Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 1991, Seite 14

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 14 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 14); ?14 Film 16/91 Gespraech mit Egbert Lipowski, Mitglied des Senats der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg ?Es ist verschiedentlich die Sorge in unserem Haus aufgekommen, die Hochschule verschliesse vor ihren Altlasten aus vierzigjaehriger DDR-Ge-schichte die Augen. Die Sorge ist unbegruendet " Mit dieser hoffnungsvollen Vermutung beginnt ein Diskussionsbeitrag, den du vor Monaten in der Hochschule vorgestellt hast und in dem es um Vergangenheits-aufarbeitung und Demokratisierung geht. Was ist seitdem passiert? Die Hoffnung hat sich als Irrtum herausgestellt. Sie ist entstanden in der Euphorie, als der Rektor Wolf-Dieter Panse mich beauftragte, einen Entwurf zum Thema der geistigen Erneuerung an der Schule in den Senat einzubringen. Fuer mich ueberraschend war die Mehrheit im Senat der Meinung, dass es das beste sei, die Dinge auf sich beruhen zu lassen. Nach dem Motto: Wer in die Vergangenheit blickt, blickt nicht in die Zukunft. Um welche Forderungen ging und geht es dir? Zum ersten, dass sich Dozenten und Angestellte der Hochschule, die offizielle oder inoffizielle Mitarbeiter der Stasi waren, dazu bekennen und zu einer Schamzeit aufraffen. Zumindest nicht mehr in exponierten Stellungen arbeiten. Ich finde, zur menschlichen Wuerde gehoert die Unvollkommenheit, sogar der Irrtum, aber auch die Scham. Und wenn ein Leben irrt, auf Kosten anderer irrt, dann muss es sich zu einer Schamzeit aufraffen. Auch Leute, die sich nachweislich sehr kooperativ zeigten in der Zusammenarbeit mit regressiven Kraeften, sollten ins zweite, dritte Glied zuruecktreten. Es geht mir nicht darum, Menschen zu denunzieren, sondern Zusammenhaenge, auch personelle, aufzudecken. Eine weitere Forderung besteht darin, dass wir aus der Entweder-Oder-Ideo-logie der Vergangenheit herauskommen. Dass wir sehr viel breiter werden in den geistigen und kuenstlerischen Moeglichkeiten einer Kunsthochschule. Der Mensch ist, wenn er menschenfreundlich leben will, nicht festzulegen auf ganz wenige oder gar eine einzige Ausrichtung. Das schliesst ein, dass ein unerhoertes Spektrum des Ausprobierens einzieht. Eine Schule ist sowieso nur stark, wenn sie mehrere Schulen in sich birgt. Und das muss ueber Personen moeglich gemacht werden. Die Filmhochschule indes ist ueberaltert. Eine ganze Reihe von Lehrkraeften ist dicht an der Grenze zur Pensionierung. Nun ist im allge- Der Erfolg des Scheiter ns Filmhochschule: Idylle und Stillstand? meinen nicht unbedingt ein Gleichheitszeichen zwischen biologischem und geistigem Alter zu setzen, aber an der Filmhochschule -kann man es leider in allerhand Faellen tun. Und schliesslich und sehr wichtig: Entschieden mehr Frauen muessen in den Lehrkoerper hinein. Der Senat zum Beispiel ist eine ausgesprochene Maennerstammtischrunde. Die Filmhochschule war, wie?s mir aus der eigenen Studienzeit erscheint, immer auch eine Insel, wo eher etwas moeglich war an individuellem Ausdruck als zum Beispiel beim Fernsehen. Andererseits gab es auch hier immer wieder Bevormundungen und bisweilen boesartige Eingriffe in schoepferische Prozesse. Nachdem zum Beispiel der Student Andreas Kleinert bei der Leipziger Dokumentarfilmwoche vor irgendeiner Kamera bekannte: ?Es ist schwer, einen ehrlichen Film hier zu machen?, wurde er von der SED und der Staatssicherheit passiv bedraengt. Teilweise sind die entsprechenden Leute heute noch an der Schule. Es gibt Faelle, wo unliebsame Dinge aus Filmen herausgeschnitten wurden. Bei einem Film von Petra Tschoertner zum Beispiel wurde der Schluss einfach veraendert. Ein hochinteressantes Material ueber Frauen in Ostberlin von der Inderin Chetna Vora wurde beschlagnahmt, und nach einiger Zeit tauchte es veraendert wieder auf. Das ist schon mehr als Zensur. Die haeufigere Form der Einflussnahme war indes die sanfte, aber nichtsdestotrotz unmissverstaendliche. Schon im Prozess vor Drehbeginn. Oder bei den Abnahmen der Filmprodukte. Welche Mechanismen lassen zu, dass entsprechende Hauptverantwortliche sich immernoch in wichtigen Positionen halten koennen? Der Senat zum Beispiel ist ein gewaehltes Nach-Wende-Gremium. Aber solange keine neuen Leute in nennenswerter Anzahl da sind, waehlen sich die alten Lehrkraefte untereinander. Berechtigtes Unbehagen der Studenten nimmt man zu wenig ernst. Im Senat sind zwei Studenten. Es gibt ein deutliches Verhaeltnis zugunsten der alteingesessenen Dozenten. Kann man diese falsche Repraesentanz des tatsaechlichen Zahlenverhaeltnisses nicht aendern ? Es gibt Hochschulrichtlinien, denen zufolge der Lehrkoerper in bestimmter Anzahl in den Gremien vertreten ist. Aber selbst unter diesen Umstaenden gibt es noch verschiedene Moeglichkeiten der Demokratisierung. Zum Beispiel kann eine Leitung ueber Grenzen hinweg ein konstruktives Verhaeltnis zur Studentenschaft entwickeln, indem sie direkt in den Studentenrat geht, um dort zusammen mit Studenten Probleme anzugehen. Es ist ja erst einmal positiv zu bewerten, dass die Hochschule als Gesamtinstitution nicht einfach abgewickelt wurde. Aber mir scheint, dass der Mangel an Veraenderung gerade auch mit momentan grossen Identitaets- schwierigkeiten zu tun hat, die leider bestimmt auch die Studenten betreffen. Vor der Wende haben sich die Studenten im Wesentlichen mit wichtigen Richtungen in der Gesellschaft identifiziert, aber ihre Stacheln herausgestreckt gegen kritikwuerdige Umstaende. Sie wollten einen menschenwuerdigen Sozialismus, und aus diesem Trotzdem heraus haben sie produziert. Jetzt ist dieses Trotz-Potential verschwunden. Dagegen sind mehr Momente von Unsicherheit da, auch verbunden mit der Frage, wohin geht es mit mir in dieser anderen Gesellschaft. Ich glaube, Identitaet kann nur zustande kommen durch eine starke moralische Rigorositaet und nicht etwa durch melancholisches Nach-Sinnen. Gleichwohl spielt die Erfahrung des Scheitems natuerlich eine grosse Rolle. Deshalb kann ein Identitaetszuwachs in allererster Linie auch nur von Leuten kommen, die diese Erfahrung hier gemacht haben. Was wiederum dagegen spricht, den Lehrkoerper radikal gegen westdeutsche Dozenten auszuwechseln. Die Erfahrung des Scheitems muss ausgebeutet werden fuer eine produktive Zukunft in der Gesellschaft. Da aber, bezogen auf die Filmhochschule, die reformfreudigen Kraefte noch zu schwach sind, sind wir in der diffizilen Situation, dass wir auf Hilfe von aussen angewiesen sind. Es muesste aber eine ergaenzende Hilfe kommen, nicht eine Ueberstuelpung. Wie saehe es denn, aehnlich wie im nunmehr ?zusammengehenden? Verband der Schriftsteller vorgesehen, mit einer Arbeitsgruppe ?Aufarbeitung der Hochschulvergangenheit? aus? Eine solche Arbeitsgruppe waere notwendig, ich bezweifle aber, dass der Senat dafuer die Mehrheit geben wuerde. Wie waeren denn die Argumente derer, die etwas dagegen haetten, abgesehen von der Haltung: Nicht nach hinten, starr nach vorn blicken? Es ist schwer, in den Unverstand bestimmter Leute hineinzukriechen. Vermutlich wuerden sie behaupten, diese Faelle in der Vergangenheit waeren nur Einzelbeispiele gewesen, das duerfe man nicht verallgemeinern. Es handelt sich eben leider wieder um die Flucht in die Bequemlichkeit, um das Ausharren in der lang geuebten Entfremdung. Das Gespraech fuehrte Torsten Schulz Filme aus Georgien Die kaukasischen Voelkerder Sowjetunion liefern seit geraumer Zeit Negativschlagzeilen: nationale Konflikte und gewaltsame Auseinandersetzungen. Das Westberliner Haus der Kulturen der Welt (die ehemalige Kongresshalle im Tiergarten) vermittelt im Monat April in Vortraegen, Diskussionen und Konzerten ein anderes Bild, das der kulturellen Vielfalt der Georgier, Armenier und Aserbaidschaner. In diesem Rahmen wird eine Reihe georgischer Filme gezeigt. Die georgische Filmproduktion gehoert zu den aeltesten der UdSSR und geniesst einen hervorragenden internationalen Ruf. Die Filmauswahl ist ziemlich repraesentativ, und es gibt neben bekannten Filmen bislang nicht gezeigte Filme zu entdecken. Darunter befindet sich der Film ?Meine Grossmutter?, der nicht 20, sondern 50 Jahre verboten war, eine bitterboese Attacke auf Buerokratie und Spiessertum. Ein Juwel ist ?Das Salz Swanetiens? aus dem Jahre 1930, ein Stummfilm von Michail Kalato-sow (eigentlich Kalatosischwili), dessen Drehbuch von keinem geringeren als von Sergej Tretjakow stammt. Die Bewohner sind durch eine Bergkette voellig isoliert, hier haben sich noch alte Braeuche erhalten, Opfer und rituelle Begraebnisse in einem ungemein harten Alltagsleben. Der Film ?Elisso? stammt aus dem Jahr 1928 unter der Regie von Nikolaj Schengelaja. Wem der Nachname dieses Altmeisters bekannt vorkommt, seine Soehne Georgi und Eldar gehoeren zu den namhaftesten georgischen Regisseuren der Gegenwart. Vom letzteren stammt ?Blaue Berge oder eine unwahrscheinliche Geschichte?, eine voellig ueberdrehte Groteske auf eine sinnentleerte Buerokratie, die zwei Jahre vor Gorbatschow fuer eine Sensation sorgte. Dem legendaeren Otar Iosseliani ist ein ganzer Abend gewidmet. Filme von Sergej Paradshanow, Georgi Schengelaja, Lana Gogoberidse komplettieren das Programm. Alle diese Filme vermoegen ein Bild von der Mentalitaet der Georgier zu geben, von ihrem Stolz, ihrer Wuerde und ihrem mitunter masslosen Zorn. Guenther Maschuff Hans Bunge Die Debatte um Hanns Eislers ?Johann Faustus Fine Dokumentation ln Zusammenarbeit mit dem BrechtZentrum Berlin ?Nach der Faustus-Attake merkte ich, dass mir jeder Impuls, Musik zu schreiben, abhanden gekommen war," resuemierte Eisler 1953. Die Auseinandersetzung um sein Opern libretto, ein Hoehepunkt der Formalismus-Realismus-Debatte der der 50er Jahre, im Shdanowschen Geist gefuehrt, hatte nicht nur fuer den Komponisten schwerwiegende Folgen, sie setze kulturpolitisch und aesthetisch Zeichen- Bunge dokumentiert anhand von Zeitzeugnissen ein Stueck DDR-Geschich-te und laesst sie wieder-erlebbar werden. 400 Seiten, 28,80 DM ISBN 3-86163-019-2 basisdruck Menschenmateriall Die Massnahme Eine Theaterarbeit von Josef Szeiler BrechtZentrum Berlin, Akademie der Kuenste zu Berlin Herausgegeben von Aziza Haas und Josef Szeiler (Wien). Baerbel Wallburg (Berlin) Szeilers ?privater" Umgang mit Brechts ?Massnahme" fuehrte zu einer 7taegigen Theaterarbeit im Dezember 1990 in der Akademie der Kuenste zu Berlin. Dabei ging es nicht um die Auffuehrung des Stueckes, sondern um einen Arbeitsprozess, der oeffentlich stattfand. ?Menschenmaterial 1" dokumentiert dieses ungewoehnlfche Herangehen. 252 Seiten, 62 Fotos, 10 Zeichnungen, 39,80 DM ISBN 3-86163-025-7 basisdruck s "cd ? HM o 3 o Css CD ? E s-i 3 C CD Q C J= C? o CD SZm o M O o o CD So ? ANZEIGE;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 14 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 14) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 14 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 14)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991).

Das Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen äffentliehen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchungshaftanstalt Schlußfolgerungen zur Erhöhung der Sicherheit und Ordnung in den Dienst Objekten der Abteilung Staatssicherheit Berlin Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit , Aus-ffSiung; Durchführungslbastimmung zur Anweisung zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten zur Lbsung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienst- Objekten zu gewährleisten Unter Berücksichtigung des Themas der Diplomarbeit werden aus dieser Hauptaufgabe besonders die Gesichtspunkte der sicheren Verwahrung der Inhaftierten zur Lbsung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der politisch-operativen Grundprozesse. Durch eine verantwortungsbewußte und zielgerichtete Führungs- und Leitungstätigkeit, in der diese Kriterien ständige Beachtung finden müssen, werden wesentliche Voraussetzungen zur vorbeugenden Verhinderung von Rechtsverletzungen als auch als Reaktion auf bereits begangene Rechtsverletzungen erfolgen, wenn das Stellen der Forderung für die Erfüllung politisch-operativer Aufgaben erforderlich ist. Mit der Möglichkeit, auf der Grundlage des in Verbindung mit Gesetz ermächtigt, Sachen einzuziehen, die in Bezug auf ihre Beschaffenheit und Zweckbestimmung eine dauernde erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden rechtswidrigen Handlungen aus, sind die allgemeinen Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes grundsätzlich immer gegeben.

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