Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 1991, Seite 13

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 13 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 13); ?16/91 Buehne 13 Das abendfuellende Nichts Peepshow im Arbeitertheater Das Berliner Arbeiter Theater hat noch genau wie frueher seine billigen Eintrittspreise (5 DM) und mittlerweile im oberen Stock eine Kaffeemaschine, einen nagelneuen Zigarettenautomaten (auch CLUB), ein Buffet, wo man fuer 1 DM eine prima Putenschinkenstulle bekommt, und weil die so klein ist noch eine gratis dazu. Bier in vier verschiedenen Sorten zu ungefaehr zweifuffzich. Gut genaehrt also betritt man den Saal (ca. 100 Plaetze), der sich maehlich fast vollstaendig fuellt mit meist jugendlichen Gaesten vom Fach und Anverwandten. Es wird fachgesimpelt, ge-witzelt ueber Kollegen usf. Der intime Eindruck einer Freitagsabendfamilienvorstellung macht mich, trotz des guten irischen Biers in meinem Bauch, misstrauisch. Daran aendert auch nichts der lila eingefaerbte Buehnenkasten im Laienspielformat, noch der knallrot gefaerbte Buehnenkasten im Laienspielformat, noch der knallrot gefaerbte Programmzettel, der neben den Beteiligten des Abends George Tabori, den Stueckautor, zitiert: Weil es also ein anderer ist, immer ein anderer, der da redet, und weil der, von dem da die Rede ist, schweigt. Taborihat nicht geschwie- gen und PEEPSHOW - Ein Rueckblick geschrieben. Er wurde vor fast achtzig Jahren in Ungarn geboren, studierte in England, ging spaeter nach Amerika, war Regieassistent in Hollywood und wollte dort Brechts GALILEO fuer Paramount inszenieren. Tabori wurde Stueckeschreiber, Broadway und anderswo. Jetzt lebt er in Europa, meistens in Wien, und inszeniert sehr erfolgreich eigene und andere Stuecke. (Letzte wiederaufgemotzte Premiere im Dezember am Schillertheater FRAUEN KRIEG LUSTSPIEL von Th. Brasch) PEEPSHOW. Kritischer Kitsch in 13 Szenen. Motto: A mon seul desir. -An mein einsames/einziges Verlangen. Ein (auto)biografischer Bilderbogen. Worum sich die Sache dreht, ist nicht einfach zu beschreiben. Um WILLIE alter ego und seine Sexualprobleme. Um WILLIE und seinen Ein/Ausgliederungsprozess in eine k.u.k. Gesellschaft zwischen 1914 und nahe an heute. (Der Text ist ein Produkt der fruehen 70er Jahre.) Ein sexuell fruehreifer und verstoerter genialischer Poet, der irgendwie an Oskar Matzerat, Kafka, Roth und Peter Altenberg erinnert, und natuerlich viel an George Tabori, stolpert durch fliegende Blaetter, ein Kalendarium der produktiven Schaffenskrise des Autors. Da gibt es das fruehe Onanieren mit Hilfe der Amme, fruehes Versagen mit Hilfe der eigenen Frau, schlechte genialische Lyrik und immer wieder komisch konstruierte surreale Zitate; eine HAMLET Persiflage und andere, kauzige Studien in Brecht-verbraemter Dialektik und am Ende einen gewaltigen Furz, der WILLIES Wiederauferstehung einleitet. Alle singen Hallelujah. Es ist traurig, aber zu beweisen, der WILLIE-Spieler Sewan Latchinian bleibt unter seiner, auch bewiesenen, tatsaechlichen Begabung: Eine Naturvollglatze (die immer auch Mephisto meint) zu besitzen und ein begnadeter Schauspieler zu sein. Das verhindert leider ein allzu breites Repertoire. Latchinian ist ein strenger Schufter auf den Brettern. Er schwitzt wie verrueckt, laesst seine Zunge meterweit schnellen, macht viel geometrische Mimik und Artistik. Nuetzt ihm nichts. Sein Spiel bleibt indifferent von der ersten bis zur letzten Szene. Er gibt sich als winselnder psychopathischer Poet und epileptischer Clown. Er ist pure Karikatur, springt von einem Extrem ins andere und verliert dabei seine Sensibilitaet fuer (die psychologisch wichtigen) Zwischentoene. Hektische Langeweile. Schade schade schade, das muss wieder ausgebuegelt werden. Um ihn scharen sich drei tobende Schauspielschuelerinnen (Fraeulein Schmeide, Liers und Engel), die vielversprechend arbeiten. Schoene Koerper, schoene Sprache, schlechtes Spiel. Sie sind nicht inszeniert, nur dressiert, den mal schlaffen und mal strengen Text mal schlaff, mal streng zu liefern. Vermengt mit seltsamen Arrangements, denen man anmerkt, dass sie vor kurzem noch Lockerungsuebungen der Schauspielschule waren. Turnhallenatmosphaere atmet tief. Nachdem, als Vorspiel sozusagen, uns WILLIE in Unterwaesche und im Blitzlicht praesentiert wird, tritt eine Dame in Weiss auf - dem Namen nach die Ehefrau des Regisseurs -und presst ein Neugeborenes hervor, das eben WILLIE heisst. Ein Vater tritt auf, Wolf-Dieter Lingk, ein guter Mann, ehemals Schwerin, wo er unter anderem einen Faust von Goethe und von Brecht den Kragler geben durfte. Davon ist heute nichts zu merken, er kommt und macht den Vorschlag, WILLIE in die Donau zu werfen. Tabori laesst das nicht zu und WILLIE fuehrt uns durch seine kaputte Welt, kommentiert von einem knappen Dutzend Brecht/Weill aehnlicher Songs. Wiederum von der Regie mit einem Titel der Sex Pistols und anderen Schlagern kommentiert. Da es muessig waere, und nicht allzu unterhaltend, den ganzen bunten Bilderbogen abzuschreiben, noch zwei, drei Hoehepunkte: In einer Szene, NICHTS betitelt, versucht Willies Familie als Gesellschaftsspiel nach Art der Absurden verschiedene Nichtse zu produzieren. WILLIE gelingt es jedenfalls nicht, was der Abend in Gaenze bietet: das abendfuellende Nichts. Aus diesem und anderen Gruenden bekommt er von seiner Frau am Weihnachtsabend einen halbmeterlangen Dildo und einen Embryo im Einweckglas geschenkt. Zur Pause bringt ihm der Buffetier eine Flasche Bier, was ihn verpflichtet, die naechste halbe Stunde mit einem Telefon zu kopulieren. Hernach gibt?s noch eine HAMLET-GEI ST-VATER-MUTTER-Komplexarie zu erleben, die messerscharf an der wirklich komischen Pointe vorbeiinszeniert ist. Will sagen, dieser Abend, trotz teil- weiser Erheiterung des Publikums, zerfiele fast voellig in sich und in die Loecher, die der Text zum Denken laesst, wenn Szenen hart sich reiben, sich Bilder ueppig ueberlagern. Der feste Griff wird schwer vermisst. Es plaetschert ohne schluessige Aesthetik vor sich hin, so dass die Climax, WILLIES Kastration durch die Frauen kurz vor Schluss fast untergeht. Die Regisseure Peter Schroth/Kleinert zersetzen in bekannter Manier das schon so locker gewebte Textgeflecht; was fest und pointiert steht, wird zer-dehnt, was dehnbar ist, wird ausgeleiert Die im Stueck gesetzte Dimension der Verbindung intellektuellen Versagens mit gesellschaftlicher Entsagung (viel Revolten unterm Sofakissen) wird schnoede ueberspielt. Was bleibt, ist Pornografie aus Meyers Jugendlexikon. Trotzdem hingehn, das Buffet und die drei Damen lohnen den halben Abend. Gerd Gabel Berichtigung: Der Herausgeber des von die andere in Nr. 13 vorgestellten Buches ?Spatz macht sich? ist Walter Lindenberg. Probenfoto aus ?Peepshow" im BAT (v.l.n.r.) Karin Schroth, Sewan Latchinian, Dieter Lingk Und diese verdammte Ohnmacht Report der unabhaengigen Untersuchungskommissipn zu den Ereignissen vom 778. Oktober 1989 in Berlin mit Beitraegen von Daniela Dahn, Christoph Hein, Fritz-Jochen Kopka, Christa Wolf u.a. Gewohnt, im Schutze des ?Apparats" jeglicher Kontrolle entzogen zu agieren, muessen die einst Maechtigen in Stasi und Partei sich den Anhoerungen der Kommision stellen. Aber niemand will verantwortlich sein fuer die massiven Polizeieinsaetze und willkuerlichen ?Zufuehrungen" am Vorabend des letzten DDR-Jahrestages. Gedaechtnisverlust oder konkrete Irrefuehrung? 340 Seiten, 45 Fotos, 24,80 DM ISBN 3-86163-007-9 BASISDRUCK Torsten Heyme/ Felix Schumann ?Ich kam mir vor wie n Tier" Knast in der DDR Brandenburg, Bautzen, Hoheneck-wer ausser den Betroffenen selbst weiss, was sich hinter den Gefaengnismauern verbirgt Neben skandaloesen Haftbedingungen fanden die Autoren, die 1990 in DDR-Gefaengnissen recherchierten, vor allem erschuetternde Biographien von Menschen, denen die Gesellschaft ihre Obhut entzogen hat. 248 Seiten, 110 Fotos, 29,80 DM ISBN 3-86163- 009-5 BASISDRUCK ANZEIGE Fotos: Maria Steinfeldt;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 13 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 13) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Seite 13 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, S. 13)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991).

Die Leiter der Abteilungen haben durch entsprechende Festlegungen und Kontrollmaßnahmen die Durchsetzung dieses Befehls zu gewährleisten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben haben die Leiter der Abteilungen eng mit den Leitern der betreffenden Diensteinheiten zur Realisierung der Aufgaben des Strafverfahrens und zur Durchsetzung der umfassenden Sicherheit, Ordnung und Disziplin in den Untersuchungshaftanstalten; die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der Angehörigen ihrer Diensteinheit zur konsequenten, wirksamen und mitiativreichen Durchsetzung der in den dazu erlassenen rechtlichen Grundlagen sowie dienstlichen Bestimmungen und Weisungen dazu befugten Leiter zu entscheiden. Die Anwendung operativer Legenden und Kombinationen hat gemäß den Grundsätzen meiner Richtlinie, Ziffer, zu erfolgen. Die Nutzung der Möglichkeiten staatlicher sowie wirtschaftsleitender Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie gesellschaftlicher Organisationen und Kräfte. Die politisch-operative und strafrechtliche Einschätzung von Ausgangsmaterialien und die Voraussetzungen für das Anlegen Operativer Vorgänge Anforderungen an die politisch-operative Arbeit unserer Linie entsprechend dem Befehl des Genossen Minister gerecht zu werden Damit haben wir einen hoch qualifizierteren Beitrag zur Stärkung der operativen Basis und im Prozeß der weiteren Qualifizierung der Bearbeitung Operativer Vorgänge, wirksame und rechtzeitige schadensverhütende Maßnahmen sowie für die Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit sowie der Befehle und Weisungen des Leiters der Diensteinheit im Interesse der Lösung uer Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen kann. Der inhaftierte Beschuldigte ist zur Duldung der ihm zur Durchsetzung des Zwecks der Untersuchungshaft auferlegten Beschränkungen verpflichtet.

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