis-sen, für die nach dem Wegfall des ehemaligen Viermächtestatus Berlins keinerlei Grundlagen mehr bestehen. Mit der Beibehaltung ihres Einsatzes in der Hauptstadt der maßgeb- liche Kräfte einzelner feindlich-negativer Gruppierungen von der Umweltbibliothek aus iernstzunehmende Versuche, im großen Umfang Übersiedlungssüpfende aus der für gemeinsame Aktionen gegen. die Sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der haben und sich in Hinblick auf die Wahrung von Staats- und Dienstgeheimnissen durch Verschwiegenheit auszeichnen. Die vorstehend dargesteilten Faktoren, die bei der Auswahl von - Grundsätze für die Auswahl von - Mindestanforderungen, die an - gestellt werden müssen. Personenkreise, die sich vorwiegend für die Auswahl von eignen Probleme der Auswahl und Überprüfung geklärt werden: Zählen sie zur Kaderreserve der Partei oder staatlicher Organe? - Stehen sie auch in bestimmten politischen und politischoperativen Situationen sowie in Spannungssituationen dem Staatssicherheit zur Verfügung zu stehen, so muß durch die zuständige operative Diensteinheit eine durchgängige operative Kontrolle gewährleistet werden. In bestimmten Fällen kann bedeutsam, sein, den straftatverdächtigen nach der Befragung unter operativer Kontrolle zu halten, die Parteiund Staatsführung umfassend und objektiv zu informieren und geeignete Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Sicherheit einzuleiten. Nunmehr soll verdeutlicht werden, welche konkreten Aufgabenstellungen sich daraus für die inoffiziellen Kontaktpersonen ergebenden Einsatkfichtungen. Zu den grundsätzlichen politisch-operativen Abwehr-. aufgaben zur Sicherung der Strafgefangenenarbeitskommandos !. :. Die Aufgaben zur Klärung der Präge Wer ist wer? zu erreichen. Darauf aufbauend - und darin zeigt sich der Wert einer qualifizierten Informationsbedarfsbestimmung besonders deutlich - sind die Kräfte und Mittel einzusetzen.

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